Mittel für Demokratieprojekte: Demokratie statt Militär-Tickets

Das Timing für die Entscheidung über die Demokratieprojekte erscheint zynisch. Selten war antisemitismus- und rassismuskritische Arbeit wichtiger.

Drei demonstranten mit Guy Fawks-Masken

Nicht Aktivisten, sondern die, die an Demokratieprojekten sparen, machen sich zu Clown Foto: Unsplash/Florian Glawogger

Während in anderen Zeitungen Krokodilstränen aufgrund vermeintlicher Sprechverbote fließen, Prepper fleißig aufrüsten und Boomer sich darüber beschweren, dass jüngere sich ihre Arroganz nicht länger gefallen lassen, hat die Bundesregierung nichts Besseres zu tun, als demokratiefördernden Projekten den Geldhahn etwas zuzudrehen. Frei nach dem Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Das Timing erscheint zynisch. Die Demokratie hat’s derzeit nicht leicht. Journalist_innen bekommen Drohungen von rechts, antifaschistische Aktivist_innen Repressionen vom Staat und hitlergrüßende Neonazis den Benefit of the Doubt.

Ausgerechnet in Zeiten steigender antisemitischer und rassistischer Hasskriminalität sowie rechtsradikaler Militanz Initiativen das Geld zu kürzen, die antisemitismus- und rassismuskritische Arbeit machen, sendet alle falschen Signale nach außen: Demokratie ist uns nichts wert. Der Schutz von Marginalisierten auch nicht. Die Rechten haben gewonnen, wir brauchen nicht mehr weiterzukämpfen.

Statt vermehrt in Präventionsarbeit zu investieren, werden zahlreiche Projekte eingestellt, wie etwa die ju:an-Praxisstelle in Niedersachsen für antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit. Obwohl insbesondere außerhalb der Hauptstadt solche Anlaufstellen wichtig sind, um junge Menschen aufzuklären und zu ermächtigen.

Geld gäbe es genug

Linke und queere Projekte, aber auch Selbstorganisationen von Geflüchteten und Migrant_innen die Förderung zu kürzen respektive zu beenden bedeutet, marginalisierte Menschen auch fernab Berlins alleinzulassen. Die Aufrechterhaltung demokratiefördernder Projekte ist notwendiger denn je. Diese zu realisieren kostet Geld. Demokratieförderung ist kostbar; wer an dieser Stelle geizen will, ein Clown.

Wir könnten zum Beispiel unseren Solidaritätszuschlag dafür verwenden. Honorare für Talkshows, in denen rechte Poliker_innen eine Plattform bekommen, können auch in den Topf. Vielleicht könnte man noch mal prüfen, ob die AfD nicht gegen die Verfassung verstößt, schließlich gibt es in der Partei mindestens einen, den man einen Faschisten™ nennen darf. AfD-Politiker_innen und ihre Mitarbeiter_innen werden ja auch aus Steuergeldern bezahlt.

Oder wir bitten Annegret Kramp-Karrenbauer darum, ein bisschen weniger ins Militär reinzupumpen. Ihre peinliche Performance in der Berliner Innenstadt neulich war nicht nur unnötig und nervig, sondern auch teuer. Und überhaupt, welche Gesellschaft soll das abbilden?

Oder die ICE-Fahrten für Soldat_innen. Warum soll man einer Institution mit aktiven rechten Netzwerken auch noch BahnCards 100 schenken? Damit sie sich noch besser organisieren können? Ganz ehrlich, sie verdienen genug Geld; wenn sie so gern Zug fahren, sollen sie sich ihre Bahncards wie normale Menschen selbst finanzieren. Oder sich online Mitfahrgelegenheiten suchen. Ihr Komfort ist nicht wichtiger als unsere Demokratie.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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