piwik no script img

US-Urteil gegen MonsantoEin kleiner Trost

Die Bayer-Tochter muss einem 46-jährigen US-Bürger 250 Millionen Euro Schadensersatz zahlen. Monsanto habe unzureichend vor den Risiken ihres Produktes gewarnt.

Dewayne Johnson hat Lymphdrüsenkrebs – und verklagte Monsanto Foto: dpa

BERLIN dpa/taz | Für Dewayne Johnson und seine Familie ist das Urteil der Geschworenen ein kleiner Trost. Rund 250 Millionen Euro muss ihm die Bayer-Tochter Monsanto zahlen, weil sie den 46-Jährigen nicht vor möglichen gesundheitlichen Risiken beim Einsatz des glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittels Roundup gewarnt hatte. Das Mittel habe „wesentlich zu seiner Krebskrankheit beigetragen“.

Johnson, der seit sechs Jahren an mehreren kalifornischen Schulen als Hausmeister tätig war, leidet an unheilbarem Lymphdrüsenkrebs. Der von seiner Krankheit gezeichnete Mann reagierte gerührt und erleichtert auf die Urteilsverkündung. Hier ginge es nicht nur um ihn, kommentierte er. „Diese Sache wird nun hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient.“

Die Geschworenenjury des zuständigen Gerichts in San Francisco entschied, dass das Unternehmen Johnson nicht ausreichend vor den Risiken seines Produkts gewarnt hatte. Bayer zeigte in einer ersten Reaktion kein Verständnis für das Urteil.

Die Jury folgte weitgehend der Argumentation von Johnsons Anwälten, die dem Saatguthersteller vorwarfen, die Gefahren des Unkrautvernichtungsmittels verschwiegen zu haben. Monsanto kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Das Unternehmen ist mit Tausenden ähnlichen US-Klagen konfrontiert. Es weist einen Zusammenhang zwischen Krebs und seinen Produkten zurück.

Monsanto streitet Verbindung zwischen Krebs und seinen Produkten ab

In der Stellungnahme heißt es zwar, Monsanto habe „Mitgefühl mit Herrn Johnson und seiner Familie“. Die heutige Entscheidung ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass mehr als 800 wissenschaftliche Studien und Bewertungen den Befund unterstützten, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Man werde das Produkt, welches „seit 40 Jahren sicher in Gebrauch“ sei, auch in Zukunft nachdrücklich verteidigen.

Auch die neue Monsanto-Mutter Bayer verwies auf Einschätzungen von Regulierungsbehörden weltweit sowie die jahrzehntelange praktische Erfahrung mit dem Wirkstoff. Der Konzern sei überzeugt, dass Glyphosat „sicher und nicht krebserregend ist“, kommentierte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur gegenüber.

Künast: „Weckruf“

Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast nannte das Urteil einen „Weckruf“. „Wir brauchen jetzt dringend ein umfassendes Anwendungsverbot in Deutschland. Es geht um die Gesundheit von Bauern, Gärtnern und Konsumenten. Und vor allem um die Gesundheit der Kinder“, sagte die Grünen-Politikerin.

Obwohl es sich nur um einen Einzelfall und keine Sammelklage handelte, ist der Prozessausgang für Bayer und Monsanto brisant, da es die erste Gerichtsentscheidung überhaupt ist und wegweisend für die zahlreichen anderen Verfahren sein könnte.

Für das erst vor Kurzem für rund 63 Milliarden Dollar vom DAX-Riesen Bayer übernommene US-Unternehmen ist das Urteil erst der Auftakt – Monsanto steht in den USA vor einer Klagelawine. So machte der US-Richter Vince Chhabria, bei dem Hunderte Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern zu einem Sammelverfahren gebündelt sind, erst im Juli den Weg für einen weiteren Prozess frei. Chhabria betonte zwar, dass die Beweislage vermutlich nicht eindeutig genug sei, um den klaren Schluss zuzulassen, dass Glyphosat Krebs verursache. Dennoch hätten die Kläger die Chance auf einen Prozess verdient.

Tatsächlich ist die Frage, ob Monsantos Verkaufsschlager Roundup zu Krebs führen kann, hoch umstritten. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte den Unkrautvernichter als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen ein.

Die Integration von Monsanto in die Konzernstrukturen von Bayer wird aber für Mitte August erwartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Es ist ja schon krass, dass unterstellt wird, dass etwas krebserrregend sei, nur weil jemand irgendwie an Krebs erkrankt ist. Die USA sind schon ein komischer Rechtstaat.

    • @Ansgar Reb:

      Unsere moderne Medizin arbeitet viel zu unwissenschaftlich, als dass man soclhe Dinge gesichert wüsste.

  • Wenn sich der Bayer-Vorstand diese Risiken im Übernahmevertrag nicht absichern hat lassen, dann wäre das ein klassischer Fall für langjährige Haftsstrafen.

  • Ich meine: BEVOR es ein US-Richter getan hat...

  • Schade, dass dieses Urteil nicht früher gesprochen wurde! Zwischen 1998 und 2005 beispielsweise.

    Erstens würde Dewayne Johnson dann womöglich heute nicht an unheilbarem Lymphdrüsenkrebs leiden, weil er ja informiert gewesen wäre, als er 2012 begonnen hat, als Hausmeister zu arbeiten mit dem Gift. Und zweitens hätten wir in dem Fall sicherlich erfahren, ob die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast gerade nur deswegen von einem „Weckruf“ gesprochen hat, weil sie gerade keinerlei Regierungsverantwortung mehr trägt.

    Dass Roundup vor allem bei unsachgemäßer Handhabung ziemlich gefährlich werden kann, ist jedenfalls nicht neu. Wieso es erst eines US-Urteils im „Wert“ von 250 Millionen Euro bedurft hat, Frau Künast zu mobilisieren, hätte ich gerne von ihr selber erklärt. Auf eine Gefahr, die „wahrscheinlich“ eine ist für „die Gesundheit der Kinder“, sollten verantwortungsbewusste Menschen schließlich auch schon reagieren. Mit sogenannter Vor-Sorge beispielsweise.

    Wenn es verantwortungsbewussten Leute, die vorsorgen, schon bei Monsanto und bei Bayer nicht gibt, dann darf der geneigte Möchtegern-Wähler sie ja wohl wenigstens von „seiner“ Partei bzw. deren „Führungsspitze“ erwarten. Die soll ja schließlich seine Interessen vertreten. Auch und gerade da, wo es um Milliardengewinne geht, bei denen einem Menschen schon mal die (womöglich ohnehin nicht sonderlich ausgeprägte) Moral abhanden kommen kann.

    Aber wer hat eigentlich zuletzt behauptet, dass Politiker Politiker sind, weil sie verantwortungsbewusst handeln (und sich in dem Zusammenhang mit den richtig "Großen" anlegen) wollen?

    • @mowgli:

      Zu ihrer Frage, warum das Urteil nicht eher kam :



      Damals war Monsanto noch eine Amerikanische Firma und jetzt ist es eine Deutsche. Ohne die Übernahme durch Bayer, hätte Herr Johnson wahrscheinlich noch länger vor Gericht streiten müssen, und ob er überhaupt was erreicht hätte.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Wie viele absurde Gerichtsverfahren aus Amerika kennen wir, indem astronomische Entschädigungen zugestanden wurden.



    Wieviele dieser astronomischen Entschädigungen wurden in späteren Verfahren wieder zurückgezogen bzw. zu mindestens erheblich reduziert ... ???

  • Da werden jetzt einige Führungskräfte bei Bayer zischend die Luft einsaugen, ob sie da nicht vielleicht einen faulen Fisch an Land gezogen haben.



    Das könnte auch in Richtung arglistige Täuschung gehen, wenn da jetzt bestätigende Erkenntnisse zutage kommen? Andererseits hat Bayer ja gewusst, das Glyphosat umstritten ist...hoffen wir mal, dass es dumm läuft und denen schwer auf die Füsse fällt.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Mitch Miller:

      Bayer ist ein ebenso fauler Fisch, ein Gammelhai der ziemlich munter die Welt ruiniert.