piwik no script img

Staubig und naturfeindlich

Gabionenzäune, Kies und Staub: Der Trend zur Steinwüste im Vorgarten ist ungebrochen. Dabei ist diese Gartengestaltung keineswegs pflegeleichter als Bepflanzung – und für das Klima und den Artenschutz katastrophal. Immer mehr Städte und Gemeinde steuern dagegen

Von Harff-Peter Schönherr

Ein Garten hat ja meist mit Grün zu tun – es sei denn, er befindet sich vorm Haus: Ungebrochen ist vor allem hier der Trend zur karg und manchmal auch gar nicht bepflanzten Wüste aus Marmor- und Basaltsplitt, aus Lava- und Glaskies, aus Betonplatten und Pflastersteinen, unter denen auch noch Faser­vlies oder Heavy-Duty-Teichfolie verlegt ist. Und damit das Ganze nicht zufällig grünt und wirklich „sauber“ bleibt, wird es alle paar Wochen reichlich mit Moos-, Algen- und Pilzvernichter übergossen.

„Gärten des Grauens“ nennt der Berliner Biologe Ulf Soltau solche Wüsten auf seiner gleichnamigen Facebook-Seite. „Sterile, naturfeindliche Psychopathengärten“ dokumentiert und kommentiert er hier, um sie „mit Mitteln des Humors und der Satire gesellschaftlich unmöglich zu machen“. Über 51.000 Facebook-NutzerInnen haben Soltaus bitteren Biss bereits abonniert.

Gärten, in denen Pflanzen höchstens als Ziergrasbüschel vorkommen oder als exotisches Kübel-Kleingehölz, in denen Tiere meist Baumarkt-Deko sind, in denen Gabionensäulen den Ton angeben: Auch der „Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Niedersachsen-Bremen“ (Galabau) hat ihnen den Kampf angesagt. Eine seiner wirkungsvollsten Waffen dabei ist der Zeichentrickfilm „Rettet den Vorgarten“.

„Wir bewerben das jetzt verstärkt bei unseren Betrieben“, sagt Galabau-Geschäftsführer Harald Mikulla. „Wir bestärken sie, Kunden von einem Schottergarten abzuraten und Alternativen aufzuzeigen.“ Das hat Potenzial: 360 Betriebe sind in seinem Verband organisiert, „die Mehrheit der Branche“. Und was, wenn Mitgliedsbetriebe für Schottergärten werben? „Tja“, sagt Mikulla und lacht ein bisschen, „das wird dann interessant.“ Dass Bremen für Paragraf 3 seines neuen „Begrünungsortsgesetzes“ vorsieht, Grundstücksflächen von Baugrundstücken, „die nicht für bauliche Anlagen genutzt werden“, „zu begrünen oder zu bepflanzen“, findet er gut: „Das hilft natürlich sehr. Und viele Kommunen gehen ja derzeit einen ähnlichen Weg.“

Eine davon ist das kleine niedersächsische Dissen in der Nähe von Osnabrück. Eugen Görlitz, dortiger stellvertretender Fachdienstleiter Planen, Bauen und Ordnung, erklärt, wie das aussieht: „Derzeit geben wir jedem Bauwilligen einen Flyer mit, in dem wir ihn bitten, seinen Vorgarten nicht mit Steinen zu belegen, sondern zu begrünen. Und ab sofort steht das als Festsetzung direkt in jedem neuen Bebauungsplan.“

Ende Februar hat der Rat der Stadt Dissen dieses Vorgehen beschlossen, auf einen Antrag der Unabhängigen Wählergemeinschaft hin, die das Neubaugebiets-Phänomen „Steinwüste“ als „hausgemachte Ursache für den zunehmenden rapiden Rückgang der Artenvielfalt“ beklagte. „Bei schon älteren Gärten kann man da natürlich nichts machen“, sagt Eugen Görlitz. „Aber für jeden, der durch eine neue Baumaßnahme entsteht, greift diese Regelung.“ Wer ihre Einhaltung kontrolliert? „Das müssen wir dann sehen.“ Auch Osnabrück wird aktiv, auf Initiative der Ratsfraktion der Grünen. Ihr Fraktionsvorsitzender Volker Bajus hatte die Verwaltung mit Fragen zu Artenschutz, Stadtklima und Entwässerung gelöchert, zur Rechtslage, zur Einwirkung auf Grundstückseigentümer.

„Solche Gärten sind ja auch wirklich problematisch“, bestätigt Detlev Gerdts, Fachbereichs­leiter Umwelt und Klimaschutz der Stadt Osnabrück. Seine Antworten auf die Fragen der Grünen, für die Sitzung des Stadtrates sind ein so klares Plädoyer für naturnahe Gärten, dass es in den Ohren der Steinwüstenverfechter gehörig geklingelt haben muss.

Biodiversität und Bodenfunktionen seien „in ‚geschotterten Gärten‘ erheblich eingeschränkt bis nicht mehr gegeben“, heißt es dort. Vlies oder Folie prangert Gerdts als „ökologische Barriere“ an, das Gewicht der aufgebrachten Materialien störe „das Bodengefüge und die Bodenbelüftung“. Gerdts schreibt Sätze wie: „Eine solche Art der Gartengestaltung hat keinen ökologischen Nutzen.“ Steinerne Gärten seien „aus stadtklimatischer Sicht kritisch zu bewerten“.

Sein Vorschlag: Festsetzungen bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen, die Schotter- und Kiesgärten „ausschließen oder zumindest begrenzen“. Die Landesbauordnung sieht das genauso: „Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein“, heißt es in Paragraf 9, Absatz 2, „soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.“ In der gleichen Ratssitzung wurde das 100.000 Euro schwere Begrünungsprogramm „Grün statt grau“ thematisiert: Es fördert nicht zuletzt private Investitionen gegen „das Phänomen der steinernen (Vor-)Gärten“.

Fünf Tipps für einen naturnahen Garten

Heimische Hecken pflanzen: Eiche, Weißdorn oder Schlehe bieten Insekten gute Lebensräume – in Koniferen hingegen lebt fast nichts.

Einen Teil der Rasenfläche für eine Blumenwiese reservieren: Wer Schmetterlinge oder Hummeln sehen will, muss ihnen Nektar bieten. Sie und weitere Insekten sind überdies Nahrungsquellen für Fledermäuse.

Komposthaufen aufstellen: Er ist Lebensraum für viele Tiere – vom Nashornkäfer bis zur Ringelnatter.

Mulchdecken legen: Das schützt den Boden vor Austrocknung und zugleich die Bodenlebewesen, die sich revanchieren, indem sie den Boden verbessern.

Gartenteich anlegen: Der ist nicht nur ein schönes Jagdrevier für Libellen und Heimat für Frösche und Molche – es kommen auch viele Insekten und Vögel zum Trinken.

Ein bepflanzter Garten hat viele Vorteile. Er ist Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Er generiert neues Grundwasser, denn Regen kann dort versickern und rauscht nicht in die Kanalisation. Er fördert, durch Schatten und Kühlung, das Stadtklima – Steinflächen hingegen heizen sich im Sommer stark auf.

Freunde grauer Wüsten können dagegen wenig ins Feld führen. Noch nicht mal, dass ihre Monotonie pflegeleicht und kostensparend ist. Denn Splitt und Schotter verunkrauten und verfärben schnell und werden oft alle paar Jahre ausgetauscht. Und exotische Gehölze erfordern mehr Pflege als einheimische.

„Schlimm, diese Einöden!“, sagt auch Andreas Peters, Erster Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Osnabrück, und legt eine über zwei Jahre alte Ausgabe der „Naturschutz-Informationen“ auf den Tisch, der Zeitschrift für Natur- und Umweltschutz im Osnabrücker Land. „Wer solche Gärten anlegt, sollte sich nicht über den Rückgang der Insekten- und der Vogelwelt beklagen“, schrieb dort bereits damals Christoph Wonneberger, Gartenbauexperte des Nabu, genauso wie von Steinen, die „mit großer Wahrscheinlichkeit überwiegend aus China oder Indien“ kämen.

Auch andere norddeutsche Städte wie Nordhorn oder Melle gehen das Problem an, Gemeinden wie Neuenhaus oder Wietmarschen. Besonders vorbildlich ist hier das kleine Zetel im Landkreis Friesland. Seit rund zwei Jahren sind dort Schotter- als Vorgärten verboten – als Festsetzung in jedem Wohn-Bebauungsplan. Ein Erfolg, resümiert Bauleitplaner Detlef Kant: „Als das in die Diskussion kam, war die Zustimmung sofort groß. Klar ist: Das wünschen wir hier nicht. Und Proteste gab es nie.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen