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Nach Attac-Urteil zu GemeinnützigkeitPolitische Vereine erstmal sicher

Einigung von Bund und Ländern: Bis Ende 2021 soll keinen weiteren Organisationen aufgrund des Attac-Urteils die Gemeinnützigkeit entzogen werden.

Bis Ende 2021 soll keinem weiteren politischen Verein die Gemeinnützigkeit entzogen werden Foto: Roland Geisheimer/attenzione

Berlin taz | Gute Nachricht für politische Organisationen, die nach dem sogenannten Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs ebenfalls um ihre Gemeinnützigkeit fürchten mussten: Das von Olaf Scholz (SPD) geführte Bundesfinanzministerium hat sich nach Informationen der taz mit den Finanzministerien der Länder darauf geeinigt, dass bis zum Ende nächsten Jahres keinen weiteren Vereinen auf der Grundlage dieses Urteils die Gemeinnützigkeit entzogen werden soll. Bis dahin soll das Gemeinnützigkeitsrecht überarbeitet werden.

Bis Ende 2021 sollten bei bereits gemeinnützigen Organisationen „aus Vertrauensschutzgründen“ zunächst keine Konsequenzen mehr aus dem Urteil ziehen, heißt es zur Begründung in einem Schreiben des Ministeriums, das der taz vorliegt. Damit solle bis zu einer gesetzlichen Lösung die „erhebliche Verunsicherung“ beseitigt werden, die das Urteil ausgelöst habe. Im Dezember war dieser Vorschlag noch am Widerstand einzelner Länder gescheitert. Bei einem Treffen auf Abteilungsleiterebene in Berlin trugen ihn am Freitag dann aber alle mit, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums.

Der Bundesfinanzhof hatte vor einem Jahr entschieden, dass politische Bildungsarbeit nicht als gemeinnützig gilt, wenn damit ein bestimmter politischer Kurs vertreten wird. Zudem dürfe auch bei anderen gemeinnützigen Zwecken wie dem Umweltschutz die politische Lobbyarbeit nicht im Vordergrund stehen.

Das globalisierungskritiche Netzwerk Attac hatte deshalb die Gemeinnützigkeit verloren. Dadurch sind Spenden für das Netzwerk nicht mehr steuerlich absetzbar und Projekte können nicht mehr von gemeinnützigen Stiftungen mitfinanziert werden.

Später war die Gemeinnützigkeit aufgrund dieser Entscheidung auch der Organisation Campact entzogen worden. Viele weiteren Verbände fürchteten bei der nächsten turnusmäßigen Verlängerung der Gemeinnützigkeit in diesem Jahr die gleiche Konsequenz.

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in der sich zahlreiche Organisationen zusammengeschlossen haben, geht von hunderten betroffenen Organisationen aus. Diese sind durch den aktuellen Beschluss der Finanzministerien von Bund und Ländern nun geschützt.

Für Vereine wie Attac und Campact, bei denen eine Entscheidung bereits getroffen wurde, sowie für neu gegründete Vereine gilt die Anordnung nicht. Attac war erst vor einer Woche mit einer Klage vor dem hessischen Finanzgericht gescheitert.

Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) profitiert nicht von der Vereinbarung der Finanzminister. Ihr war Ende 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen worden, weil sie im bayerischen Verfassungsschutzbericht als linksextrem eingestuft worden war. Nach heftigem gesellschaftlichen Protesten hatte das zuständige Finanzamt hier allerdings eine Steuernachforderung vorerst ausgesetzt.

Bislang kein Gesetzentwurf

Finanzminister Scholz hatte als Konsequenz aus der breit kritisierten Attac-Entscheidung angekündigt, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren und weitere Förderzwecke aufzunehmen. Aus der Union gibt es dagegen Forderungen, die Anforderungen weiter zu verschärfen. Ein Gesetzentwurf liegt darum bislang nicht vor.

Für Stefan Diefenbach-Trommer von der Rechtssicherheits-Allianz ist das Problem darum mit dem aktuellen Beschluss noch nicht gelöst. „Das Moratorium gibt den Verbänden eine Atempause“, sagte er der taz. Nun müsse aber die Gesetzesänderung folgen und deutlich gemacht werden, welches Engagement gefördert werden soll. „Sonst beschädigt die Regierung das Engagement derjenigen, die unsere Demokratie verteidigen, frei von eigenen Interessen oder Machtansprüchen.“

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8 Kommentare

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  • Eigentlich ist die Sache ganz einfach. Vereinigungen, die politische Ziele verfolgen, können nicht gemeinnützig sein, denn im Wesen des Politischen liegt ja die Vertretung von Partikularinteressen. Also ist die einzig richtige Konsequenz, diesen ganzen Akteuren die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das gilt selbstverständlich auch für die politischen Stiftungen der Parteien und für diverse dubiose Umweltlobbyverbände wie zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe.

    • @OutbackerAS:

      Grundsätzlich müsste für alle gemeinnützigen Vereine aber eine komplette Transparenzpflicht eingeführt werden: offene Bücher (kein Steuergeheimnis), keine geheimen Treffen, AUSSAGEKRÄFTIGE Versammlungsprotokolle.

    • @OutbackerAS:

      M.M.n. ist das Gleichsetzen von politschen Vereinen und Parteien dringend geboten. Ob diese insgesamt gemeinnützig sind oder nicht ist allerdings eine schwierigere Diskussion. Schließlich ist eine vielfältige politische Diskussion sicher zu fördern und auch ein Sportverein nutzt z. B. auch nur denjenigen, die die konkrete Sportart ausüben.

  • Das ist ja spannend, jetzt da die von der SPD, also speziell von der Scholz-SPD, gefürchteten sozialpolitischen Kritiker erstmal geschwächt sind, können andere die Gemeinnützigkeit erstmal behalten.



    Dass die Neoliberalen in der SPD keine Freunde von kritischen Aktionen dieser Gruppen sind, nein, sie fürchten wie der Teufel das Weihwasser, müsste ja bekannt sein. Schließlich hat vor allem auch attac das geliebte HARTZ IV und den vergötterten Freihandel so sehr krutisiert. Vom der VVN ganz zu schweigen. Relativierte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten - doch durch ihre Arbeit immer wieder das heilige Selbstbild der SPD, die antifaschistische Gruppierung schlechthin zu sein.



    Sehr erfolgreiche Parteipolitik Herr Finanzminister.



    Jetzt müsste nur nach die Partei "die Linke" vom Verfassungsschutz beobachtet werden, dann hätten sich der liebe Scholz und seine Freunde die gewünschte Monopolstellung gesichert.

  • Jetzt erst recht spenden und nicht entmutigen lassen!

  • Diese Scheinheiligkeit ist nicht zu toppen!

    Attac und Campact setzen sich für die Interessen der MITTE ein, wer denn sonst??

  • ... nur weil es jetzt gerade in die Volks-Stimmung passt... das ändert sich wieder. Wetten?

  • Es ist schon sehr vielsagend, dass sich die CDSU in Zeiten faschistischer Bedrohung als Totengräber der Zivilgesellschaft ins Zeug legt. So richtig ist der Groschen wohl doch nicht gefallen?