Kommentar Kostenloser Nahverkehr: Fahrgäste müssen auch zahlen

In Augsburg soll bald jeder gratis die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen dürfen. Eine Alternative zum Auto sind überfüllte Busse aber nicht.

Fahrgäste vor einer Straßenbahn

Guter öffentlicher Nahverkehr muss den Mitfahrenden auch etwas wert sein Foto: dpa

Gratis mit Bus und Bahn? Halt. Stopp! Das ist keine gute Idee, mit der die Stadt Augsburg die Luft in der Stadt verbessern will. Schon richtig, es braucht mehr als nur die hilflosen Appelle von BundesministerInnen an die Autoindustrie. Auf sie lässt sich nicht zählen. Die Leute müssen tatsächlich aussteigen aus ihren Autos, aus deren Auspuff die Abgase dieseln.

Aber das wird nicht passieren, wenn der öffentliche Personennahverkehr jetzt plötzlich umsonst ist. Im Gegenteil. Die Alternative zum Auto würde verlottern, weil die vielen Leute im heutigen System gar nicht mitkämen. Busse wären überfüllt, Sitzplätze zerschlissen, Schlangen an Haltestellen lang. Der Groll wäre sicher, der Spott auch: „Ach, das wollen uns die Politiker als Alternative zum Auto verkaufen – nicht deren Ernst, oder?“

Dafür gibt es ein gutes Beispiel. Als die Bahn Mitte der 1990er Jahre das Schönes-Wochenende-Ticket einführte, mit dem fünf Leute von Samstag bis Sonntag mit Regionalzügen für damals 15 D-Mark kreuz und quer durchs Land reisen konnten, war das ein großer Erfolg. Zu groß. Die Züge an die Ostsee und andernorts: pickepacke voll. Neukunden wie Stammgäste maulten ob der zu wenigen Plätze und der Verspätungen.

Nach und nach verknappte die Bahn das Angebot. Natürlich ging es ihr auch darum, das Geschäft mit den Fernzügen nicht zu kannibalisieren. Für Verkehrsplaner und -politiker zeigt sich aber eins: Wer nur auf den Preis schielt, macht das System von Bussen und Bahnen kaputt.

Dieses hält neuen Mitfahrern nur stand, wenn investiert wird: in mehr Busse, mehr Linien, bessere Taktung. Dafür sollte zum Teil der Steuerzahler aufkommen. Er zahlt auch den Bau von Straßen. Und der Staat könnte dafür etwa die Dieselsubventionen streichen. Man könnte sich auch ein Beispiel an Frankreich nehmen. Dort zahlt jede Firma mit mehr als neun Mitarbeitern eine Nahverkehrsabgabe. Aber auch dem Nutzer darf der Bus teuer, also etwas wert sein. Wie wäre es damit: Preise halbieren, Angebot verdoppeln?

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War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.

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