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Die Hautfarbe des Täters

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) legt Entwurf zur erweiterten DNA-Analyse vor und setzt damit ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag mit der CDU um

So wird's gemacht: erst DNA aus dem Beweismittel extrahieren, dann ­analysieren Foto: Foto:Jochen Tack/imago

Von Christian Rath

Künftig sollen Tatortspuren auch auf Hautfarbe und Alter eines möglichen Täters untersucht werden können. Das sieht ein Gesetzentwurf der neuen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) vor. Der Entwurf liegt der taz vor. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke-Gruppe berichtet.

Tatortspuren – etwa Blut, Sperma oder Hautteilchen – können bald wohl auch auf äußere Merkmale geprüft werden. „Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über das Geschlecht, die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das biologische Alter der Person getroffen werden.“ Dieser Satz soll in Paragraf 81e II der Strafprozessordnung (StPO) eingefügt werden. Die StPO ist ein Bundesgesetz und regelt auch die polizeilichen Befugnisse bei der Strafverfolgung.

Die genetische Untersuchung von Tatortspuren ist seit den 1990er Jahren üblich. Bisher wurde am Tatort gefundenes Erbmaterial fast ausschließlich für den „genetischen Fingerabdruck“ benutzt. Aus Spuren des mutmaßlichen Täters wird dabei ein eindeutiges Identifizierungsmuster erstellt. Dieses wird dann mit den Mustern von Verdächtigen oder den Mustern in der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts (BKA) verglichen. Ein Treffer führt in der Regel direkt zum Täter, die Methode gilt als sehr präzise.

Die erweiterte DNA-Analyse soll dagegen bei Fällen helfen, bei denen der Abgleich mit der DNA-Datenbank keinen Treffer ergab. Hier soll die Tatortspur künftig Informationen über das Aussehen des Täters liefern, die die Ermittlungen unterstützen. Bisher war nur die Feststellung des Geschlechts erlaubt.

Die Diskussion war Ende 2016 in Freiburg aufgekommen, als nach dem Mörder der Studentin Maria L. gesucht wurde. Zwar wurde dieser alsbald mit klassischen Methoden gefasst. Das Land Baden-Württemberg brachte dann aber einen Gesetzentwurf zur erweiterten DNA-Analyse in den Bundesrat ein und setzte das Thema auf die Agenda der Bundespolitik. 2018 drückte die CDU/CSU die erweiterte DNA-Analyse im neuen Koalitionsvertrag gegen die zögerliche SPD durch. Justizministerin Lambrecht setzt hier also nur die Koalitionsvereinbarung um.

Anders als im präventiven bayerischen Polizeigesetz (siehe Spalte rechts) soll bei der Strafverfolgung die „Herkunft“ nicht untersucht werden dürfen. Da aber die Hautfarbe prognostiziert werden darf, ist dies keine wesentliche Entschärfung.

Die Diskussion war 2016 in Freiburg aufgekommen, als nach dem Mörder der Studentin Maria L. gesucht wurde

Die Genauigkeit der erweiterten DNA-Analyse ist sehr viel geringer als die des genetischen Fingerabdrucks. Das Ministerium verweist auf eine Stellungnahme der „Spurenkommission“ der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute. Danach gab es 2016 „Vorhersagewahrscheinlichkeiten“ von 98 Prozent für weiße Hautfarbe und 95 Prozent für schwarze sowie 84 Prozent für eine „intermediäre“ Hautfarbe.

Ein Richtervorbehalt ist für die erweiterte DNA-Analyse nicht vorgesehen. Es gibt auch keine Eingrenzung auf bestimmte (schwere) Straftaten. Zumindest die Kosten werden dafür sorgen, dass die erweiterte DNA-Analyse nicht ständig angewandt wird. Ein Test-Kit für 20 gleichzeitige Proben kostet rund 3.500 Euro.

Der Entwurf der Justizministerin ist Teil einer größeren Reform der Strafprozessordnung und wird nun zunächst im Kabinett beraten. Der FDP-Rechtspolitiker Stephan Thomae forderte, dass erst „kritisch geprüft“ wird, ob man die erweiterte DNA-Analyse überhaupt braucht. Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram erklärte die Pläne schon im Mai für „völlig verfehlt“. Die Grünen in Baden-Württemberg hatten den Bundesrats-Vorstoß des Landes allerdings mitgetragen.

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