piwik no script img

„Wir brauchen überall eine Frauenquote“

In Deutschland sind die Vorbehalte gegen Sportjournalistinnen größer, sagt die Italien- und Fußballexpertin Birgit Schönau

Birgit Schönau

52, arbeitet als politische Korrespondentin in Italien für die Zeit und als Sport- und vor allem Fußballreporterin für die Süddeutsche Zeitung.

taz: Was halten Sie von der These, dass Frauen frischen Wind in den Sportjournalismus bringen?

Birgit Schönau: Das ist natürlich wahnsinnig paternalistisch. Also, Frauen, die frischen Wind in den Sportjournalismus bringen? Wir sind im Jahre 2018. Mehr fällt mir dazu eigentlich gar nicht ein.

Haben sich andere Ressorts in den vergangenen Jahren mehr bewegt als der Sport?

Ich finde schon. Es gibt sehr viel mehr Politik- und vor allem auch Wirtschaftsredakteurinnen. Das war ja auch immer eine starke Männerbastion. Früher waren sie nur im Panorama, im Vermischten, noch nicht mal im Feuilleton. Der Sportjournalismus hinkt da wirklich hinterher.

Wie erleben Sie die Reaktionen auf Sportjournalistinnen?

Was jetzt wieder mit Claudia Neumann passiert ist, geht an mir natürlich auch nicht vorbei. Meine Erfahrung ist, dass in Deutschland die Vorbehalte gegenüber Frauen größer sind als in Italien.

Woran machen Sie das fest?

Zum einen daran, dass der Exotenstatus in Deutschland sehr stark betont wird. Es passiert mir noch immer, dass männliche Kollegen aus allen Wolken fallen, wenn sie hören, dass ich mich mit Fußball beschäftige und dann Fragen stellen wie ‚Machen Sie das beruflich oder ist das Ihr Hobby?‘ Solche Fragen habe ich in Italien niemals beantworten müssen.

Zum anderen sieht man am Beispiel der Kollegin Neumann, dass es sich um ein kulturelles Problem handelt. Es geht bei dieser Ablehnung durch das Publikum gar nicht um Fachwissen. Fachwissen im Fußball ist ohnehin eine lächerliche Kategorie. Es geht darum, dass Frauen einen Platz besetzen, der in Deutschland traditionell den Männern vorbehalten ist: Emotionen herauslassen, gemeinsames Freizeitvergnügen haben. Das ist in südlichen Ländern anders: Im alten Rom sind Frauen schon mit Männern zusammen zu Gladiatorenkämpfen gegangen. In Deutschland ist es im Vergleich völlig neu, dass Frauen ins Fußballstadion gehen.

Was muss sich in Deutschland tun?

Man muss Frauen ganz selbstverständlich einsetzen, und sie dürfen auch keine Angst davor haben, von Männern beurteilt zu werden. Ich kenne viele Kolleginnen in Deutschland, die extrem gut vorbereitet sind. Männer sind nie so gut vorbereitet. Fußball ist nun wirklich nicht das große Ding! Man muss eine Geschichte zu dem jeweiligen Spiel finden. Männer, die über Fußball reden, haben auch nicht unbedingt viel Fachwissen. Sie leben von ihren Erinnerungen und wollen Emotionen vermittelt bekommen. Ich glaube, dass die Sportjournalistinnen sich einfach von diesem Komplex, nicht selbst Fußball gespielt zu haben, befreien müssen.

Brauchen wir eine Frauenquote?

Ich finde, wir brauchen überall eine Frauenquote. Ich bin total für Frauenquoten. Interview: Elisabeth Huther, Toyah Kaufmann, Franziska Wülle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen