Einigung im Koalitionsstreit um Maaßen: Regelmäßige Treffen angekündigt

Die SPD ist zufrieden mit der Einigung zu Maaßens Posten. Die Kanzlerin räumt Fehler ein – die Korrektur sei richtig. Die Opposition kritisiert den Kompromiss.

Merkel, Seehofer und Nahles in einer Reihe

Bekommt Rückhalt aus den eigenen Reihen: SPD-Chefin Andrea Nahles (3. v. l.) Foto: dpa

BERLIN rtr | Nach der Einigung im Koalitionsstreit über die Zukunft von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen mahnen Union und SPD sich selbst, nur zur Sacharbeit zurückzukehren. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kündigte am Montag an, es werde nun regelmäßig Treffen des Koalitionsausschusses geben, um die wichtigen Themen voranzubringen. Bereits am 1. Oktober werde es dabei um die Diesel-Problematik gehen.

Aus der SPD-Führung gab es Rückhalt für Parteichefin Andrea Nahles. „Ich glaube, dass Andrea Nahles Stärke gezeigt hat, indem sie einen Fehler eingeräumt hat“, sagte ihr Stellvertreter Ralf Stegner vor Beratungen des Parteivorstandes. Kritiker der großen Koalition in der SPD ließen zunächst offen, ob sie die neue Einigung mittragen. Das Vertrauen der Bürger in die Politik ist durch den Fall Maaßen weiter zurückgegangen.

Die drei Parteivorsitzenden Merkel, Nahles und Horst Seehofer (CSU) vereinbarten am Sonntagabend bei einem dritten Krisentreffen binnen zehn Tagen, dass Maaßen – wie von der SPD gefordert – den Posten als oberster Verfassungsschützer räumt. Er soll nun Sonderberater im Bundesinnenministerium von Seehofer werden. Maaßen wird damit weder befördert noch erhält er mehr Geld. Am Dienstag hatten die Parteispitzen noch seine Beförderung beschlossen. Dies Verständigung hatte Nahles nach heftiger Kritik aus der eigenen Partei am Freitag aufgekündigt.

Sie bedauere die Entscheidung vom Dienstag, sagte Merkel in einer kurzfristig angesetzten Stellungnahme in der CDU-Zentrale. Die am Sonntagabend vereinbarte Korrektur sei richtig und den Menschen vermittelbar. Ein Jahr nach der Bundestagswahl sei es wichtig, die Probleme der Menschen zu lösen. SPD-Chefin Nahles hatte bereits am Sonntagabend erklärt, es gelte nun, die gesetzliche Rente zu stabilisieren, für bezahlbare Wohnungen zu sorgen, gute Kitas auszubauen und den Schutz der Arbeitslosenversicherung zu verbessern.

„Kein Ruhmesblatt für die Koalition“

Die Bürger trauen der Koalition aber mehrheitlich nicht zu, die Probleme lösen zu können. Laut einer Forsa-Umfrage für RTL und n-tv sieht nur noch eine Minderheit von 24 Prozent der Befragten Union und SPD in der Lage mit den Problemen in Deutschland fertig zu werden. Die Mehrheit von 61 Prozent rechne keiner Partei mehr politische Kompetenz zu.

„Das letzte halbe Jahr war kein Ruhmesblatt für die Koalition“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, vor Beratungen der SPD-Spitze. „Wir laufen jetzt auf Bewährung.“ Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann sagte im Deutschlandfunk: „Wenn die große Koalition, auch die Bundesregierung, (…) keinen neuen Arbeitsmodus findet, wird diese Koalition nicht drei Jahre halten.“ Aus der CDU wurde auch Merkel kritisiert. „Das Verhalten aller drei Parteivorsitzenden war nicht gut“, sagte Junge-Union-Chef Paul Ziemiak.

In Berlin berieten am Vormittag SPD-Präsidium und -Vorstand über die Einigung. Aus den Reihen der Gegner der großen Koalition hatte es Forderungen gegeben, das Regierungsbündnis notfalls aufzukündigen. Ihr Wortführer, SPD-Nachwuchschef Kevin Kühnert, äußerte sich zunächst nicht öffentlich. Er hatte es als „Akt der Stärke“ bewertet, dass Nahles am Freitag von Merkel und Seehofer neue Gespräche über Maaßens Zukunft gefordert hatte. Der Abendzeitung sagte er aber auch: „Eine Lösung, bei der Maaßen in einem öffentlichen Amt verbleibt, ist keine Lösung.“

Aus der SPD-Führungsriege gab es jedoch Zustimmung zu der Einigung und Rückhalt für Nahles. Schneider räumte ein, dass seine Partei gelitten habe: „Die SPD hat auch Schaden genommen, gar keine Frage.“ Die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, wie auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil begrüßten die Einigung. Diese „unselige Geschichte“ sei „zu einem guten Ergebnis gebracht worden“, sagte Weil.

Auch die bayerische Landesvorsitzende Natascha Kohnen, die von Nahles mit einem öffentlichen Brief eine Korrektur des ersten Kompromisses gefordert hatte, zeigte sich zufrieden. „Das Thema muss weg“, sagte Kohnen vor Beratungen der SPD-Spitze. Es tue der Politik insgesamt gut, wenn Fehler korrigiert würden.

Die Opposition kritisiert den neuen Kompromiss

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil sagte in den ARD-Tagesthemen, er sei froh, „dass diese unselige Geschichte zu einem guten Ergebnis gebracht worden ist“. Die vergangenen Wochen hätten viel „Schaden angerichtet“. Die Koalition sei in „keinem guten Zustand, das liegt klar auf der Hand“. Sie habe über die Krisen hinweg bei der Bevölkerung „viel Vertrauen verloren“. Entschiedene Gegner der großen Koalition wie etwa der SPD-Nachwuchschef Kevin Kühnert meldeten sich zunächst allerdings nicht zu Wort.

Stegner kritisierte CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Was Seehofers Rolle als permanenter Störenfried betrifft, werden wohl die bayerischen Landtagswahlen Klarheit bringen.“ Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD hatten am Sonntagabend ihre Entscheidung vom Dienstagabend revidiert, Maaßen zwar abzulösen, ihn gleichzeitig aber zum Staatssekretär im Innenministerium zu befördern. Daran hatte sich scharfer Protest aus der SPD entzündet, da Nahles dies mitgetragen hatte. Maaßen wechselt nun ohne Beförderung und ohne Gehaltssteigerung als Sonderbeauftragter ins Innenministerium.

„Meine Erwartung ist, dass sich alle Koalitionspartner nun darauf konzentrieren, den Koalitionsvertrag umzusetzen“, schrieb Nahles am Abend in einem Reuters vorliegenden Brief an die Mitglieder. „Die SPD wird dabei vorangehen.“ Am Montag muss sich Nahles jedoch zunächst dem Parteivorstand und später in einer Sondersitzung der Bundestagsfraktion stellen.

Die Opposition hat den neuen Kompromiss im Koalitionsstreit zur Zukunft von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen kritisiert. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem „peinlichen Schmierentheater“ mit dem Union und SPD viel Glaubwürdigkeit und Vertrauen verspielt hätten. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hole „einen AfD-Berater in die Regierung“, sagte Hofreiter den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Montag mit Blick auf Maaßens umstrittene Gespräche mit AfD-Vertretern. Das lasse nichts Gutes für die Europa-Politik erwarten.

FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf Twitter, für Maaßen werde der Posten eines Frühstücksdirektors geschaffen. Das offenbare den Charakter der großen Koalition: „Abgekoppelt von realen Problemlösungen geht es nur noch um Gesichtswahrung und Beschwichtigung.“ Linken-Chef Bernd Riexinger sprach von Postengeschacher.

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