Neues Album der Berliner Band Diät: Kein deutscher Sound

Die Postpunk-Band Diät überzeugt mit Gefrierschranksound und hat kürzlich ein neues Album veröffentlicht. Ein Treffen mit Drummer Christian Iffland.

Ein Bassist und ein Schlagzeuger auf der Bühne

Diät mit Drummer Christian „Iffi“ Iffland beim Pop-Kultur-Festival, Berlin 2016 Foto: Roland Owsnitzki

Zwischen einer Eckkneipe mit braunstichigen Fensterscheiben und einem alteingesessenen Zeitschriftenhändler tut sich im nördlichsten Zipfel Neuköllns in der Bürknerstraße ein kleiner, unscheinbarer Laden auf. Schrammelige Sounds kommen aus dem Inneren, kopierte A3-Plakate, auf denen Punk- und Hardcoreshows angekündigt werden, hängen in der Tür. Im Schaufenster stehen eine Black-Flag- und eine Neu!-Scheibe, davor in der Grabbelkiste Westernhagens „Stinker“.

Christian Iffland sitzt am Laptop hinter der Ladentheke. Der 42-Jährige, der vor vielen Jahren aus Franken an die Spree kam, ist Betreiber von Static Shock, einem Plattenladen, der sich mit einem feinen Sortiment in den Segmenten Punk, Postpunk und Experimentellem einen Namen gemacht hat. Einer von sehr vielen in Berlin – und doch ein besonderer. Denn Static Shock ist, wenn man so will, zugleich der Nukleus einer feinen und exquisiten Underground-Szene, die sich in jüngeren Jahren in Berlin gebildet hat.

So betreibt Iffland zugleich das Label Static Age, auf dem zum Beispiel Bands wie Life Fucker und Piss (die Namen sind da Programm) und die All-Girl-Postpunk-Combo Aus ihre Platten veröffentlichen. Zudem erscheinen Neuauflagen von interessantem alten Zeug auf seinem Label, zuletzt etwa eine Single der Honkas, der ersten Band von Max Müller (Mutter). Auch ein Album der alten Kreuzberger Heroen Beton Combo („Perfektion ist Sache der Götter“) soll bald wiederveröffentlicht werden.

Und dann ist da halt noch diese Band, in der er selbst spielt. Diät heißt sie. Iffland, ein unterhaltsamer Typ in schwarzem Shirt, mit Tattoos auf Armen und Händen, ist Drummer von Diät. International, vor allem in den USA, hat es durchaus die Runde gemacht, dass der gefrierschrankmäßige, finster mäandernde Postpunk-Sound der Band weit vornedran ist.

So waren die ersten drei Vinyl-Pressungen des im Frühjahr erschienenen zweiten Albums („Positive Disintegration“) in den Staaten fix ausverkauft. Für eine einzige Show flogen Diät kürzlich nach New York, um es dort vorzustellen. „In den USA haben uns die Leute von Anfang an besser verstanden als hier“, sagt Iffland. Warum das so ist? „Hier ist halt auch alles immer sehr deutsch und ich finde unseren Sound… nicht gerade deutsch“, versucht er sich an einer Erklärung.

„Drummer gesucht“

Begonnen hat die Geschichte von Diät ebenfalls genau hier. Im Laden. Zwei in Berlin gestrandete australische Punks tauchen im Frühjahr 2011 bei Static Shock auf, um einen Zettel mit der Aufschrift „Drummer gesucht“ im Laden auszuhängen. „Lasst mal“, sagt Iffland, der zu der Zeit keine Band hat, zu ihnen, „nehmt den Zettel mal wieder ab. Ich mach's.“

Kurz darauf finden sich beide Australier – der spätere Diät-Sänger und -Bassist Nordberg sowie Gitarrist Josh – und Iffland im Proberaum wieder. Der Beginn von Diät. Die drei sind bis heute dabei, vervollständigt wird die Band mittlerweile vom zweiten Gitarristen Tobi.

Von Anfang an beziehen sich Diät deutlich auf Postpunk und (Cold) Wave, erste Aufnahmen erscheinen noch im gleichen Jahr auf Tape, 2012 folgt die Debüt-Single. Und als 2015 ihr erstes Album „Positive Energy“ rauskommt, da scheinen sie die richtige Band zur richtigen Zeit zu sein, zumal der Postpunk-Sound mit Bands wie Messer, Human Abfall & Co. wieder im Kommen ist.

Wie Diät klingen? Mit Nordberg hat die Gruppe einen Sänger, dessen Grabesstimme hervorsticht, sein Bass knarrt und wummert dem Genre angemessen vor sich hin. Die Gitarre dreht derweil joydivisonmäßig ihre Kreise, die flirrenden, fiependen Synthesizer, der mitunter stampfende, fast motorische Beat schubsen die Musik aber auch immer wieder in andere Richtungen. Da klingen die frostigen britischen Frühachtziger durch, im Berlin der mittleren Zehnerjahre.

Gewachsene D.I.Y.-Strukturen

Warum also sind Diät bis heute ein Randphänomen geblieben, wieso nahm es kaum jemand zu Kenntnis, als kürzlich das zweite Album erschien? „Ich glaube, wir sind deshalb nicht größer und bekannter, weil wir das selbst nicht unbedingt wollen“, sagt Iffland. „Dazu müssten wir ja auch viel präsenter sein und mehr touren. Das passt gerade gar nicht in unsere Lebenssituationen.“

Ab einem gewissen Alter steckt man das Tourleben nicht mehr so einfach weg

Er selbst ist zweifacher Vater, und er sagt, ab einem gewissen Alter stecke man das Tourleben auch nicht mehr so einfach weg: „Das viele Trinken, der wenige Schlaf, die sich dahinschleppenden Stunden im Tourbus …“

Dabei hatten auch größere Labels Diät auf dem Zettel, aber von so etwas wie einem Karriereplan ist die Band ungefähr so weit entfernt wie ihre Musik von Stadionrock. Sie nutzen eher die gewachsenen D.I.Y.-Strukturen, um Platten zu veröffentlichen und zu touren, so erscheint ihr Album sowohl in den USA als auch in Europa bei befreundeten Labels (Iron Lung bzw. Blackest Ever Black).

Noch ein Punkt, warum Diät eher ein Geheimtipp bleiben: Sie haben nur bedingt Lust, sich ständig in sozialen Medien zu präsentieren. „Ich find' das eher peinlich, wenn Bands die ganze Zeit Selfies posten. Das ist so abtörnend, das ist wie Bier ohne Alkohol: man will es nicht haben.“.

Diät: „Positive Disintegration“ (Blackest Ever Black/Cargo)

staticagemusik.bandcamp.com

Static Shock, Bürknerstr.6, Neukölln

Auch das neue Album ist keines für den Markt, dafür eines, das Musiclover umso mehr schätzen dürften. In den acht Songs auf „Positive Disintegration“ zeigt sich ein enorm entwickeltes Gespür fürs Songwriting und für Arrangements, die Stücke gehören zum Besten, was zuletzt im Bereich Wave/Postpunk veröffentlicht wurde. Immer noch lassen Bands wie Bauhaus, The Human League und die frühen Sisters Of Mercy grüßen, aber vor allem dank der Synthesizer, auch dank eingestreuter Songs mit anderer Klangfarbe klingen Diät zu keinem Zeitpunkt epigonal.

Die Texte sind weit besser und bedeutungsoffener als das, was hierzulande im Punk sonst oft angeboten wird. Da überzeugt zunächst das Eröffnungsstück „We“ mit seinem zweifelnden, suchenden Text und seinen abschließenden Zeilen („Have we all become a parody?/ Clutching to an ideology/ Bound together/ Bound and gagged“), „Disintegrate“ kommt mit gerade mal vier Versen aus: „Precreate/ Assimilate/ Disintegrate/ Isn’t it time..?“.

Nur die Texte, die dann doch nach einfachen Antworten suchen, fallen etwas ab, “What’s it got to do with me?“ stimmt zum Beispiel etwas zu billig ein in den Abgesang auf die westliche Demokratie.

Es lohnt übrigens unbedingt, auch die anderen Projekte der Diätler auszuchecken. Der musikalisch Aktivste von ihnen ist Gitarrist Josh, der ein krautig-verspult-psychedelisches Synthie-Soloprojekt namens Itchy Bugger betreibt. Daneben spielt er noch bei der Band Heavy Metal, die allerdings keinen Metal, sondern weirden Garagepunk spielt. Verbandelt ist man auch mit der Punkband Idiota Civilizzato.

Ursprünglich ein Projekt des Diät-Urtrios mit Sänger Matteo Chiesara, spielen heute noch Josh und Tobi bei dieser Hardcoreband, die ihre Alben auch bei Static Age veröffentlicht. All das bleibt in kleinem Kreise, in familiärem Rahmen, und Iffland findet das auch in Ordnung so: „Wenn eine Band meines Labels auf Tour geht, kommt sie vorher hier vorbei und holt ein paar Platten ab, man ist in persönlichem Kontakt.“

So wird diese Szene wohl auch zukünftig weit unter dem Radar laufen. Und vielleicht hat Iffland ja auch recht, wenn er sagt: „Das ist schon alles gut so.“

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