Nach Attac-Urteil zu Gemeinnützigkeit: Verhaltene Freude

Die Finanzbehörden wollen zunächst keinen weiteren Organisationen die Gemeinnützigkeit entziehen. Das hilft aber nicht allen.

Aktivisten von attac kämpfen gegen eine aufgeblasene Krake.

Offiziell weiter nicht gemeinnützig: Attac beim Protest gegen ein Freihandelsabkommen 2016 Foto: Markus Heine/imago

„Dieser Schritt ist überfällig und absolut notwendig“: Mit diesen Worten hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac auf die Entscheidung reagiert, dass bis Ende 2021 keine weiteren politischen Organisationen auf der Grundlage des sogenannten Attac-Urteils ihre Gemeinnützigkeit verlieren sollen. Selbst profitieren wird Attac von der Entscheidung aber zunächst nicht.

Die sogenannte Vertrauensschutzregelung, auf die sich die Finanzbehörden von Bund und Ländern am vergangenen Freitag geeinigt hatten, gilt nur für Organisationen, die aktuell noch gemeinnützig sind. Für sie sollen aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Gemeinnützigkeit von Attac bis Ende 2021 „keine negativen Konsequenzen gezogen“ werden, hieß es in der Beschlussvorlage.

Auch für die Kampagnenorganisation Campact und das Demokratische Zentrum Ludwigsburg, denen aufgrund des Attac-Urteils die Gemeinnützigkeit entzogen worden war, ändert sich darum zunächst nichts. Trotzdem begrüßte auch Campact-Vorstand Felix Kolb die Einigung ausdrücklich: „Sie zeigt, dass bei den Finanzbehörden jetzt endlich ein Problembewusstsein über die neue Sachlage besteht, die das Urteil geschaffen hat“, sagte er der taz.

Der BFH hatte vor gut einem Jahr entschieden, dass politische Bildungsarbeit nicht als gemeinnützig gilt, wenn damit ein bestimmter politischer Kurs vertreten wird. Attac hatte deshalb die Gemeinnützigkeit verloren, was unter anderem dazu führt, dass Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind und Projekte nicht mehr von gemeinnützigen Stiftungen mitfinanziert werden können.

Groß ist auch die Erleichterung von Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, zu der sich zahlreiche gemeinnützige Organisationen zusammengeschlossen haben. „Ohne dieses Moratorium hätte Hunderten weiterer Vereine der Verlust ihrer Gemeinnützigkeit gedroht“, sagte er. „Nun haben sie erst mal eine Atempause.“

„Kritische Zivilgesellschaft ist elementar“

Offen ist, ob das auch für die Petitionsplattform Change.org gilt. Dieser droht nach eigenen Angaben ebenfalls der Entzug der Gemeinnützigkeit. Anders als bei Attac ist hier der geförderte Zweck aber nicht politische Bildung, sondern Förderung der demokratischen Willensbildung. Geschäftsführer Gregor Hackmack ist trotzdem verhalten optimistisch: „Wir sehen im aktuellen Beschluss einen politischen Willen und hoffen, dass das auch in unserer Auseinandersetzung hilft“, sagte er.

Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, die für Change.org zuständig ist, äußerte sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht zu dem Fall. Grundsätzlich plädiere das Land für eine Erweiterung von Steuerbefreiungsvorschriften, erklärte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD): „Für unsere Demokratie ist eine aktive und kritische Zivilgesellschaft elementar.“

Attac forderte die Finanzbehörden unterdessen auf, die Entscheidung auch für jene Organisationen zu revidieren, die die Gemeinnützigkeit bereits verloren haben. Das ist laut Bundesfinanzministerium aber nicht möglich. Profitieren könnten die betroffenen Organisationen aber von der geplanten Reform des Gemeinnützigkeitsrechts.

Hier wird schon lange auf einen Gesetzentwurf gewartet; nach Angaben aus Ministeriumskreisen soll er noch in diesem Frühjahr vorgelegt werden. Darauf drängt auch Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz für Rechtssicherheit. Notwendig sei ein „gut durchdachter Gesetzentwurf“, der vielfältiges politisches Engagement von Organisationen ermögliche.

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