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Kolumne Geht's noch?Dann doch lieber ins Büro

Markus Kowalski
Kolumne
von Markus Kowalski

Die SPD will ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice durchsetzen. Klingt toll. Doch das Zuhausebleiben verleitet.

Wer nebenbei Privates erledigen kann, muss Berufliches verschieben Foto: Gene Bautista/Unsplash

E s klingt so schön romantisch: Einen Arbeitstag in der Woche nicht frühmorgens aus dem Haus müssen und ins Büro rennen. Sich stattdessen gleich nach dem Frühstück an den Schreibtisch setzen, noch im Schlafanzug, und ungestört arbeiten. Zwischendurch die Waschmaschine anmachen und anderen Privatkram erledigen. Das verspricht das Homeoffice.

Die SPD will, dass alle in den Genuss des häuslichen Arbeitens kommen. Laut eines Strategiepapiers will die Partei das „Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich verankern“. Das berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Donnerstag. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen so „von den digitalen Vorteilen profitieren können.“ Bis zu 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland könnten theoretisch per Internet von zu Hause aus arbeiten, schätzt die SPD. Aber nur 12 Prozent bekämen bislang ihren Wunsch nach flexibler Arbeit vom Arbeitgeber erfüllt.

Doch eine kürzlich vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Studie zeigt die problematische Seite des Zuhausearbeitens: Nur 44 Prozent der Befragten mit einem Bürojob bekamen von ihrem Arbeitgeber ein Laptop gestellt, nur 25 Prozent ein Smartphone und 14 Prozent Kollaborationstools zum gemeinsam Arbeiten. Wer im Home­office bleiben will, muss meist die eigenen Geräte nutzen. Die dienstlichen E-Mails erscheinen dann direkt neben den WhatsApp-Nachrichten der Eltern und Kinder. Man sollte sich das also gut überlegen: Ein „Recht auf Home­office“ kann nur funktionieren, wenn damit ein Recht auf ein Diensthandy verbunden ist.

Noch schlimmer: Der Vorteil des Homeoffice ist zugleich sein größter Nachteil. Wer nebenbei Privates erledigen kann, muss Berufliches verschieben. Zwischendurch in der Wohnung staubsaugen, zum Geburtstagskaffee bei Oma gehen oder die Kinder von der Kita abholen können ist toll. Man kann das eigene Leben besser mit dem Beruf vereinbaren.

Aber das minimiert ja nicht die Arbeitsbelastung. Eher führt es dazu, dass man vor dem Schlafengehen noch einmal die Dienstmails liest. Und wer will schon die Nachricht des Chefs mit ins Bett nehmen? So verschwinden die Ruhephasen, das Arbeiten wird ­entgrenzt. Home­office heißt schlimmstenfalls, pausenlos verfügbar sein und nie abschalten können. Wenn die Wohnung zum Büro wird, dann wartet der Schreibtisch nur darauf, dass man ­arbeitet.

Dann doch lieber morgens ins Büro pendeln und abends nichts tun.

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Markus Kowalski
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Ich berichte über Politik, insbesondere LGBTI, Menschenrechte, soziale Bewegungen. Gern auch investigativ.
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12 Kommentare

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  • das es auch menschen gibt, deren arbeit nicht aus sitzen und displayglotzen besteht, kommt im modernen arbeits-narrativ nicht vor...

  • Ich hab Mittwochs immer Homeoffice Tag. Ist Anfangs tatsächlich schwer, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran und das mit der Selbstdisziplin fällt leichter.

  • Der Artikel offenbart eine sehr altmodische und klischeehafte Vorstellung vom Home Office. Wenn man einen Tag pro Woche zu Hause arbeiten kann, kann das sehr effektiv sein. Dafür braucht man übrigens kein Dienst-Handy, sondern einen Dienst-Laptop, der so konfiguriert ist, dass man sich sicher ins Firmennetz einloggen kann. Effektiv ist das Ganze, wenn man sich in Ruhe auf seine Aufgaben konzentrieren kann ohne ständig von ChefIn und KollegInnen abgelenkt zu werden. Und man kann den Arbeitstag genauso beenden wie im Büro: Laptop aus und dienstliche Anrufe nicht mehr annehmen. Nicht zuletzt spart man sich das Pendeln zur Arbeit an einem Tag in der Woche. Wer aber meint, am Telearbeitstag Oma besuchen und Einkäufe erledigen zu müssen, sollte wirklich besser ins Büro kommen. Das sind aber Ausnahmefälle.

    • @Haggi:

      der artikel und die kommentare hier offenbaren eine extrem eingeschraenkte sicht auf „arbeit“. wenn sie das naechste mal total effektiv im heimbuero rumsitzen, koennen sie sich ja mal ausdenken, wie zb eine altenpflegerin home office machen kann.

      • @rughetta:

        Danke für die Anregung, auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen. ;-) Ich glaube, jedem hier ist klar, dass sich das Home Office nur für bestimmte Berufe eignet.

      • 9G
        96204 (Profil gelöscht)
        @rughetta:

        Im Text steht ja, dass es für 40% der Menschen möglich ist. Aberich bin auch für ein Grundeinkommen für alle, damit alle Berufe entlastet werden.

  • 9G
    91690 (Profil gelöscht)

    Je grösser das Stimmloch in den Umfragen der SPD ... desto verzweifelter die Versuche Themen zu besiedeln die Stimmen versprechen.. am Ende werden in dem Gemengsel umlagefinanzierter Wohltaten für die eigene Klientel die wirklich sozialen Dinge untergehen weil man für Mist Geld verplempert hat .. dazu mischen sich aus dem off der abgewrackte Bundeskanzler Schröder und Herr Gabriel zu egal welchem Thema kontraproduktiv ein .. um es total zu verbocken fehlt nur noch dass Wolfgang Bosbach in die SPD eintritt und jede Talkshow zusalbadert.... Wo ist die echte Sozialdemokratie hin, die Machbares mit Finanzierbarem zu echtem sozialem Gewinn für die Menschen verknüpft ohne sich zu produzieren

  • Das "Recht" ist in industriellen Anlagen überhaupt nicht durchsetzbar.



    Ich bin mir unsicher, ob die SPD Deutschland überhaupt noch als Industrieland haben möchte oder ihre ehemaligen Kernwähler vollends zu vergraueln gedenkt.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    der größte nachteil am homeoffice ist es, im alltag keinen kontakt zu kollegen zu haben.



    man müsste dies mit regelmäßigen treffen kompensieren - auch wenn diese keinen weiteren anlass als den austausch mit kollegen haben. die treffen können auch als videokonferenz, gelegentlich kombiniert mit realen meetings laufen - hauptsache alltäglich.



    für die homeoffice-hygiene gibt es lösungen für jede persönliche situation, angefangen vom arbeitszimmer bis hin zum reinen dienstrechner, der zum feierabend ausgeschaltet wird. man muss das problem nur kennen - um dann eine lösung zu finden.

  • Zu bedenken wäre dann noch, daß so etwas nichts anderes ist, als dem Arbeitgeber auch noch Geld zu geben anstatt welches zu erhalten. Denn wenn die Wohung auf solche Weise zum Büro des Unternehmens wird und der Arbeitnehmer die Miete dafür aus eigener Tasche bezahlt, dann ist dieser Umstand erfüllt.

  • Oder sich selbstständig machen.

  • Bei uns hat jeder Homeoffice bei dem keine Präsenz notwendig ist. Die meisten finden es allerdings scheiße und kommen freiwillig ins Büro.



    Hauptgrund: Daheim arbeitet man viel mehr und man bekommt nix mehr mit.