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Kolumne Wir retten die WeltIrrsinn der praktischen Vernunft

Der Begriff „Vernunft“ ist zu einem Kantholz des Kapitalismus verkommen. Das zeigt das Urteil zum Kükenschreddern.

Das massenweise Kükenschreddern bleibt vorübergehend erlaubt Foto: imago images/photocase

E s war Blödsinn und wahrscheinlich auch gefährlich. Aber doch auch irgendwie notwendig. Den ganzen Tag war es schwül wie im Dampfbad gewesen. Und gerade als ich abends aufs Fahrrad stieg, um zum Baden zu fahren, begann das Gewitter. Am See angekommen, war ich klatschnass, über mir rollte der Donner und zuckten die Blitze. Als der Sturm ein bisschen weitergezogen war, ging ich trotz Gegrummel und Geblitze für ein paar Minuten ins Wasser. Nein, vernünftig war das wirklich nicht.

Aber immerhin: Es war meine eigene private Unvernunft, die nur mir geschadet hätte, wenn mich im See ein himmlischer Elektroschock gegrillt hätte. Diese falsche Entscheidung hätte keinem geschadet – außer vielleicht meiner Familie oder den LeserInnen dieser kleinen Kolumne. Privat treffen wir ja ohnehin jeden Tag mehr oder weniger rational in vielen Bereichen unsere Wahl.

Es ist aber etwas ganz anderes, wenn im Namen des Volkes das Bundesverwaltungsgericht befindet: Für die nächste Zeit sei es noch „vernünftig“, jährlich 45 Millionen Küken gleich nach dem Schlüpfen zu töten, nur weil sie das falsche Geschlecht haben. Ethisch ist das ein Skandal. Vor allem zeigt es, wie sehr der Begriff „Vernunft“ zu einem Kantholz des Kapitalismus verkommen ist. Auch ohne einen Exkurs durch 3.000 Jahre Philosophiegeschichte sollte klar sein, dass Vernunft das „Vermögen zur Erkenntnis“ ist. Rational ist, was logisch, angemessen und für möglichst viele möglichst gut ist.

Das ist die industrielle Landwirtschaft sicher nicht. Im Gegenteil: Sie erzeugt millionenfaches Leid und zerstört unsere Lebensgrundlagen. Wie kann das vernünftig sein? Nur wenn man eine „Vernunft“ akzeptiert, die für Kostenreduktion und Optimierung der industriellen Verwertungsmaschine des Lebens über Leichen geht. Diese „Vernunft“ kann sich nichts anderes vorstellen, als dass diese Form der Nahrungsherstellung die beste oder einzige Möglichkeit ist, um uns zu ernähren. Aber diese Annahme ist irrational.

Gerichte: Auch Kohle dient „Allgemeinwohl“

Ganz ähnlich ist das beim „Gemeinwohl“. Immer noch werden Dörfer zerstört und Menschen enteignet, weil sie der Braunkohle im Weg stehen. Begründet wird das auch von den höchsten Gerichten damit, die Energiegewinnung aus der Kohle diene dem „Allgemeinwohl“.

Das ist heutzutage aber komplett irre: Erstens können wir den Strom anders produzieren, zweitens ruinieren die Kohlekraftwerke fleißig genau das Allgemeinwohl, das wir „stabiles Klima“ und Heimat nennen. Auch Autobahnen werden gern mit dem „Gemeinwohl“ begründet, ebenso wie jede Art von Wirtschaftswachstum, so zerstörerisch es auch sein mag: Schafft es Jobs und Profit, trägt es nach dieser Lesart zum Gemeinwohl bei, auch wenn es eher das Gemeinunwohl fördert. So ist das in einem Wirtschaftssystem, das selbst noch über Wachstum jubelt, wenn es darin besteht, die Schäden des Wachstums zu beseitigen.

Angebliche Vernunft und vorgetäuschtes Gemeinwohl gelten in unserer Ordnung immer dann viel, wenn sie ein System stabilisieren, das unsere Lebensgrundlagen destabilisiert. Bei so viel rationalem Verhalten kann es nur helfen, ab und zu komplett unvernünftig zu handeln. Man muss ja nicht gleich bei Gewitter schwimmen gehen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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26 Kommentare

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  • Ob wohl ein Junghahn in der Mast die Erfüllung seines Lebens sieht?

  • & Däh&Zisch - Mailtütenfrisch -

    “Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft -

    Glückauf!







    Wir retten die Welt..



    Jedoch die Männerküken



    zerreißen wir in Stücken...







    „Mein Glück mir so gewiß, da zeigte mir



    Zuerst Athene meinen stolzen Feind.



    Ich sah ihn, ich erröthete, verblaßte



    Bei seinem Anblick, meinen Geist ergriff



    Unendliche Verwirrung, finster ward's



    Vor meinen Augen, mir versagte die Stimme



    Ich fühlte mich durchschauert und durchflammt



    Der Venus furchtbare Gewalt erkannt' ich



    Und alle Qualen, die sie zürnend sendet.



    Durch fromme Opfer hofft' ich sie zu wenden,



    Ich baut' ihr einen Tempel, schmückt' ihn reich,



    Ich ließ der Göttin Hekatomben fallen,



    Im Blut der Thiere sucht' ich die Vernunft,



    Die mir ein Gott geraubt ..“ –







    (Aus "Phädra"



    Ein Trauerspiel von Jean Racine



    - übertragen von Friedrich Schiller -



    gutenberg.spiegel....uch/phaedra-1937/2 )







    Im Blut der Thiere sucht' ich die Vernunft,



    Die mir ein Gott geraubt ..







    War wohl Gott "Markt".“

    Wer - bitte - wollte widersprechen? 👹

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      .



      Racine oder Corneille, wer mit solchen Genies aufwartet, lässt uns gewöhnliche Sterbliche natürlich wie illiterates Lumpenproletariat aussehen

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Es grüßt das Duo der - Bemühten der Ebene - im Doppelpack: 🎭

        Ach was! 🛀…🎏

        gez. Lowandorder & für - Däh&Zisch -



        Mr. Mailtütenfrisch - 😈

        (nach Diktat sanft vergreist 👹 🎶🎶🎶

        • @Lowandorder:

          & Däh&Zisch & Poff - Mailtütenfrisch -

          Die Stimme aus dem Off -



          “(nach Diktat sanft vergreist ...)







          WOLF HABERER



          "lässt uns gewöhnliche Sterbliche natürlich wie illiterates Lumpenproletariat aussehen"







          Oooch, das war nicht die Absicht. Sollte einfach nur ... anregen.“

          Klar - Sich ☔️ bringt 🌈

  • ich wundere mich, dass es noch nicht gelungen ist, die Hühner gegen männliche Samen zu impfen oder genetisch so zu verändern, dass nur weibliche Eier gelegt werden.

    Das mit dem Geschlechter-Erkennen im Ei versucht man schon seit 1991 - zumindest habe ich bei einer Messe gesehen, wie jemand sich für eine digitale Ausrüstung hat beraten lassen. Wenn es heutztage immer noch nicht gelingt, habe ich da wenig Hoffnung.

    Das ist wie mit dem Versprechen von neuer Technologie, die unser CO2-Problem oder Atommüllproblem lösen soll.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Was spricht eigentlich dagegen, einen vor höheren ethischen Gerichten erwiesenen verbrecherischen Industriezweig mit eiserner Hand zu zerschlagen, von dem ohnehin nur eine kleine Handvoll kaltschnäuziger Akteure ihren Profit zieht, der also gesamt-volkswirtschaftlich völlig unbedeutsam ist?



    Nein, man muss hierbei an die notleidenden Penny-(Aldi-, Rewe-, Edeka-) Kunden denken! Und natürlich an die deutsche Back- und Likörindustrie. Da hängt schon einiges dran

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Au Backe 😈 …da hat aber der 🐺 mal seinen 🐑spelz an 🥚nen 🐣sortierter*



      Fürs Wochenende ausgeliehen - wa 👺



      🥚j🥚j 🍳

      unterm—-?der vllt ~~ 1956 Melbourne -



      images.app.goo.gl/ykg3APpt2Fe86BR97 - Vyacheslav Ivanov - & * s.u.



      (der Kleine links (18j) UdSSR - Gold



      Silver:Stuart McKenzie* hatte es mit 🐣



      Sortieren



      —-zur eisernen Faust - mal aus GI-WEz



      www.lagis-hessen.d...U6R2llw59lbiI7fQ==



      👹

  • Mit "Irrsinn der praktischen Vernunft" sollte hier jeder Artikel überschrieben sein, der "Grüne Industriepolitik", "grüne Technologie", "nachhaltiges Wachstum", "Klimaneutralität von Staaten", "klimafreundliche Elektromobilität", "Digitalisierung"... feiert, weil damit vermeintlich die Klimaziele bis 2030 erreicht werden können.

    Es ist ja nicht so, dass man einen Hochschulabschluss benötigt, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass, wenn etwas zusätzlich zu etwas Bestehendem aufgebaut wird, dabei und bis auf Weiteres, zusätzliches CO2 freigesetzt und zusätzlich Ressourcen, zusätzlich Flächen, zusätzlich Energie benötigt werden.

    Möglicherweise mangelt es gar nicht an Erkenntnissen und dem Wissen um logische Zusammenhänge und physikalische Gesetze, sondern nur am Mut, diese zu publizieren!

    Aber, so große Worte für so kleines Karo!? Entschuldigung, Küken!

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ich denke es geht hier weder um Vernunft, noch um Ethik.

    Sondern vielmehr darum:

    "Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. "

    Karl Marx

    Im Namen dieses Prinzips werde Kriege geführt, Regierungen gestürzt oder installiert, Menschen dem Verhungern preisgegeben, Umwelt vernichtet, regionale Märkte zerstört und Schwachsinn produziert.

    Und eben Küken geschreddert.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      U 2 ? - Insulaner - Mal dess. Kenne die Entscheidungsgründe nicht. Habe - nach 'Stutz - Waas? &Vorsicht - Vorsicht - P’ötter!‘ aach nur die Pressemitteilung



      Auszug s.u. gelesen.



      & Däh!



      Mit sowas wie “enteignungsgleichem Eingriff“ & ähnlichen Pro-Seminar-Dreibastigkeiten - die da so im Überlegungs-&Gedankenstrom vorbeigedümpelt sein mögen…ff?



      Nö. Isses grad echt zu warm für & könnte nur zusätzlich verunsichern.

      Aber - einfach mal vor Schaumvorm 👄



      Lesen laidback& gegebenenfalls bereits ausgetretene KörperFlüssigkeiten …öh unauffällig entsorge - Olle Marx is ok😈



      But. Gute Verrichtung.



      —-



      …servíce. Gern&Dannichfür 👺

      • @Lowandorder:

        & nochens - servíce - dort für Rainer B.



        www.taz.de/!5602817/



        “Urteil zum Töten männlicher Küken



        Schreddern bleibt zunächst erlaubt



        Das Bundesverwaltungsgericht verbietet zwar das Töten frisch geschlüpfter männlicher Küken – gewährt jedoch eine Übergangsfrist.“ by Kai Schöneberg

        “Sorry - war mir das Kantholz dazwischen gepöttert.

        Mal soviel.



        Die hier zu recht - wg folgenorientierter Begründung - als nunja historisch apostrophierte Entscheidung ist zu begrüßen.



        &



        Das nämlich anders als die ostwestfälischen Vorinstanzen in Minden &! Münster. Woll.

        & sicher - mehr wär wünschenswert -



        But. Fachgerichte tun sich - anders als Karlsruhe - (immer noch) schwer damit, Zeitvorgaben etc “über den Tellerrand“ der Einzelentscheidung hinaus vorzugeben.



        Da hat sich zwar seit 70/80er - je nach Rechtsgebieten unterschiedlich - im Bereich öffentliches Recht einiges getan. Aber so holzköpfig - wie hier in der taz negligable rumgepöttert wird - geht’s längst nicht mehr zu.*

        Nur sind ja - wie die zu überprüfende Behördenentscheidung zeigt.



        Bei denen die Alarmglocken erfreulicherweise längst an.



        & damit -



        Die Verwaltung also wieder am Zug.



        Mühselig - aber rechtsstaatlich:



        So isset.

        unterm—-* entre nous - liggers -



        Noch Ende der 80er versuchte mir der Kollege Präsi via Beurteilung - glatter Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit & das Beratungsgeheimnis für sojet - (angebliches) obiter dictum** - einen in den Tee zu tun.



        Klar in Westfälisch Sibirien.



        & klar auch - Hackordnung -



        Münster tat sich entsprechend schwer:



        Naja - im Ergebnis - “Punktsieg“ 👹

        —-für Großlatriner -



        Obi·ter Dic·tum



        /Óbiter Díctum/



        Substantiv, Neutrum [das]RECHTSSPRACHE



        (in einem Urteil eines obersten Gerichts) rechtliche Ausführungen zur Urteilsfindung, die über das Erforderliche hinausgehen und auf denen das Urteil dementsprechend nicht beruht“



        de.wikipedia.org/wiki/Obiter_dictum - ausführlicher - aber auch gut kritikwürdig …servíce 👺 “

  • Das ist durch und durch korrumpierte "Vernunft", die jedes menschliche, vernünftige Maß verloren hat. Sehr guter Artikel!

  • Macht es einfach vor und stimmt an der Kasse ab!! Alles wird sich schnell ändern. Das ewige jammern in den Beiträgen hilft weder Tieren noch Landwirten.

  • Ach es - Pöttert mal wieder das Kantholz am Stege. Blitzgescheit - geht halt anders. Newahr. Normal Schonn.

    Zitier mal - (Auszug Pressmittelung)



    “,Das Verwaltungsgericht Minden hat die Untersagungsverfügung aufgehoben, das Oberverwaltungsgericht Münster die Berufung des Beklagten zurückgewiesen: Die Tötung der männlichen Küken erfolge nicht ohne vernünftigen Grund i.S.v. § 1 Satz 2 TierSchG.

    Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung nur im Ergebnis bestätigt. Gemäß § 1 Satz 2 TierSchG darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Das Tierschutzgesetz schützt – anders als die Rechtsordnungen der meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – nicht nur das Wohlbefinden des Tieres, sondern auch sein Leben schlechthin. Vernünftig im Sinne dieser Regelung ist ein Grund, wenn das Verhalten gegenüber dem Tier einem schutzwürdigen Interesse dient, das unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse am Schutz des Tieres. Im Lichte des im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz beruht das Töten der männlichen Küken für sich betrachtet nach heutigen Wertvorstellungen nicht mehr auf einem vernünftigen Grund. Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten. Anders als Schlachttiere werden die männlichen Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt getötet. Ihre „Nutzlosigkeit“ steht von vornherein fest. Zweck der Erzeugung sowohl der weiblichen als auch der männlichen Küken aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung ist allein die Aufzucht von Legehennen. Dem Leben eines männlichen Kükens wird damit jeder Eigenwert abgesprochen. Das ist nicht vereinbar mit dem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes, für einen Ausgleich zwischen dem Tierschutz und menschlichen Nutzungsinteressen zu sorgen.… ff gleich

    • @Lowandorder:

      ff -

      “…Die bisherige Praxis wurde allerdings - ausgehend von einer damaligen Vorstellungen entsprechenden geringeren Gewichtung des Tierschutzes - jahrzehntelang hingenommen. Vor diesem Hintergrund kann von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden. Bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war absehbar, dass in näherer Zukunft eine Geschlechtsbestimmung im Ei möglich sein würde. Die weitere Entwicklung hat diese Einschätzung bestätigt. Ohne eine Übergangszeit wären die Brutbetriebe gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern aus verbesserten Zweinutzungslinien umzustellen. Die Vermeidung einer solchen doppelten Umstellung ist in Anbetracht der besonderen Umstände ein vernünftiger Grund für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis.

      BVerwG 3 C 28.16 - Urteil vom 13. Juni 2019

      Vorinstanzen:

      OVG Münster, 20 A 530/15 - Urteil vom 20. Mai 2016 -

      VG Minden, 2 K 80/14 - Urteil vom 30. Januar 2015 -

      BVerwG 3 C 29.16 - Urteil vom 13. Juni 2019

      Vorinstanzen:

      OVG Münster, 20 A 488/15 - Urteil vom 20. Mai 2016 -

      VG Minden, 2 K 83/14 - Urteil vom 30. Januar 2015 -



      www.bverwg.de/pm/2019/47

      kurz - Solides kluges folgenorientiertes juristisches Handwerk •

      unterm——kl Tipp wg der Hitze genant



      Kantine ist nicht die Frau von olle Kant

  • Wer „für Kostenreduktion und Optimierung der industriellen Verwertungsmaschine des Lebens über Leichen geht“, ist nicht vernünftig sondern clever.

    Die meisten Menschen machen an der Stelle leider keine großen Unterschied. Sie machen sich überhaupt wenig Gedanken über die Sprache, die sie benutzen. Selbst viele Deutschlehrer sehen ihre Aufgabe eher darin, Lebensläufe berühmter Dichter abzufragen und Orthografie- oder Grammatikregeln zu vermitteln, als ein Gefühl dafür, was Sprache ist und was sie (nicht) kann.

    Was etwa den Unterschied zwischen Verstand und Vernunft ausmacht, wird in der Schule gar nicht gelehrt. Es gibt ja auch keine Lehrpläne, die Lehrer zwingen, das zu erklären. Im Übrigen könnte der Durchschnittsdeutsche mit einem entsprechenden Wissen auch nicht sehr viel anfangen. Er müsste viel zu viel Angst haben, wenn er im einen oder anderen Fall zugunsten der Vernunft und gegen den (praktischen, akut opportunen) Verstand entscheiden würde.

    Dem Bundesverwaltungsgericht unterstelle ich im Übrigen, dass es den Unterschied kennt. Wenn es trotzdem so tut, als wäre es „unbeleckt“, zeigt mir das eher, dass manche Bundesrichter ein wenig, nun ja, krumm gehen unter der Last ihrer Verantwortung für Deutschland im allgemeinen und die sorgenfreie Zukunft seiner Bauern im Speziellen.

    Wieso sie deutschen Bauern, die über 18 sind und vermutlich nicht einmal verwandt mit ihnen, die Verantwortung für ein selbstbestimmtes Leben in einer freien (und entsprechend riskanten) Marktwirtschaft unbedingt abnehmen müssen, hätte ich aber doch gerne erklärt. Sonst glaube ich am Ende noch, auch Bundesverwaltungsrichter wären erpressbar/käuflich.

    Klar, die Konsequenzen vernünftiger Entscheidungen können gar fürchterlich sein. Viel zu viel Macht liegt ja doch in den Händen von Leuten, denen Vernunft am Popo vorbei geht. Zumindest so lange sie gut genug verdiene dabei. Geld vertrauen sie einfach (zu recht) sehr viel mehr als der Vernunft ihrer Mitmenschen, BVG-Richter eingeschlossen.

    • @mowgli:

      Na Servus

      Mal Klartext - Lesen hat noch jeder Klippschüler irgen’wann geschafft Woll & Liggers -



      Das hilft. Doch Doch. Normal - Schonn!



      Unter Journaillistas ist das scheint’s aber zunehmend weniger verbreitet.

      & Jenau Jenau -



      Dafür aber janz ville - von dit olle labrig klebbrüchig Spekulatius - wa!



      Jahreszeit dabei - Voll ejal - kerr 👹

      Na Mahlzeit 🕳 🕳 🕳

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Mit der Überschrift drückt sich auch das Dilemma der instrumentellen Vernunft aus.



    Die Zerteilung der Vernunft in eine praktische und eine theoretische unterschlägt die sowohl strategische als auch strategisierende, die aktiv-passive Ökonomie der Zeichenproduktion, die Derrida die différance nennt, wobei différance in einer nicht reduzierbaren Vieldeutigkeit auch auf "Unterschied", "Verschiebung" und "Aufschiebung" verweist und auf die beim Schreiben vorausgesetzten Abstände zwischen den Zeichen.

    Diese Ökonomie verhält sich nicht einfach passiv strategisch in Kontexten mit isolierten feststehenden "Bewußtseinsinhalten", so genannten Memes. Die Idee der Memes ist regressiv und Memes verdrängen auf aggressive Weise eine Kommunikation, die zumindest um ihre Kontextualität weiß.



    Die Ökonomie der Zeichenproduktion verhält sich auch nicht einfach aktiv konstruierend und strategisierend, wie im Konstruktivismus angenommen. Es ist ein Fehler, Dekonstruktion und Konstruktivismus für das Gleiche zu halten.



    Die Ökonomie der Zeichenproduktion (ist) unabdingbar beides, wobei genau dies verhindert, dass diese Ökonomie, die diffèrence selbst in einer Ontologie beschrieben werden kann und sich durch eine Verschriftlichung/Versprachlichung durchsichtig machen lässt.



    Im Überwachungskapitalismus wird wird die differènce somit zum radikal anderen der sog. Maschinenintelligenz und der instrumentellen Intelligenz ihrer Schöpfer.



    In diesem Sinne ist es genauso "vernünftig" noch einige Zeit weiter Küken zu schreddern, wie die Kapitalmaximierung "vernünftig" ist. Mich hat dieses Urteil nicht im geringsten überrascht. Die Luftverschmutzung ist schließlich auch eine Körperverletzung, die Menschen, die eine chronische Lungenwegserkrankung haben wie ich, zudem besonders schlimm trifft und ihnen besonders viele Lebensjahre raubt.



    Wir gehören oft kaum zum gut verwertbaren rassistischen kapitalistischen Volkskörper, dem Standort. So müssen unsere Leiber sich der Kapitalmaximierung unterorden.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Das lässt sich auch beim Brexit sehen. Die einhellige Meinung in den liberal-kapitalistischen Medien ist die, dass der Brexit "unvernünftig" ist, weil 98% der ökonomischen Institute einen negativen Effekt auf die Steigerungsraten der Wirtschaft prognostizieren. Weil "ganz natürlich" für Kapitalisten die (kapitalistischen) wirtschaftlichen Fakultäten den Hort der Vernunft darstellen.

      Dass es auch ökonomisch vernünftig sein kann, auf Wirtschaftswachstum zu verzichten und sogar einen Rückgang in Kauf zu nehmen, wenn dafür anderen Güter maximiert werden, wie Freizeit, Entscheidungsautonomie oder das Wohlergehen unserer Mitwelt, wird überhaupt nicht erst diskutiert. Die Ökonomie ist halt keine empirische Wissenschaft. Sie hat keinen emprischen Wertbegriff und kann deswegen auch nicht sagen, wann eine Maximierung von Werten überhaupt erreicht ist.

      Eben deswegen muss auch genau an diesen Stellen immer wieder "die Vernunft" durch die Kapitalisten beschworen werden wie der Geist des Kommunismus durch Marx (Christian Lindner allen voran). Diese totalitäre Einstellung findet sich im Extremismus der Mitte. Wenn sie "moralisch" dürften, würden sie "das Migrationsproblem" "militärisch lösen", wie es - von mir zugespitzt - der "große Theoretiker der Bürgerlichkeit", Herfried Münkler in einem Artikel einmal formulierte.

      So bauen sie "nur" Konzentrationslager und nicht wie die Nazis gleich unumwunden Vernichtungslager. Die Finanzierung von Konzentrationslagern durch die beschränkt sich nicht mehr auf den Sahel oder Diktaturen wie die Türkei. In Südeuropa stehen schon Lager und in Dänemark werden illegalisierte Personen demnächst auf eine Konzentrationslagerinsel deportiert, wie es auch schon Australien macht.

      Wenn das nicht verwertbare "Sozialkapital", zum Vergessen in Lager gesteckt wie die Dissidenten in der SU, den Mitte-Extremisten über den Kopf wächst und sie nach Rechts driften wie 1930 - werden dann die Insassen geschreddert wie diese Küken oder die Retouren bei Amazon?

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        Wort vergessen:



        "Die Finanzierung von Konzentrationslagern durch die [EU] ..."

  • Der Irrsinn besteht aber auch darin, daß so ziemlich alle Bürger sehr wohl und schon sehr lange wissen, daß Küken vergast und geschreddert werden.



    Und trotzdem sind über 90% der bewußt von ihnen gekauften Eier und "versteckten" Eier in allen möglichen Produkten aus Massentierhaltung der beschriebenen übelsten Art.



    Der Irrsinn ist das Weggucken. Jetzt schrecken viele empört hoch, und schon beim nächsten Einkauf, beim nächsten Restaurantbesuch, beim nächsten Imbisstand und in Mensen weden diese Tierqualeier in sich reingeschoben, Hauptsache es schmeckt.



    Es ist richtig die Vernichtungsindustrie und deren Ermöglicher in der Politik scharf anzugreifen. Aber solange eine extrem hohe Nachfrage nach Billigeiern bestehen bleibt und die Konsumenten als unschuldig deklariert und so aus der Verantwortung genommen werden, wird dieses Verbrechen weitergehen.



    Ja es gibt Alternativen: Eier von Demeterhöfen, Bruderhahneier oder noch besser keine Eier. Eier sind kinderleicht in Produkten ersetzbar, der Verzicht aufs Frühstücks- und Spiegelei dürfte in unserem hohen Wohlstand doch abverlangbar sein ohne daß die Welt des Einzelnen zusammenbricht.



    In der Wirtschaft gilt: Die Nachfrage bestimmt das Angebot und umgekehrt. Wirtschaft und Konsument sind gleichermaßen in der Verantwortung.



    Und die Politik muß auf beide Teile hören. Die Groko hört leider nur auf die Wirtschaft. Solche Politiker gehören abgewählt, sie handeln undemokratisch und so gegen die Verfassung, Gesetzesbruch inbegriffen: Kükenschreddern ist 100% gegen das strenge deutsche Tierschutzgesetz. Nur mal so als Beispiel....

    • @Traverso:

      Sie vergessen: Hühner sind zu Essen da, Eier auch. Das ist der Sinn ihrer Existenz. Sonst würde man sie nicht züchten.

  • FULL ACK ...

    ... zumal, man kann es nicht oft genug sagen, es ja kein Problem wäre auf eine Geflügelrasse zu setzen, die sowohl Legehennen als auch mastbare Gockel bietet (halt nicht ganz so auf Effektifität kaputtgezüchtet).

    Es geht eben nicht darum, daß der "moderne" Konsument - Gott bewahre - um sein per Menschenrecht zustehendes Frühstücksei fürchten müsste, nein es geht nur um ein paar lausige Cents um die Eier und Fleisch teurer wären.

    Es gibt KEINERLEI wirklich Notwendigkeit für diesen Massenmord per Schreddern oder Vergasen!

    Es ist der absolute GIpfel der Unverschämtheit so zu tun, als müsse man auf die Geräte für die Eieruntersuchung halt unbedingt warten weil "wir wollen das ja auch nicht" wie ein Vertreter der "Eierbranche" mit schon hörbarem zynischen Grinsen gestern in einem DLF-Interview in etwa zum Besten gab. Vermutlich hat der Sender das verschleimte Mikrophon danach entsorgen müssen ...

    Im Zeitalter der EinKiloLasagneSimulation für 1.99 sind nur noch Tiefstpreise akzeptabel (natürlich nur beim Essen, nicht etwa beim "Lifestyle").

    Gerade deswegen schokiert mich dieses Urteil. Oft waren die höheren Deutschen Gerichte noch ein Hort der Vernuft ... das ist nun wohl Geschichte.

  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    In der Tagesschau gestern wurde ein viel zu langsamer Roboter gezeigt, der die Hühnereier selektiert. Vermutlich wurde in das superhightec Design wesentlich Arbeit investiert als in seine Funtionalität. Gleiches gilt für viele andere Projekte auch. Die Frage "Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?" kann nur der Kapitalismus vernünftig beantworten. Teurer ist besser und kompliziert funktioniert zwar nicht, verkauft sich aber besser. Einfach klingt einfach nur billig.

    • @05653 (Profil gelöscht):

      Mal ganz davon abgesehen, dass die Vernichtung von Eiern, die männliche Küken produzieren würden, es auch nicht einen Deut besser macht!

      Da werden die armen Hühner auf Ertrag getrimmt, damit die Eier so billig produziert werden könne, dass wir es uns leisten können, etwa die Hälfte davon zum vernichten.



      Ekelhaft!