Flüchtlinge in Bihać: Menschenrechte zählen nicht
Die kleine Stadt weigert sich zu Recht, rund 7.000 Migranten zu beherbergen. Sowohl die Stadt als auch die Flüchtlinge werden alleingelassen.
A lle fordern nun, das Lager Vučjak in Bihać zu schließen. Das ist ja auch richtig so. Sogar der EU-Delegationschef in Bosnien und Herzegowina fordert die Auflösung. Das Lager wurde auf einer Müllhalde errichtet; ohne Sanitäranlagen, Strom und Wasser müssen 800 Migranten Wind, Regen und Kälte trotzen. Krankheiten und Unterernährung sind die Folge, das ist nicht nur eine Gefahr für die Gestrandeten, Seuchen können sich auch über das Lager hinaus schnell verbreiten.
Aber wohin mit ihnen? Die kleine Stadt weigert sich zu Recht, weiterhin zusammengenommen 7.000 Migranten zu beherbergen. Die „Regierung“ von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo ist angesichts der komplizierten und zersplitterten politischen Struktur nicht in der Lage, eine befriedigende Initiative zu ergreifen. Dabei warnten die Hilfsorganisationen schon vor Monaten vor der Katastrophe, die jetzt eingetreten ist.
Und Europa? Das EU-Land Kroatien, das zur Jahreswende die Führerschaft in der EU übernimmt, tut nichts anderes, als Migranten mit teilweise brutaler Gewalt daran zu hindern, weiter nach Norden zu kommen. Zeitgleich lässt die Türkei zunehmend Migranten nach Griechenland ziehen. Von dort aus versuchen immer mehr Menschen, die neue Balkanroute über Serbien und Montenegro nach Bosnien zu nutzen. Und werden hier, nicht nur wegen des Winters, hängen bleiben. Das Europa der EU schließt davor die Augen.
Kälteeinbruch im Flüchtlingslager
Und was macht Serbien? Niemand will dort die Migranten haben. Die Grenzen nach Bosnien werden von serbischer Seite nur lax bewacht. Im serbischen Teilstaat Bosnien und Herzegowinas, der Republika Srpska, geht die Polizei hart gegen muslimische Migranten vor, wenn sie nicht sofort in die bosniakischen Gebiete ausweichen. Ähnlich verfahren die bosnischen Kroaten.
Die Migranten sitzen im Gestrüpp der balkanischen Verhältnisse fest. Nur die, die Geld haben, können Schlepper bezahlen. Das ist ein gutes Geschäft für manche in Serbien, Bosnien und Kroatien. Menschenrechte zählen vor allem für die Männer von Vučjak nicht mehr. Aber nicht nur für die.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen