Abtreibungsgegner*innen von Pro Femina: „Sicher wollen Sie keine Abtreibung“
„Buzzfeed“ berichtet, dass Pro Femina Schwangere manipuliert und drängt, das Kind zu behalten. Der Verein weist sämtliche Vorwürfe von sich.
Der Name birgt Verwechslungsgefahr: Wie Pro Familia berät auch Pro Femina Schwangere, die noch nicht wissen, ob sie abtreiben lassen wollen oder nicht. Anders als die staatlich anerkannte Beratungsstelle Pro Familia hat der Verein Pro Femina dabei jedoch eine ganz eigene und einseitige Agenda, wie das Nachrichtenportal Buzzfeed recherchiert hat. Demnach verbergen sich hinter den Beraterinnen Lebensschützer*innen, die keineswegs ergebnisoffen beraten. Laut dem Buzzfeed-Artikel manipulieren die Abtreibungsgegner*innen Frauen gar.
Eine Buzzfeed-Reporterin nahm für die Recherche verdeckt an zwei Erstgesprächen mit unterschiedlichen Mitarbeiterinnen des Vereins teil, wie das Portal berichtete. Beide Male erhielt sie demnach trotz mehrfacher Nachfragen keine sachlichen Informationen über Abtreibungen.
Im Gegenteil: Die Beraterinnen hätten sie dazu gedrängt, das (angebliche) Kind zu bekommen, etwa mit Sätzen wie „Trotzdem ist es ja sicher so, dass Sie keine Abtreibung wollen“. Die Beraterinnen boten gar monatliche finanzielle Zuwendungen an, sollte sie sich für das Kind entscheiden, heißt es.
Verein weist Vorwürfe von sich
Die Beobachtungen der Reporterin decken sich mit Aussagen von Mitarbeiter*innen anderer Beratungsstellen wie Pro Familia, berichtete Buzzfeed. Auch diese sprachen demnach von „Manipulation“ und erzählten von eigenen Klient*innen, die ähnlich negative Erfahrungen wie die Buzzfeed-Journalistin gemacht hätten.
Diese erhielt noch Wochen nach der Beratung ungefragt Nachrichten von den „Lebensschützer*innen“, berichtete das Portal. „Vergessen Sie nicht: In den Schwierigkeiten liegt immer auch eine Möglichkeit. Vertrauen Sie auf Ihre Stärken, die wir in dem Gespräch so deutlich spüren konnten, und haben Sie den Mut, den Blick in alle Richtungen zu öffnen“, schreiben die Abtreibungsgegner*innen demnach in einer Email.
Alle Richtungen? So klingt es auch auf der Webseite von Pro Femina: Dort werden scheinbar offene Fragen aufgeworfen wie „Ist eine Abtreibung für mich die richtige Lösung?“. Zudem heißt es, die Beraterinnen wollten dabei helfen, eine Entscheidung „auf der Grundlage sachlicher Information“ zu treffen.
Auf taz-Anfrage weist der Verein die bei Buzzfeed formulierten Vorwürfe von sich. Der Vorsitzende Kristijan Aufiero widersprach der Darstellung, die Gespräche würden dezidiert nicht ergebnisoffen geführt. Auch dass Frauen nach der Beratung ungefragt Emails erhielten, wies er zurück.
Intransparenz bei Pro Femina
Der Verein biete Schwangeren zudem normalerweise kein Geld an, schreibt er. Aufiero räumte aber ein: „Richtig ist, dass wir umfangreiche, subsidiäre finanzielle Hilfe immer dann leisten, wenn eine Schwangere eine finanzielle Not als Hauptursache für ihren Schwangerschaftskonflikt benennt.“
Eine einseitige Haltung zum Thema Abtreibungen von Pro Femina wäre nicht illegal – auch einige katholische Beratungsstellen machen keinen Hehl daraus, dass sie Abtreibungen für moralisch verwerflich halten und stellen daher etwa keinen Beratungsschein aus, den Frauen vor einer Abtreibung benötigen. Das Problem ist aber: Staatlich anerkannte Stellen müssen sich dennoch an gesetzliche Standards halten, wie etwa ergebnisoffene Beratungsgespräche.
Dem Buzzfeed-Bericht zufolge geht Pro Femina jedoch nicht transparent damit um, dass es sich eben nicht um eine staatliche Stelle handelt. Aufiero gibt gegenüber der taz an: „Ich sage dazu, dass über 99 Prozent der Frauen, die von uns beraten werden, schriftlich oder telefonisch beraten werden – ein sehr großer Teil dieser Frauen hat die ‚staatliche Beratung‘ bereits hinter sich.“ Zudem kündigt er an, der Verein werde „so bald wie möglich“ eine Stellungnahme zu der Buzzfeed-Recherche veröffentlichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch