Busse und Bahnen gratis: Freie Fahrt in fast ganz Estland

In Estland weitet der Staat den kostenlosen Nah­verkehr aus. Deutschland verspricht immerhin Modellstädten 130 Millionen Euro an Zuschüssen.

Menschen steigen in einen Bus ein

Busfahren für umme? In Tallinn kein Problem Foto: dpa

SCHWEDEN taz | Der kostenlose Personennahverkehr in Tallinn war der Anfang. Als die Bevölkerung rundherum in Estland gesehen habe, wie gut in ihrer Hauptstadt die seit Anfang 2013 kostenfreie Benutzung der öffentlichen kommunalen Verkehrsmittel funktioniere, sei der Wunsch gewachsen, das auch bei sich zu haben, sagt Allan Alaküla, der das Projekt für die Stadtverwaltung von Tallinn begleitet. Am Sonntag wurde dieser Wunsch Wirklichkeit: Seit 1. Juli dürfen in ganz Estland die Überlandbusse der staatlich mitfinanzierten Verkehrsträger gratis benutzt werden. In fast ganz Estland: 4 der 15 Landkreise haben sich dem System erst einmal noch nicht angeschlossen. Dort gibt es allerdings meist Discountpreise oder kostenfreien Verkehr für Bevölkerungsgruppen wie Schulkinder oder RentnerInnen.

Treibende Kraft hinter der Regierungsinitiative war Wirtschafts- und Infrastrukturministerin Kadri Simson von der sozialliberalen Zen­trums­par­tei. Ihr Argument: Es müsse etwas dagegen getan werden, dass der Service auf dem flachen Land immer weiter ausgedünnt wird. Der Gratisverkehr werde es vor allem den Empfängern niedriger und mittlerer Einkommen erleichtern, mobiler zu werden und damit auch dem Arbeitsmarkt besser zur Verfügung zu stehen. Da der Erlös aus dem Verkauf der Bus­tickets meist sowieso weniger als ein Drittel der tatsächlichen Kosten ausmache, sei es effektiver, den Busverkehr ganz aus den öffentlichen Kassen zu finanzieren. Das belastet das Staatsbudget jährlich erst einmal mit zusätzlich rund 20 Millionen Euro. Aber laut Alaküla gibt es Berechnungen, dass die öffentliche Hand unter dem Strich sogar ein Plus machen werde. Der Gratisverkehr werde nämlich dazu führen, dass nun mehr Waren und Dienstleistungen konsumiert würden.

Für 2 Euro müssen sich die BürgerInnen einmalig eine Plastikkarte mit ihren persönlichen Daten ausstellen lassen, mit der sie dann von den Fahrscheinautomaten als berechtigt zur kostenlosen Benutzung identifiziert werden. Mit den so gewonnenen Nutzerdaten will man auch Grundlagen für eine bessere Verkehrsplanung gewinnen.

Auch die Pläne für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in fünf deutschen Modellstädten kommen voran. Die Bundesregierung teilte am Freitag mit, sie werde Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen bis 2020 rund 130 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das Geld solle für „modellhafte Verkehrsprojekte eingesetzt werden, die dazu geeignet sind, insbesondere den ÖPNV attraktiver zu machen“, erklärten das Bundesumwelt- und das Bundesverkehrsministerium. (mit afp)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.