Klammer Klein-Airport: Kurzstrecke als Köder

Billige Tickets, neue Destinationen: Der stark defizitäre Flughafen Münster/Osnabrück sucht nach Reisenden.

GHinweiosschild an einbem FLughafen. Dahinter ein Fluggast mit Rollkoffer und Mobiltelefon

Seltener Anblick: Fluggast am FMO Foto: dpa

OSNABRÜCK taz | Es gibt Augenblicke, da denkt man, die Flugscham ist Realität. Allen Passagierzuwächsen zum Trotz, die uns das Statistische Bundesamt vorrechnet: Wer den Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) besucht, erlebt solche Augenblicke. Rund 20 Maschinen am Tag heben hier derzeit ab, oft sind die Terminals fast menschenleer. 2018 hatte der Airport 1,017 Millionen Passagiere, das waren weniger als im Jahr 1997.

Da sind die FMO-Gesellschafter, zu über 95 Prozent Kommunen aus dem Umland, froh um jeden Anbieter, der Traffic generiert. Schließlich müssen sie Bilanzen verdauen, in denen Millionendefizite stehen. Die Folge: Urlauber werden von Billigfluglinien mit Tickets zum Schleuderpreis geködert. Für Geschäftsreisende werden Inlands-Kurzstrecken maßgeschneidert.

So startet ab Anfang November die niederländische AIS Airlines zweimal an jedem Werktag nach Berlin. „Wünschenswert ist solches Kurzstreckenfliegen natürlich nicht“, sagt Michael Hagedorn, Ratsmitglied der Grünen in Osnabrück, spezialisiert auf Wirtschafts- und Finanzpolitik. „Die Klimabilanz einer Bahnfahrt ist ja weit besser.“

„Viele Geschäftsleute der Region haben auf eine Verbindung gedrungen, die es ihnen ermöglicht, in Berlin Vormittagstermine wahrzunehmen, ohne schon am Vortag anreisen zu müssen“, verteidigt FMO-Sprecher Andrés Heinemann die neue Linie. Mit der Bahn gehe das „nicht zufriedenstellend“: keine Ankunft in Berlin vor 9 Uhr.

Der neue Fernverkehrszug Ecx ersetzt den alten IC hier tatsächlich erst 2023. Aber zeitnah eine konferenzfreundliche Zugverbindung einrichten, das sollte doch gehen? „Wir müssen die Bahn entscheidend stärken“, sagt Hagedorn. „Die Schieflage zwischen den Verkehrssystemen ist erschreckend.“ Den FMO kennt er genau, denn von 2011 bis 2015 war er Mitglied im Aufsichtsrat.

Zeitlich kann die Bahn mit dem Flieger schon heute konkurrieren, auch zwischen Osnabrück und Berlin. „Sie bringt mich ja direkt von Innenstadt zu Innenstadt“, sagt Hagedorn. „Wenn ich beim Fliegen den Weg zum und vom Airport dazurechne, und alle Abfertigungsformali­täten, das kommt ungefähr aufs Gleiche raus.“

Auch Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Bramsche bei Osnabrück, hält die neue Fluglinie für „das völlig falsche Signal“. Aber die Geschäftsrei­sen­den kann sie verstehen. Sie sitzt ja oft selbst in der Bahn, wenn in Berlin Sitzungswoche ist, und wünscht sich Zeitersparnis.

Ebenfalls in der Kritik: Billigflüge. Für 25,99 Euro nach Wien, mit Laudamotion? Für 39,99 Euro nach Antalya, mit Corendan Airlines? Tobias Demircioglu, Vorsitzender des Kreisverbands Osnabrück des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD), findet das „völlig indiskutabel, angesichts der Klimakrise. Sowas darf einfach nicht mehr möglich sein!“ Fliegen müsse teurer werden. „Momentan ist das ja hochsubventioniert.“

Demircioglu würde den FMO am liebsten komplett schließen: „Die Kommunen versenken da massenhaft Geld, und wenn du mal vorbeifährst, herrscht gähnende Leere. Absolute Idiotie!“ Von der Bundesregierung fordert er „endlich Maßnahmen mit klarer Lenkungswirkung“. Ihr „Klimapaket“ ernüchtert ihn: „Klar, die Verringerung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets geht in die richtige Richtung. Aber immer noch keine Steuer auf Flugbenzin! Und zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid, als Festpreis für Verschmutzungsrechte? Lächerlich!“

Billigtickets, Kurzstrecken? Dass beides das Klimabewusstsein aushebelt und so für den FMO zum Image­problem wird, weist Sprecher Heinemann zurück: „Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig.“ Eins seiner Beispiele: Die Umstellung auf LEDs.

Am Dienstag, 1. Oktober, geht es im Osnabrücker Rat erneut um frisches Geld für den dahin siechenden Flughafen, und gleich in Absatz 1 der Beschlussvorlage „bekennen“ sich die Gesellschafter, auch die Stadt Osnabrück, „ausdrücklich zu der wichtigen regionalpolitischen Bedeutung des FMO“. Welche das ist, steht da nicht. Aber Darlehen von 1,2 Millionen Euro pro Jahr stehen zur Debatte, für 2021 bis 2025. Augen zu und durch.

Hagedorn sieht dieses Bekenntnis kritisch: „Der FMO stellt ja keine Daseinsvorsorge dar wie der ÖPNV. Wir setzen da öffentliche Gelder ein nur für ein paar Urlaubs- und Geschäftsflieger. Man muss sich fragen, ob das auf Dauer zu rechtfertigen ist, ob wir eine Infrastruktur wie diese wirklich brauchen.“

Zumindest hat der FMO-Aufsichtsrat Ende 2017 den Plan aufgegeben, auch noch eine 60 Millionen Euro teure Start- und Landebahnverlängerung zu bauen. Hagedorn: „Da war nicht immer nur Realitätssinn im Spiel.“

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