piwik no script img

Netflix-Serie „The Witcher“Ableismus in der Sagenwelt

Die Netflix-Fantasy-Serie ist unterhaltsam und spannend. Doch der Plot über Magierin Yennefers Mutterinstinkte ist veraltet und diskriminierend.

Yennefer (Anya Chalotra) gibt ihre Fruchtbarkeit für ebenmäßigen Körper und Macht auf Foto: Netflix

In einer magischen Welt voller Monster und Fabelwesen beschützen Hexer die Welt der Menschen – das ist der Hintergrund für die Fantasy-Saga um den Hexer Geralt von Riva. Die Netflix-Serie „The Witcher“ beruht auf den erfolgreichen Büchern und Kurzgeschichten des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski, aus denen auch schon Computer-Rollenspiele hervorgingen. Die slawische Mythen aufgreifende Story ist unterhaltsam und auch für nicht Super-Auskenner*innen der Saga verständlich, wenn man einmal verstanden hat, dass nicht linear erzählt wird.

Immer wieder stellt die Serie die Frage, wer oder was überhaupt als Monster gelten soll, wirklich böse ist und somit den Tod verdient. Die Fantasy-Serie kann also als Metaerzählung über gesellschaftliche Zustände und als Nachdenken über legitime Entscheidungen verstanden werden.

Dies umso mehr, als der Protagonist selber nicht als Mensch, sondern als „Mutant“ gilt – Hexer erwerben ihre magischen Kräfte und eine extrem hohe Lebenserwartung durch eine künstlich hervorgerufene Mutation in der Kindheit. Daher werden sie in dieser an ein frühes, osteuropäisches Mittelalter erinnernden Welt gefürchtet und angefeindet.

Ähnlich geht es der wichtigsten weiblichen Nebenfigur, der Magierin Yennefer von Vengerberg, mit der Geralt eine On-off-Affäre führt. Sie stammt über ihren leiblichen Vater von Elfen ab und hat eine sichtbare körperliche Behinderung. Für beides wird sie beschimpft und misshandelt.

Kinderwunsch als beherrschendes Motiv

Im Umgang mit dieser Figur ist die Serie allerdings ärgerlich, weil sie die Möglichkeit einer positiv besetzten, nicht normschönen weiblichen Figur verschenkt. Stattdessen muss Yennefer so sehr unter ihrer Beeinträchtigung leiden, dass sie sich einem äußerst schmerzhaften Ritual unterzieht. Dabei gibt sie wissentlich und ohne Zögern ihre Fruchtbarkeit für einen ebenmäßigen Körper und Macht auf. Zwar ist dieser Tausch bereits in den Büchern angelegt, für die Serie wurde das Motiv aber drastisch aufgebläht. Merke: Behinderung, Schönheit und Macht gibt es nicht zusammen.

In einem weiteren kaum erklärten Plot Twist wird plötzlich ein Kinderwunsch zu ihrem alles beherrschenden Motiv – ohne dass wir sie auch nur einmal interessiert mit einem Kind umgehen sehen. Es wird wohl die biologische Uhr sein – oder ist es das Drehbuch, das sie als Ersatzmutter für die Jugendliche Cirilla von Cintra vorsieht, deren Schicksal mit dem von Geralt verbunden ist?

Auch diese Entwicklung rekurriert auf die Bücher, aber muss man Ende der 2010er Jahre reaktionärer erzählen als im spät- und postkommunistischen Polen der 80er und 90er Jahre? Wieder einmal wird die alte Geschichte fehlender beziehungsweise fehlgeleiteter weiblicher Entscheidungsfähigkeit und unentrinnbarer Mutterinstinkte erzählt – leider nicht nur langweilig, sondern auch ableistisch und sexistisch. Damit vergibt die Serie eine große Chance, eben nicht ein hinterwäldlerisches Pseudo-Mittelalter mit Drachen vorzuführen, sondern Fantasy und Magie zur Erzählung von Figuren zu nutzen, die wachsen und überraschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Die Autorin von der Taz ist einfach hart getriggert xD oh nein sie war hässlich und behindert und will schön sein wie kann sie nur Trigger eins. Oh nein sie ist eine Frau und ihre Motivation ist, sie will ein Kind Trigger zwei xD Das die Motivation der Figur ganz klar ist die Wahl zu haben ein Kind bekommen zu können wird hier von der Wut einfach mal ausgeblendet.

  • 0G
    08391 (Profil gelöscht)

    Wenn The Witcher im Kontext von Rollenbildern betrachtet wird, ist eigentlich nur Geralt veraltet und fällt nach heutiger Auffassung in den Bereich der "toxischen Männlichkeit", ergibt auch Sinn als gifterprobter Mutant. Sein Kumpel Rittersporn bzw. Jaskier im Gegensatz, dürfte wohl schon eher in seiner Funktion als Barde in die Kategorie metrosexuell fallen und modern, sowie leicht effeminiert wirken. Dass sich der Autor nicht getraut hat Rittersporn schwul zu gestalten, dürfte wohl an den LGBT freien Zonen bzw. dominierenden Homophobie in Polen liegen. Eventuell auch besser so, weil auch ansonsten zu klischeehaft.



    Weibliche Rollenbilder sind allerdings schon wesentlich diverser. Die mitkämpfende Königin Calanthe auf dem Schlachtfeld als nur ein Beispiel.



    Yennifer ist meiner Auffassung nach eher schon eine moderne Frau, die nach Selbstbestimmung strebt und sich nicht der Männerwelt unterordnen möchte und in der dortigen Fantasywelt in Männerdomänen vordringt, indem sie sehr auf Macht und Steigerung ihrer magischen Fähigkeiten aus ist.



    In den Computerspielen, bei denen besonders The Witcher 3 heraussticht, waren die Darstellung der Frauen übrigens wesentlich sexistischer. Die optischen einseitigen Darstellungen der Frauen dort haben mich immer sehr an Ivanka und Melania Trump erinnert! Das ist erfreulicherweise in der Serie nicht so.



    Homosexualität wurde im Gegensatz zu den Bioware Dragon Age spielen nicht behandelt bzw. kaum nennenswert und eher verschämt versteckt. In Polen liegt nun mal halt das Entwicklerstudio der Spiele und in Polen werben Regionen mit LBGT freien Zonen. Auch People of Colour fehlten hier meiner Erinnerung nach vollständig. Wird wohl in den Büchern nicht anders sein.



    Immerhin gibt es in der Netflix-Serie wenigstens schwarze Schauspieler, die etwas Diversität in diese Fantasywelt bringen. Das gefällt allerdings Hardcore Fans oftmals nicht, denen gefiel auch schon in den Thor Filmen nicht die Darstellung von Heimdall durch Iris Elba!

    • @08391 (Profil gelöscht):

      Ich lese aus ihrem Kommentar heraus, dass sie sich nicht wirklich mit den Büchern befasst haben. Ich stimme zwar teilweise mit ihnen überein, jedoch hat mich der Kommentar zu Rittersporn ein bisschen geärgert, weshab ich jetzt mal ungefragt meinen Senf dazu gebe (Ich beziehe mich nur auf die Bücher und lasse die Spiele mal außen vor, da die in keinster Weise mit der Serie zusammenhängen).



      Zwar stimmt es, dass Polen teilweise (abhängig von der Region) ein recht konservatives homophobes Land ist, der Author ist es hingegen keinesfalls. Hätten sie die Bücher gelesen/die Handlung gegooglet wüssten sie nämlich, dass Ciri sich im laufe der Handlung als Homosexuell entpuppt. Rittersporn hingegen ist nicht schwul, nicht aus homophoben Motiven, sondern weil er eine offensichtliche Parodie des Stereotypen des möchtegern künstlerischen "Frauenaufreißers" ist.

      • 0G
        08391 (Profil gelöscht)
        @PraiseTheSun:

        Vielen Dank für die Info. Wie Sie korrekt bemerkt haben, bezog ich mich nur auf die Serie und die Computerspiele. Dann scheinen die Bücher hier anscheinend vielfältiger zu sein, als die bisher visuell dargebotenen Geschichten!

        Und Rittersporn wirkt insgesamt auf Teile der Fangemeinde halt recht effeminiert:

        www.giga.de/news/t...der-netflix-serie/

        metro.co.uk/2020/0...r-couple-12019092/

        • @08391 (Profil gelöscht):

          Tatsächlich gibt es in den Spielen durchaus versteckte und angedeutete Homosexualität. Als "Hardcorefan" mir deutlich zu wenig. Milav ist offen homosexuell und wird als Jäger und (Halb?-) Elf von seinem Dorf offen diskriminiert. Diese Quest ist offen spielbar. Regis kann man entweder in seiner Beziehung zu Dettlaff und zu Geralt als bisexuell bezeichnen. Die Dialoge sind sehr doppeldeutig.



          Man merkt leider dass LGBTQ+ feindliche Umfeld Land, aber CDPR versucht sich als LGBDQ+ freundlich darzustellen. Klar geht da mehr, aber den Hardcorefans durch die Blume Homophobie und Rassismus zu unterstellen ist gewagt.

          Zumal Sapowski s Bücher zwar Hautfarben nie thematisieren, aber alles andere auch nicht. Genauso sind weibliche Nebenfiguren oft etwas cringy dargestellt nach der Sorte "biestige, männerverachtende Furien", die nur durch ausschweifende übertrieben nicht ästhetische sexistische Anspielungen beschrieben werden.

          Ich denke man kann die ewig leidige Diskussion: was ist besser, Spiele oder Bücher begraben mit der Aussage: beide Reihen haben Vorzüge und Nachteile.

          Ich freue mich, dass die Netflixserie versucht Diversität in jeder Hinsicht mit reinzubringen.

          Zu dem Autor*in des Artikels: Wer sich an Yennefer wegen ihrem Machtwunsch und ihrem Hadern mit dem Preis ihrer Macht und Schönheit, nämlich Unfruchtbarkeit, aufreibt und das sexistisch nennt... Hmm das ist albern.

  • Also sorry was ist am Kinderwunsch verwerflich? Feminismus heißt nunmal auch dass jede Frau selbst entscheiden kann und muss! Das heißt auch, dass eine Frau die nur vom Impuls beherrscht wird Mutter zu sein dies auch zugestanden bekommen muss. Der Leidensdruck einer Frau die schwanger werden will und nicht kann wie in diesem Artikel gar nicht ernst genommen.



    Die Schönheit von Yennifer ist einfach eine Vorgabe des Zirkels damit ihre Zauber und Zauberinnen am Hof geliebt sind, Männer wie Frauen. Hier geht es eben genau darum dass sie sich wünschte diesem Druck von der Gesellschaft als Mächtig weil schön wahrgenommen zu werden sm liebsten nicht erlegen wäre. Sie will lieber das Kind als ihre Schönheit.



    Das ist kein Artikel das ist Meinungsmache eines einzelnen. Eigentlich sprechen Sie hier sogar einer Frau ab ihre eigenen Ansichten und Meinungen haben zu dürfen!

  • Ich habe die plot points ein wenig anders verstanden.

    a) Yennefer muss nicht schön sein um der Schönheit willen. Dass sie irgendwelche körperlichen Beeinträchtigungen hat ist völlig egal. Die Magier akzeptieren sie als eine der ihren, ohne wenn und aber.

    Sie muss nur schön sein wenn sie als Magierin an einen Hof möchte, denn die Schönheit und sexuelle Attraktivität ist ein Machtinstrument. Die Magier nutzen die Oberflächlichkeit der übrigen Welt aus um selber Macht zu erlangen und Geschicke zu steuern. Schönheit ist ein Mittel zum Zweck. Um ein Magier zu sein reicht das magische Potential, Können und Wissen voll und ganz. Um eine politische Machtstellung in einem Königreich zu erlangen nicht.

    b) Yennefer will nicht auf Gedeih und Verderb Mutter werden, sie will die Möglichkeit haben. Sie will alles haben, sie ist machthungrig. Sie ist gierig. Sie hat Ambitionen. Sie will alles für sich allein. Etwas nicht zu können will sie nicht akzeptieren, zumal sie früher einmal in der Lage war und es ihr genommen wurde. Sie will den Kuchen haben und ihn essen. Ihr geht es nur um sich allein, niemanden sonst, wie man auch an ihrer Reaktion auf den Angriff auf die Kutsche der Königin sieht.

    Und, btw. man sieht sie durchaus positiv auf ein Kind reagieren, und zwar im Nachspiel dieser Szene. Ihr Verhalten gegenüber der Mutter und das Baby sind doch sehr verschieden. Mit dem Kind ist sie sogar nach dessen Tode behutsam, ja, fast zärtlich

  • Alle Zauberer und Zauberinnen unterziehen sich doch dieser Behandlung. Yennefer ist die einzige oder eine der wenigen, die diesen Schritt offenbar ambivalent betrachtet. Und ihn sich ja auch nicht leicht macht. Die anderen Magier*innen pfeifen auf die Fortpflanzung. Unfruchtbarkeit ist eben der Preis für ein sehr langes Leben und ein sehr gutes Aussehen.



    Der männlichen und namensgebenden Hauptrolle geht es doch ebenso. Geralt ist unfruchtbar durch die Hexermutationen und hat ganz offensichtlich heftige Vatergefühle. Darum geht es ja quasi in dieser ersten Staffel. Er hat nur die Wahl gar nicht. Seine Mutter, wenn Sie denn Magierin war, hat sich interessanterweise offenbar gegen die Behandlung und für das Muttersein entschieden und kommt auch nicht richtig gut bei weg.



    Letztendlich hinterfragt die Serie doch die Haltung, für Macht und Ruhm unsere Menschlichkeit bzw. unser Menschsein zu opfern. Und für die Karriere die Familie(nplanung) zu opfern wird Frauen natürlich viel krasser verübelt als Männern. Das ist schon klar.

  • Diskriminierend ist allenfalls die Tatsache, dass die Autorin einen Plot über Mutterinstinkte für veraltet und diskriminirend hält.

    Es gibt genug Frauen in der realen Welt, die keine Kinder bekommen können und darüber schier verzweifeln.

    Weshalb soll diese Thematik also nicht das Motiv einer Rolle für eine solche Serie bilden?

  • Es gibt behinderte Menschen, die lieber nicht behindert wären und dafür große Opfer bringen würden. Ebenso gibt es unfruchtbare Frauen, die unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch leiden. Andernfalls würden Fruchtbarkeitskliniken kein Geld verdienen.

    Wie kommt die Autorin eigentlich darauf, dass Charaktere in Serien und Filmen sich nach ihren politisch korrekten Vorstellungen richten müssten?

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @Thomas Friedrich:

      Und warum meint sie, mit "Begriffen" wie Ableismus herumwerfen zu müssen, ohne sie zu erklären?

  • Willkommen in der Realität der Phantasie. Weshalb sollten sich irgendwelche Wesen in Phantasiewelten denn bitteschön anders verhalten, als in unserer Welt? Weil es der Autorin so schön in ihre rosarote Welt passt? Oder weil auch in der Phantasiewelt nicht alles Gold ist was glänzt und es auch dort noch jede Menge zu verbessern gibt?



    Na? Was isses wohl?