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Wenn der Horror den Alltag trifft

USA: Ein Einkaufszentrum im texanischen El Paso und ein Ausgehviertel in Dayton, Ohio sind Schauplätze zweier Angriffe. Eine Verbindung besteht bislang nicht

Nur wenige Stunden nach dem Massaker von El Paso gibt es einen weiteren Tatort in Dayton Foto: Foto:Marshall Gory/Dayton Daily News/ap

Von Dorothea Hahn

Zwei Massaker innerhalb von weniger als 24 Stunden erschütterten am Wochenende die USA. Bereits am Samstag eröffnete im texanischen El Paso ein Mann das Feuer in einem Einkaufszentrum. In der Nacht zum Sonntag fielen Schüsse in Dayton, Ohio. Insgesamt kamen bei den beiden Überfällen 30 Menschen zu Tode, darunter offenbar auch der Schütze in Dayton. Mindestens 20 Todesopfer forderte das Massaker in El Paso. Weitere 26 wurden zum Teil schwer verletzt.

Der mutmaßliche Täter von El Paso, der mit einem Sturmgewehr bewaffnet war, konnte von der Polizei verhaftet werden. Es handelt sich um den 21-jährigen Patrick C. aus einer Vorstadt von Dallas. C. soll vehementer Unterstützer von US-Präsident Donald Trump sein. Er sei mehr als neun Stunden gefahren, um MigrantInnen in der Grenzstadt zu ermorden.

In einem vier Seiten langen rassistischen „Manifest“, das mehrere Stunden vor dem Massaker auf rechtsradikalen Internetseiten erschien, soll er seine Tat eine „Antwort auf die hispanische Invasion von Texas“ bezeichnet haben. Die Polizei hält das Dokument für „authentisch“. Die Ermittlungen wegen eines „potenziellen Hassverbrechens“ laufen.

Trump, der seinen Wahlkampf mit Hetze gegen MexikanerInnen („Drogendealer, Kriminelle, Vergewaltiger“) begonnen und der das Stichwort „Invasion“ in die Diskussion gebracht hat, kommentierte das Massaker, indem er die üblichen „Gedanken und Gebete“ nach Texas twitterte. „Es gibt keine Gründe oder Entschuldigungen dafür, unschuldige Menschen zu töten.“

Der texanische Gouverneur Greg Abbot, ein Parteifreund Trumps, sagte bei der Pressekonferenz nach der Tat: „Wir beten“. Abbot legte eine „psychische Erkrankung“ des Täters nahe. Polizeichef Greg Allen erklärte vor den JournalistInnen, der Täter habe sich selbst der Polizei „ausgeliefert“.

Noch während die Pressekonferenz im Gange war, suchten verzweifelte MigrantInnen in El Paso nach ihren Angehörigen. Laut Informationen aus der Stadt sollen manche aus Angst vor Abschiebungen gezögert haben, in Krankenhäusern und in dem von der Polizei eingerichteten Zentrum für Familienzusammenführung nach dem Schicksal ihrer Verwandten zu fragen.

Zahl der Massaker steigt

Mit den beiden Überfällen von El Paso und Dayton steigt die Zahl der Massaker in den USA seit Jahresbeginn auf insgesamt drei. Erst Anfang Juni hatte ein städtischer Angestellter in Virginia Beach das Feuer auf seine Kollegen eröffnet und zwölf Menschen getötet, bevor er selbst von Polizisten erschossen wurde. Insgesamt liegt die Zahl der Todesopfer bei 41.

Hohe Opferzahl in Las Vegas

Genau 41 Menschen starben auch 2018 bei insgesamt drei Massakern; im Jahr 2017 waren es 84, die zwei Massakern zum Opfer fielen. Aus bis heute ungeklärten Motiven hatte der 64-jährige Stephen Paddock von seinem Hotelzimmer in Las Vegas aus auf Gäste eines gegenüberliegenden Festivals geschossen. Dabei tötete er 58 Menschen.

Das Massaker begann am Samstagvormittag kurz vor 11 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich in dem Supermarkt Walmart zahlreiche Eltern und Kinder auf, um Besorgungen für den Schuljahresbeginn zu machen. Der Täter eröffnete das Feuer, noch bevor er in den Walmart hineinging. Auf dem Parkplatz schoss er auf mehrere Menschen, die Wasser verkauften. Videoaufnahmen zeigen ihn mit Sicherheitsbrille und Ohrschützern.

In dem „Manifest“, das unter anderem auf dem rechtsradikalen Internetforum 8chan erschien, beschreibt sich der Autor als „patriotischen Amerikaner“. Ferner bekundete er seine „Unterstützung“ für den Massenmörder von Christchurch in Neuseeland und beschrieb detailliert die „Gründe“ für seine eigene Tat, die er als „Aufforderung zu einem Rassenkrieg“ sieht.

„Dies ist erst der Anfang des Kampfs für Amerika und für Europa.“ Er habe zuvor erwogen, auf „andere Zielscheiben als auf Migranten“ zu schießen, denn das hätte „eine größere Wirkung“ haben können. Am Ende habe er sich jedoch nicht dazu durchringen können, „meine amerikanischen Landsleute zu töten“.

Bevor die Einträge von C. am Samstag aus dem Internet verschwanden, haben BeobachterInnen unter anderem auch ein Posting gefunden, in dem der Name von Trump mit horizontal und vertikal aufgestellten Schusswaffen geschrieben ist. C. soll außerdem die Hashtags #BuildTheWall benutzt haben und dem rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones gefolgt sein.

Das Einkaufszentrum Cielo Vista, der Schauplatz des Massakers, ist nur wenige Kilometer von der mexikanischen Grenze entfernt. El Paso ist lediglich durch den Rio Grande von der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez getrennt. Bis 1845, als die USA sich Texas einverleibten, gehörten die beiden Städte zusammen. El Paso ist bekannt für die vergleichsweise niedrige Kriminalitätsrate. Dies erklärt sich dadurch, dass die Stadt eine besonders hohe Dichte von Sicherheitskräften hat.

In El Paso verlassen die Menschen das Einkaufszentrum Cielo Vista Mall, nach dem der Täter um sich schoss Foto: reuters

Doch die Arbeit der vielen Uniformierten in El Paso konzentriert sich auf die Südgrenze der USA und richtet sich vor allem gegen MigrantInnen. Denn nach der Lesart der US-Behörden kommen die Gefahren für die Sicherheit der USA von außen.

Tatsächlich werden die meisten Massaker in den USA von weißen Männern verübt, die im Land geboren sind und sich dort radikalisiert haben. Das gilt unter anderem auch für das Kinomassaker in Aurora, für die beiden Schulmassaker in Parkland und Sandy Hook und für das Konzertmassaker in Las Veras.

Mehrere der Täter sind Rassisten, die ihre Verbrechen als Kampf für die „weiße Vorherrschaft“ in den USA verstehen. Keiner von ihnen ist jemals wegen Terrorismus angeklagt worden. Anstatt rechtsradikale Täter ins Visier zu nehmen, hat Ende des vergangenen Monats ein Senator aus Texas eine Resolution in den US-Kongress eingebracht, die sich gegen den „Terrorismus der Antifa richtet“ und damit gegen die Gruppen, die sich auf die Beobachtung von Rechtsextremen konzentrieren.