Vereitelte Abschiebung in Nürnberg: Urteil im Fall Asif N.

MitschülerInnen des Afghanen hatten 2017 versucht, dessen Abschiebung zu verhindern. N. muss nun gemeinnützige Arbeit ableisten.

Polizisten beugen sich über auf dem Schulhof sitzende, schreiende Schüler

Sitzblockade gegen Abschiebung: MitschülerInnen solidarisierten sich damals mit Asif N. Foto: dpa

NÜRNBERG taz | Am Ende ging es dann doch ganz schnell. Nach anderthalb Jahren Wartezeit dauerte der Prozess gegen Asif N. wenig mehr als fünf Stunden. Das Urteil: Der 22-Jährige muss 100 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.

Der aus Afghanistan Geflüchtete ist nach Angaben eines Gerichtssprechers von einer Jugendrichterin am Amtsgericht Nürnberg wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Sachbeschädigung und unerlaubten Aufenthalts ohne Pass für schuldig befunden worden. Die Staatsanwaltschaft hatte zusätzlich zwei Wochen Dauerarrest gefordert. Dem kam die Richterin nicht nach. Die Tat liege schon zu lange zurück.

Der Fall von Asif N. hatte am 31. Mai 2017 für großes Aufsehen gesorgt. Grund war ein Polizeieinsatz, der vor einer Nürnberger Berufsschule eskaliert war. Beamte hatten versucht, Asif N. aus der Schule heraus abzuschieben. Als Mitschüler das mitbekamen, solidarisierten sie sich mit Asif N. und behinderten die Polizeifahrzeuge mit einer Sitzblockade. Wenig später rückten Spezialkräfte an und gingen gegen die Demonstranten vor.

Videos von dem Einsatz zeigen, wie Polizisten Demonstranten an den Armen über eine Wiese ziehen, sie auf den Boden drücken, auf ihnen knien, mit Schlagstöcken ausholen. Nach Auffassung der Richterin lief der Einsatz jedoch rechtmäßig ab.

Asif N. stammt aus einer Provinz südlich von Kabul

Asif N. selbst hatte sich bei dem Abschiebeversuch zunächst kooperativ gezeigt, dann aber massiv gewehrt, als er von einem Auto zu einem anderen verbracht werden sollte. Die Polizisten schleiften ihn schließlich dorthin. Dass er an diesem Tag nicht nach Kabul flog, lag allein daran, dass dort nahe der deutschen Botschaft eine Bombe mehr als 150 Menschen tötete. Der Flug wurde storniert, Abschiebungen nach Afghanistan wurden vorübergehend eingestellt.

Asif N. stammt aus der Provinz Ghazni, südlich von Kabul. Er gehört der Minderheit der schiitischen Hazara an, die von den Taliban bedroht werden. Vor ihnen floh er – erst in den Iran, 2012 schließlich nach Deutschland. Ein neuer Asylantrag nach der gescheiterten Abschiebung wurde im November abgelehnt. Asif N.s Anwalt klagte gegen die Entscheidung.

Holocaust-Überlebende schrieben offenen Brief

Bayern steht an der Spitze, was die Zahl der Abschiebungen nach Afghanistan angeht – trotz der dortigen Sicherheitslage und vielfacher Kritik. Am Montag erst haben sich Holocaust-Überlebende und Nachfahren von NS-Verfolgten in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gewandt und ein Ende der Abschiebungen gefordert – darunter auch der Theresienstadt-Überlebende und Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, Ernst Grube, und Esther Bejarano, die als Mitglied des dortigen Mädchen-Orchesters Auschwitz überlebte“ oder einfach nur „Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano.

„Niemand will Auschwitz und Afghanistan gleichsetzen“, schreiben sie in dem Brief. „Aber wie kann man den Vorgang bezeichnen, wenn der Staat unschuldige Menschen aus ihrem Leben, aus unserer Mitte reißt und in eine ungewisse Zukunft in einem gefährlichen Land schickt? Wir nennen es Deportation.“

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