US-Plan für Nahost: Warten auf den „Jahrhundertdeal“
Mit Spannung wird Trumps Plan für Israel und Palästina erwartet. Neben Netanjahu kommen auch die Siedlerführer nach Washington.
Am heutigen Dienstag soll der lang angekündigte Nahostplan enthüllt werden, der für Frieden zwischen Israel und den Palästinenser*innen sorgen soll, von Trump auch als „Deal des Jahrhunderts“ bezeichnet. „Wir werden Geschichte schreiben“, sagte Netanjahu im Vorfeld des Treffens.
Neben Netanjahu traf sich Trump auch mit dessen Kontrahenten Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß bereits am Montag in Washington, um auch ihm den Plan vorzustellen. Ein*e Vertreter*in von palästinensischer Seite war am Montag nicht dabei und soll auch bei der für Dienstag angesetzten Präsentation nicht anwesend sein.
Ausgearbeitet wurde der Friedensplan unter der Leitung von Jared Kushner, dem leitenden Berater und Schwiegersohn von Trump. Das Weiße Haus hatte den ersten, ökonomischen Teil des Plans bereits im Juni 2019 vorgestellt, dabei aber politische Details weitgehend ausgeklammert. Es wird angenommen, dass der Deal der wohl einseitigste und proisraelischste ist, der jemals von einer US-Regierung vorgelegt wurde.
Das Timing der Ankündigung kritisieren viele Israelis als erneutes Wahlkampfgeschenk an Netanjahu und als Versuch, von seinen Korruptionsaffären abzulenken. Die Regierungsbildung in Israel ist bereits zweimal gescheitert. Neuwahlen sind für den 2. März angesetzt.
Die Enthüllung des Plans hat Trump ausgerechnet auf den Tag gelegt, an dem ein Ausschuss des israelischen Parlaments über Netanjahus Immunitätsantrag diskutieren wollte. Am Dienstagmorgen zog Netanjahu seinen Antrag auf Immunität vor Strafverfolgung aber überraschend zurück. Er wolle das „schmutzige Spiel“ beenden, schrieb er auf seiner Facebook-Seite.
Die Generalstaatsanwaltschaft reagierte sofort und reichte die Anklageschrift gegen Netanjahu beim Bezirksgericht in Jerusalem ein, wie das Justizministerium am Dienstag mitteilte.
Gantz witterte eine Falle
Vor dem Treffen am Montag war lange unklar gewesen, ob Benny Gantz die Einladung des US-Präsidenten annehmen würde. Das blau-weiße Bündnis hatte eine Falle befürchtet – etwa dass Trump und Netanjahu den Rivalen Gantz als drittes Rad am Wagen präsentieren würden.
Gantz hatte deshalb auf Einzelgespräche der beiden israelischen Kandidaten mit Trump gepocht, um das zu vermeiden. Nach seinem Gespräch mit Trump am Montag – getrennt von Netanjahu – sprach sich Gantz dann für den Nahostplan aus. Der Plan sei ein „bedeutender und historischer Meilenstein“. Er würde ihn als Ministerpräsident umsetzen, sagte Gantz und fügte hinzu, dass er in Übereinkunft mit den Palästinenser*innen und Israels Nachbarstaaten umgesetzt werden müsse.
An der für Dienstag angesetzten Pressekonferenz, auf der der Plan bekannt gegeben werden soll, wird Gantz aber wohl nicht teilnehmen. Er wollte zu dem Zeitpunkt bereits zurück in Israel sein, ursprünglich um an der Beratung des Parlaments über Netanjahus Immunität teilnehmen zu können.
Siedlerführer mit dabei
Netanjahu wird bei seinem Besuch in Washington von einer Gruppe von Anführern der Siedlerbewegung begleitet – unter anderem von David Alhajani, dem Vorsitzenden des Yescha-Rats, der Dachorganisation für die Selbstverwaltung der Siedlungen im Westjordanland.
Die Siedlerführer hatten vorab ihre Unterstützung für den Plan verkündet, zeigten sich aber am Dienstag kritisch, weil dieser Berichten zufolge die Bildung eines palästinensischen Staats vorsieht. In einer Stellungnahme Alhajanis hieß es am Dienstag, Vertreter der Siedler seien „sehr beunruhigt“, nachdem sie in Washington Vertreter der USA getroffen hätten.
„Wir können keinem Plan zustimmen, der die Bildung eines palästinensischen Staats beinhaltet, der eine Bedrohung des Staats Israel wäre und eine größere Bedrohung in der Zukunft“, schrieb Alhajani. Er forderte von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, jeglichen Plan abzulehnen, der die Bildung eines palästinensischen Staats beinhaltet.
Inwieweit ein eigenständiger Staat der Palästinenser im US-Plan wirklich vorgesehen ist, ist bislang allerdings unklar. Von der Zweistaatenlösung, die seit Jahrzehnten als Grundlage für eine politische Lösung des Nahostkonflikts dient, hatte sich die US-Administration unter Trump immer weiter entfernt. Aktuellen Medienberichten zufolge soll aber von einer begrenzten Autonomie der Palästinenser mit einer Art Roadmap hin zu erweiterter Selbstbestimmung die Rede sein.
Yossi Dagan, der Vorsitzende des Regionalrats von Samaria im Westjordanland, reiste unabhängig von Netanjahu und seiner Entourage nach Washington. Der rechte Hardliner traf sich mit verschiedenen US-Republikanern und Evangelikalen, um gegen die Möglichkeit eines palästinensischen Staates als Folge des Friedensplans zu mobilisieren.
Palästinenser*innen wollen Plan ablehnen
Die Palästinenser*innen haben bereits ihre Ablehnung des Plans angekündigt. Die palästinensische Autonomiebehörde hat den Kontakt zur US-Regierung abgebrochen, nachdem Trump im Dezember 2017 die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und damit Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat. Für die Palästinenser*innen, die Anspruch auf Ostjerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates erheben, war dies nicht hinnehmbar.
Die kanadisch-palästinensische Anwältin und frühere Rechtsberaterin des Verhandlungsteams der palästinensischen Autonomiebehörde sagte gegenüber der taz: „Der Plan ist kein Friedensplan, sondern die Erfüllung von Netanjahus Wunschzettel. Es geht darum, die Besatzung neu zu verpacken.“
Für Mittwoch werden im Westjordanland an verschiedenen Checkpoints sowie im Jordantal Proteste erwartet. Sowohl Netanjahu als auch Gantz haben in den vergangenen Wochen immer wieder eine Annexion des Jordantals angekündigt. Es wird davon ausgegangen, dass eine Annexion des Gebiets auch im Friedensplan vorgesehen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient