Auswirkungen der Thüringen-Wahl: FDP beklagt zahlreiche Übergriffe

Aus Parteikreisen heißt es, Abgeordnete würden angegriffen, Einrichtungen beschmiert und beschädigt. Thomas Kemmerichs Familie steht unter Polizeischutz.

Auf einer Backsteinwand steht mit rotem Graffiti "Verräter" geschrieben, darüber im Fenster ein Wahlplakat von Konstantin Kuhle.

Beschmierte Außenwand des Büros von MdB Konstantin Kuhle in Göttingen-Osterode Foto: dpa

BERLIN afp | Nach dem Eklat um die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten melden Liberale aus ganz Deutschland Angriffe und Beleidigungen. So wurden im Hamburger Landtagswahlkampf zahllose Plakate beschmiert und Unbekannte beschossen das Haus einer FDP-Politikerin in Mecklenburg-Vorpommern mit Feuerwerkskörpern. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann bat die politische Konkurrenz um Solidarität.

Kemmerich war am Mittwoch überraschend vom Thüringer Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt worden, wobei er auch die Stimmen der AfD-Abgeordneten erhielt. Nach harscher Kritik trat er schließlich am Samstag zurück.

Seit der Wahl in Erfurt gebe es „Vandalismus gegen Einrichtungen der FDP“ und Übergriffe im ganzen Bundesgebiet, hieß es am Montag aus Parteikreisen. Abgeordnete, Unterstützer und deren Angehörige würden bedroht. Die FDP-Zentrale habe noch keinen Überblick über sämtliche Vorfälle. Über die Vorgänge hatte zuerst der Tagesspiegel berichtet.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde das Haus der FDP-Politikerin Karoline Preisler mit Feuerwerkskörpern angegriffen, wie sie auf Twitter schrieb. Sie und ihre kleine Tochter hätten fliehen müssen. Der jüdische FDP-Lokalpolitiker Michael Rubin aus Frankfurt am Main berichtete auf Facebook, er sei als „Nazi“ beschimpft worden.

Marco Buschmann

„Wir bitten alle demokratischen Parteien, Gewalt gegenüber unseren Mitgliedern und Anhängern zu verurteilen“

Das Haus von Kemmerich selbst wird nach Angaben aus Parteikreisen seit der Wahl rund um die Uhr von Polizei bewacht; er selbst steht unter ständigem Personenschutz. Seine Kinder wurden demnach zum Teil von der Polizei zur Schule begleitet. Kemmerichs Frau sei auf der Straße angespuckt worden. In der Landesgeschäftsstelle der FDP, die ebenfalls unter Polizeischutz stehe, träfen zahlreiche beleidigende E-Mails ein.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Buschmann appellierte an die Solidarität der politischen Konkurrenz. „Wir bitten alle demokratischen Parteien, Gewalt gegenüber unseren Mitgliedern und Anhängern zu verurteilen und zur Mäßigung aufzurufen“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. „Es gibt viele prominente und noch viel mehr Beispiele jenseits des Rampenlichts, in denen Demokraten aller Parteien persönlich beleidigt, bedroht und angegriffen werden.“ Diese Form der Auseinandersetzung „dürfen Demokraten nicht länger zulassen“.

Liberale wollen sich „kritischen Fragen“ stellen

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle sprach von einem „Generalangriff auf die FDP“. Es gebe derzeit eine „absolute Eskalation, so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte er der Welt vom Montag. „Lange war die FDP nicht im Fokus von Linksextremisten. Das hat sich seit Mittwoch geändert.“

Die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Ria Schröder, sagte der Zeitung: „Es sind krasse Zustände, das hätte ich mir niemals träumen lassen.“ Die Gewaltbereitschaft gegen FDP-Mitglieder in ganz Deutschland sei „erschütternd“.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verurteilte die Androhung von Gewalttaten gegen FDP-Politiker und -Mitglieder „aufs Schärfste“. Gewaltandrohungen dürften niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, erklärte sie in Berlin. Ähnlich hatte sich am Sonntag auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil geäußert.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg hatte am Sonntag erklärt, Anfeindungen gegen FDP-Mitglieder wegen der Vorgänge in Thüringen seien „inakzeptabel“. Betroffen seien „anständige Menschen, die sich ehrenamtlich für unsere Demokratie engagieren.“

Zugleich betonte Teuteberg, dass sich die Liberalen kritischen Fragen zu Thüringen „selbstverständlich“ stellen wollten. „Nur so können wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.“

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