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Ein Vorgeschmack auf erwartete Großproteste

Im Hambacher Wald räumt die Polizei Barrikaden und untersucht mögliche Sprengkörper. Bei der Rodung für den Braunkohle-Tagebau wird mit massivem Widerstand gerechnet

Von Martin Kaul und Anett Selle

Es war ein erster Ausblick auf das, was in den nächsten Wochen kommen könnte: Am Sonntag haben starke Polizeikräfte den Hambacher Wald westlich von Köln teilweise abgesperrt. Grund waren drei verdächtige Gegenstände, bei denen es sich nach Angaben der Polizei möglicherweise um Sprengvorrichtungen handelte. Eine stellte sich bereits als Attrappe heraus, bei zwei weiteren dauerte die Untersuchung durch Sprengstoffexperten bei Redaktionsschluss noch an.

Bereits am Freitag waren mehrere Hundert PolizistInnen mit Räumpanzern in den Wald gekommen, um Barrikaden von Zufahrtswegen zu entfernen und Löcher zu verfüllen. BesetzerInnen hat zwei Fahrzeugen in den Wald gebracht, eines in einem Loch mit Beton fixiert, ein anderes durch das Anschließen von Personen zu einer besetzten Barrikade umfunktionierte. Bis zum Abend wurden beide geräumt. Die Polizei berichtete, dass sie am Freitagabend und am Samstag mehrmals mit Steinen und Zwillen angegriffen wurden. Am Samstag seien auch Molotowcocktails geworfen worden. Eine Aktivistin wurde festgenommen, drei Polizisten verletzt. Polizeipräsident Dirk Weinspach zeigte sich angesichts der Gewalt „erschüttert und empört“.

Teile des Hambacher Waldes zwischen Aachen und Köln sind seit 2012 mit Baumhausdörfern, Hütten und Barrikaden besetzt. So soll der Energiekonzern RWE davon abgehalten werden, den Rest des Waldes für den Braunkohletagebau Hambach zu roden. Von ursprünglich über 40 Quadratkilometern Wald sind heute noch knapp 8 übrig. Weil RWE angekündigt hat, ab dem 1. Oktober wieder zu roden, bereiten sich Umweltschützer auf große Protesten in den kommenden Wochen vor.

Sie wollen die politischen Kosten massiv in die Höhe treiben – ähnlich wie bei den Castorprotesten im Wendland, zu denen in der Vergangenheit häufig Tausende Menschen aus ganz Deutschland anreisten. Von solch einem „Castor-Moment“ ist derzeit auch in vielen aktivistischen Gruppen und umweltpolitischen Organisationen die Rede. Vorbereitungen laufen sowohl bei radikalen Umweltschützern als auch bei bürgerlichen Gruppen und in Kampagnenorganisationen.

Die Waldbesetzer aus dem Hambacher Wald rufen bereits seit einigen Wochen dazu auf, sich für den Fall einer Räumung bereit zu halten. In zahlreichen sogenannten Klimacamps kamen zuletzt AktivistInnen zusammen, um sich auf den vor­aussichtlich massiven Polizeieinsatz vorzubereiten, der nötig wäre, um die Wald- und Rodungsarbeiten von RWE abzuschirmen. Bereits in der Vergangenheit waren solche Maßnahmen häufig mit teils radikalen Mitteln von Waldbesetzern abgewehrt oder attackiert worden – wie etwa mit der Platzierung von Bombenattrappen. Auch für die kommenden Wochen ist mit zahlreichen komplexen Barrikaden und teilweise auch Fallen im Wald zu rechnen, die eine komplette Räumung als schwierig erscheinen lassen.

Unmittelbar vor Beginn der Rodungssaison planen die Waldbesetzer vom 21. bis zum 30. September ein sogenanntes Skill­share-Camp im Hambacher Wald, bei dem Fähigkeiten des zivilen Ungehorsams, etwa Sitzblockaden, trainiert werden sollen. Das Camp fällt in die Zeit, in der die Polizei den Wald für mögliche Mulch­arbeiten räumen könnte. Das sind Vorbereitungsarbeiten, um anschließend roden zu können.

Bei vielen Aktiven ist von einem „Castor-Moment“ die Rede, wenn es um die Räumung geht

Widerstand gegen die Rodungspläne regt sich allerdings auch in bürgerlichen Gruppen aus der Region. So gibt es – neben vielen Kohlebefürwortern – auch zahlreiche Kohlegegner in den umliegenden Gemeinden, die sich dem Protest anschließen wollen. Zahlreiche Ortschaften rund um den Tagebau wurden in den letzten Jahren zwangsweise entvölkert und umgesiedelt, um anschließend für den Tagebau abgebaggert zu werden. Der Protest in der Region reicht also von Umwelt- und Nachbarschaftsinitiativen bis hinein in Kirchengruppen.

Im Rahmen einer sogenannten Aktion Unterholz sollen kurz nach Beginn der polizeilichen Räumung dann etwa mit Straßen- und Sitzblockaden der Polizeieinsatz erschwert und ein Rodungsstopp erreicht werden. Parallel dazu bereiten sich zahlreiche Gruppen aus Deutschland auf eine Anreise für Ende September und Anfang Oktober vor. Sowohl das Klimabündnis „Ende Gelände“, das in der Vergangenheit immer wieder mit massenhaften Tagebaubesetzungen im Rheinland und in der Lausitz für Schlagzeilen sorgte, als auch Kampagnenriesen wie Campact, Greenpeace und der BUND stimmen sich derzeit ab, für wann genau sie ihre Anhänger in die Lausitz rufen.

Nach aktuellem Stand ist damit zu rechnen, dass es ab Mitte September zu großen Protesten kommen und am letzten September- oder ersten Oktoberwochenende mehrere Tausend Menschen zum Hambacher Forst strömen könnten. Den Startschuss dafür gibt allerdings erst die Polizei – im Falle einer Räumung.

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