Neues Trinkwasser-Schutzgebiet: Hamburg füllt nach

Die Stadt weist in Eidelstedt und Stellingen ein neues Gebiet für Trinkwasser aus. Das Areal war vor 40 Jahren von einer Chemiefirma verseucht worden.

Ein Wasserstöpsel in Form eines Hamburger Gullideckels ist in einem Waschbecken.

Der Bedarf wächst: Bis 2030 brauchen rund 75.000 Neuhamburger*innen Wasser Foto: dpa

HAMBURG taz | Wasser sei kostbar, sagt Hamburgs grüner Umweltsenator Jens Kerstan, aber eben auch „nicht unbegrenzt verfügbar“. Und deshalb müsse die Trinkwasserversorgung der Millionenmetropole langfristig gesichert werden. Dafür hat der Senat am Dienstag beschlossen, zum 1. November ein neues, sechstes Wasserschutzgebiet einzurichten, ein siebentes soll im nächsten Jahr folgen. Das Außergewöhnliche: Es handelt sich um Flächen, die vor 40 Jahren im Zentrum eines der größten Hamburger Umweltskandale um die Chemiefabrik Stoltzenberg standen.

Eidelstedt/Stellingen heißt das neun Quadratkilometer große Areal im Nordwesten Hamburgs, in dem künftig sechs Brunnen etwa 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser fördern sollen, knapp drei Prozent des jährlichen Hamburger Gesamtbedarfs. Das südöstlich daran anschließende Gebiet Stellingen mit zehn Quadratkilometer Größe soll folgen. Dann wären etwa 98 Quadratkilometer, gut 13 Prozent Hamburgs, als Wasserschutzgebiete ausgewiesen.

In denen gelten selbstverständlich besondere Schutzbestimmungen, um Verunreinigungen zu verhindern. Das betrifft vor allem den Einsatz von Dünger und Pflanzengiften in Landwirtschaft und Kleingärten, aber auch den Eintrag von Medikamenten und chemischen Stoffen in die Grundwasserleiter. „Es ist eminent wichtig, dass diese Stoffe gar nicht erst ins Grundwasser gelangen“, sagt Kerstan, denn die dann notwendigen Sanierungen seien „sehr aufwendig und teuer“.

Das betrifft insbesondere die beiden neuen Areale. 1979 starb ein Junge, der mit chemischen Stoffen hantiert hatte, die er auf dem Gelände der Firma Stoltzenberg an der Lederstraße westlich des S-Bahnhofs Stellingen gefunden hatte. Bei den anschließenden Untersuchungen wurden dort hochgiftige Chemikalien sichergestellt, darunter sogar die Nervengifte Tabun und Sarin, welche Stoltzenberg im Zweiten Weltkrieg für die deutsche Wehrmacht hergestellt hatte.

Hamburg Wasser (HHW) ist das zweitgrößte kommunale Wasserver- und entsorgungsunternehmen Deutschlands. Es ist zu 100 Prozent im Eigentum Hamburgs.

In 17 Wasserwerken in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen fördert HHW zurzeit etwa 120 Millionen Kubikmeter Grundwasser und veredelt es zu Trinkwasser.

Das Rohrleitungsnetz von HHW ist rund 5.300 Kilometer lang.

Der Pro-Kopf-Verbrauch der HamburgerInnen lag 2018 bei rund 110 Liter pro Tag.

Die Aufarbeitung des Skandals führte zur Entlassung des damaligen Justizsenators Frank Dahrendorf (SPD), der Gründung der Umweltbehörde als erster derartiger Bundes- und Landesbehörde in Deutschland und zu einem neuen Bewusstsein für Umweltgifte und hochgefährliche Altlasten. Die Fabrik wurde geschlossen, die Gebäude abgetragen und das Gelände vollständig saniert.

Und dieses liegt jetzt im Zentrum eines Wasserschutzgebietes, das mithelfen soll, den wachsenden Durst der Großstadt zu stillen. Im vorigen Jahr lag der Verbrauch mit 120 Millionen Kubikmetern um fünf Prozent höher als 2017, wofür aber in erster Linie der nicht enden wollende Tropensommer 2018 verantwortlich gemacht wird. Zugleich aber wächst die Bevölkerung um rund 10.000 Menschen pro Jahr.

Bis 2030 rechnet Hamburg Wasser deshalb mit 75.000 mehr Einwohnern und einem Zusatzverbrauch von bis zu vier Millionen Kubikmetern. Diese Versorgung „mit klarem und einwandfreiem Trinkwasser“ müsse sichergestellt werden, sagt Kerstan. Dennoch sollten die HamburgerInnen mit dem kostbaren Gut „natürlich sorgsam und sparsam umgehen“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.