piwik no script img

Antisemitismus bei Extinction RebellionHallam steht allein da

„Weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte“? Der Mitgründer von Extinction Rebellion verstört eigene Leute mit seiner Relativierung des Holocaust.

Auch der deutsche Ableger von Extinction Rebellion distanziert sich von Mitgründer Roger Hallam Foto: dpa

Die Relativierung des Holocaust durch Roger Hallam sorgt in Medien und Politik weiter weltweit für Empörung. In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit hatte der umstrittene Mitgründer der Klimabewegung Extinction Rebellion (XR) den Holocaust als „fast normales Ereignis“ bezeichnet, das für ihn „nur ein weiterer Scheiß (‚just another fuckery‘) in der Menschheitsgeschichte“ sei.

Inzwischen haben sich Außenminister Heiko Maas (SPD), Grünen-Chef Robert Habeck und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) distanziert. Auch die lokalen Ableger distanzierten sich von Hallam. Extinction Rebellion UK verurteilte „vorbehaltlos die Kommentare unseres Mitbegründers Roger Hallam“, heißt es in einem offiziellen Statement. Die jüdische Bevölkerung und viele andere seien durch die Aussagen tief verletzt. Aktuell diskutiere man, wie es weitergeht. Möglicherweise sei „ein Ausschluss notwendig“.

Ein Sprecher des israelischen XR-Ablegers sagte der taz, er sehe Hallams Äußerungen als einen „traurigen Vergleich“. Es gebe „keine wirkliche Notwendigkeit, die Tragödie des Holocaust und des Klimawandels miteinander zu vergleichen“. Ein offizielles Statement solle in den kommenden Tagen folgen. „Roger Hallam hat unserer Bewegung mit seinen Aussagen auf jeden Fall geschadet“, sagte Annemarie Botzki, die Teil des deutschen Presseteams von Extinction Rebellion ist. „Wir fordern von ihm eine Entschuldigung und Klarstellung.“ In Deutschland sei er nicht mehr willkommen.

Hallam, der laut eigenen Aussagen 32 Jahre lang als Biobauer arbeitete, hat nicht zum ersten Mal mit seinen Aussagen irritiert. „Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant“, sagte er etwa in einem Interview mit Spiegel Online im September. Kurz darauf wurde er von der britischen Polizei festgenommen, weil er versucht haben soll, den Flugverkehr am Londoner Flughafen Heathrow mit einer Drohne zum Erliegen zu bringen.

Der Ullstein Verlag zog die Veröffentlichung von ­Hallams neuem Buch „Common Sense“ indes zurück. Es sollte ursprünglich am 26. November e­rscheinen. Sein Autoreneintrag ist auf der Website vom Ullstein Verlag nicht mehr auffindbar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • leid ist nich mess- und nicht vergleichbar.



    ich denke es geht nicht um das ab-/auf-&bewerten anderer genozide.



    die liste von schrecken/folter/missbrauch/ausbeutung/ausrottung ist lang und passiert im kleinen wie im kollektiv gleichermaßen und täglich.



    ‘the banality of evil’ - ‘derselbe heute wie auch gestern wie in alle ewigkeit.’ amen.

    jeder kennt schmerz und was den holocaust -abgesehen von der langen geschichte von verfolgung/vertreibung/progromen gegenüber juden als bestimmter volksgruppe- so (mir fehlt das richtige wort) kalt, abartig, kontrakreativ, upside down und inside out abgrundtief schwarz und dunkel macht ist die systematik, nicht allein das sich bereichern und ausnutzen sondern das sadistische ausmaß, die perfide banale praxis, call it what you want - angel of death.



    jeder, der es “just another shittery” nennt greift damit erstmal niemanden an, lässt aber erkennen inwieweit derjenige in der lage ist zu fühlen und leid als solches anzuerkennen, oder nein, einfach nur zu kennen.

    das maß an kälte (for lack of a better word), the absence of kindness in seiner -wie auch in den aussagen vieler anderer menschen in führungspositionen im



    kampf für ‘humanitäre’ ziele und/oder ‘save the planet’ -prediger - überrascht mich.



    da braucht es für mich weder intellektuellen schlagabtausch noch division noch verurteilung.



    davon gibt es auch in den (wirklich unterhaltsamen und teilweise geistreichen) taz-kommentaren genug.



    ich finde es einfach schade & erschreckend und einmal mehr scheint der kampf für die eigens auf den ego-altar gestellten maxime und der kampf GEGEN alles andere größer zu sein.



    “just another shittery” in bezug auf den holocaust macht traurig.



    banality of evil reloaded.



    nicht ‘holocaust über allem’ aber holocaust als tür des verständnisses, der verinnerlichung der realität zu welcher perversion ‘menschen’ (=wir/du/ich) fähig sind, was leid bedeutet und wie liebe aussehen kann.



    “the tortured stay tortured” - be kind

  • Gut. Es geht weiter ohne Hallam. Aber seine Logik der Weltsicht ist apokalyptisch und einiges klingt so wie bei dem Holger Strohm, der früher einmal grün war und heute verachtend über die Menschheit redet, die es nicht verdient weiter zu existieren, wenn sie die Erde zerstört.



    am besten Emotionen reflektieren und weiter machen mit klaren praktischen Zielen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Was Ihre Emotionenfeindlichkeit angeht: klug wäre eine Synthese aus Vernunft UND Gefühlen. Emotionen sind schließlich keine Krankheiten nach dem ICD 10 - und praktische Ziele allein recht leer.

      Vor vielen Jahren gab es mal ein Buch mit dem Titel: "Die Vernunft der Gefühle", ich glaube von Dieter E. Zimmer (o.G.).

      Eine Vertiefung könnte sehr hilfreich sein. Vielleicht auch schon dabei, das Label "apokalyptisch" im Kontext von Holger Strohms Aussagen mit Leben zu füllen.

      Was ist daran wo und warum "apokalyptisch"?

      Ich halte es hier eher mit Friedrich Nietzsche: "Viele Menschen sind Pausen in der Symfonie des Lebens."

      Lassen Sie uns inhaltlich darüber streiten. Ohne die üblichen Verdummungsbegriffe aus dem Plattitüden-Album.