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Erst bauen, dann schützen

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat ein Landschaftsschutzgebiet bei Bensersiel anerkannt. Das heißt aber nicht, dass auch die Umgehungsstraße bleiben darf

Von Marinus Reuter

Der Landkreis Wittmund hat noch einmal Glück gehabt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärte gestern das Landschaftsschutzgebiet zwischen Bensersiel und Esens als rechtens. Geklagt hatte der Eigentümer dessen Grundstück teilweise durch das Schutzgebiet verläuft. Er hält die ausgewiesene Fläche für nicht mehr schutzwürdig, da genau durch das Gebiet eine Umgehungsstraße verläuft.

Für diese wurde bereits 2009 mit dem Bau begonnen und das, obwohl bekannt war, dass sich an dieser Stelle ein „faktisches Vogelschutzgebiet“ auf Grundlage der EU-Vogelschutzrichtlinie befindet. Die Politik ignorierte diese aber geflissentlich und die Gemeinde Esens baute die 2,1 Kilometer lange Straße mit Subventionen des Landes Niedersachsen. 2011 wurde die insgesamt über acht Millionen teure Umgehungsstraße Bensersiel, ein kleiner Küstenort direkt unterhalb der Insel Langeoog, fertiggestellt.

Doch die Vorgeschichte reicht noch weiter zurück. Denn schon im Jahr 2000 begann die Gemeinde Esens mit einem Planfeststellungsverfahren, das für den Bereich südlich von Bensersiel einen Golfplatz, einen Campingplatz und neuen Baugrund am Ortsrand vorsah. Ein Mittel dafür war die Umgehungsstraße, sagt Manfred Knake vom Naturschutzverein Wattenrat.

Für den Bau wurde „das Habitat der Rohrsänger auf mehr als einem Kilometer vernichtet“, sagt Knake. Die Vögel fühlten sich nun gestört und meiden den Bereich um die Straße. Auf der fahren aber seit über zwei Jahren keine Autos mehr, seitdem klar ist, dass sie nicht hätte gebaut werden dürfen.

Das Landschaftsschutzgebiet, um das es in der gestrigen Gerichtsverhandlung ging, wurde erst 2016 ausgesprochen. Das war das Ergebnis eines vorhergehenden Urteils vorm Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2014, bis zu dem sich der Eigentümer durchgeklagt hatte. Damals hatte das Gericht entschieden, dass die bisherige Grenzziehung des Vogelschutzgebietes falsch sei und der Bebauungsplan damit nichtig.

Durch das gestrige Urteil des Oberverwaltungsgerichtes würde nun ein neuerlicher Vorstoß der Gemeinde möglich gemacht, die Umgehungsstraße zu legitimieren, befürchtet der Anwalt des Eigentümers, Ralf Pohlmann. Er geht davon aus, dass sein Mandant gegen das Urteil Revision einlegen wird. Auch eine parallele Klage gegen den aktuellen Bebauungsplan sei angedacht, „um die Legitimation der Straße anzugreifen“. Dabei geht es auch um die Höhe der Entschädigung, die dem Grundstückseigentümer zustehe. Die Angebote, die bisher von der Gemeinde gemacht wurden, seien „unterirdisch“, so Pohlmann.

„Für den Bau der Straße wurde das Habitat der Rohrsänger auf mehr als einem Kilometer vernichtet“

Manfred Knake, Wattenrat

Indes hofft Ralf Klöker, Pressesprecher des Landkreises Wittmund, mit dem neuen Landschaftsschutzgebiet nun den Fehler „zu heilen“, der im ersten Verfahren gemacht wurde, ihm sei „ein Stein vom Herzen gefallen“. Das Problem: Die 2,1 Kilometer lange Straße ist schon da. Sie kann nur noch nachträglich legitimiert werden, mit dem nunmehr siebten Bebauungsplan. Oder sie muss weg.

Mit der gestrigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist aber immer noch nicht geklärt, welche Partei nun Recht bekommt und ob die Straße bestehen bleibt. Das Gericht entschied ausschließlich über das Schutzgebiet und kam zu dem Schluss: Der „ornithologische Wert“ des Gebiets sei zwar gemindert, müsse aber weiterhin unter Naturschutz gestellt werden.

Selbst wenn noch erfolgreich gegen den Bebauungsplan geklagt würde, das Schutzgebiet würde bestehen bleiben.

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