Kommentar Vorgeburtliche Bluttests: Downsyndrom ist keine Krankheit

Die Kostenübernahme von Bluttests wäre ein fragwürdiges Signal. Nicht die Beeinträchtigung ist das Problem, sondern fehlende Inklusion.

Eine Frau, Natalie Dedreux

Aktivistin Natalie Dedreux nimmt an der Berliner Demo im Vorfeld der Bundestagsdebatte teil Foto: dpa

Frauen müssen das Recht haben, über ihre Körper selbst zu entscheiden. Sie brauchen freien Zugang zu Verhütungsmitteln, Informationen und ÄrztInnen. Die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs sollte in einer emanzipierten Gesellschaft Menschenrecht sein und damit zur legalen medizinischen Grundversorgung gehören. Ist ein Mensch mit Uterus schwanger, ist es allerdings nicht Aufgabe des Staates, die Entscheidung zu beeinflussen, ob die Schwangerschaft ausgetragen werden sollte – sondern die Entscheidung bestmöglich zu unterstützen, wie auch immer sie ausfällt.

Dazu zählt in einem ersten Schritt das klare Signal, dass jede Schwangerschaft willkommen ist. Das gilt für Frauen, die einen Fötus ohne Auffälligkeit austragen, genauso wie für diejenigen, bei deren Föten etwa mit vorgeburtlichen Bluttests eine Auffälligkeit wie Downsyndrom diagnostiziert wird. Der Bundestag hat heute darüber debattiert, ob entsprechende Tests für bestimmte Schwangere Kassenleistung werden sollten. Doch das wäre ein fragwürdiges Signal.

Downsyndrom ist keine Krankheit, sondern eine Normabweichung. Doch in einer leistungsorientierten Gesellschaft ist für Ausnahmen von der Regel wenig Platz. Kinder mit Beeinträchtigung werden strukturell diskriminiert, weshalb auch ihre Eltern oft kämpfen müssen. Kitas und Schulen sind längst nicht inklusiv, genauso wenig wie der Arbeitsmarkt. Ein Leben mit Beeinträchtigung ist oft deshalb schwer, weil die Rahmenbedingungen schwer sind. Dass die Frage überhaupt gestellt wird, ob man eine Schwangerschaft austrägt, an deren Ende die Geburt eines Kindes mit Downsyndrom steht, ist Ausdruck dieser Probleme.

Die Tests sind bezahlbar. Wenn eine Frau in Folge ihre Schwangerschaft abbricht, sollten ihr keine Vorhaltungen gemacht werden. Doch die Politik sollte den Test nicht als selbstverständlich hinstellen. Das Recht von Frauen auf die Entscheidung über ihre Körper und die gesellschaftliche Akzeptanz für Menschen mit Behinderung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es braucht beides.

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war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erscheint mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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