Kommentar Antisemitische Übergriffe: Sehen, was Sache ist

Ja, es gibt Antisemitismus, der von Migranten ausgeht. Wir müssen darauf endlich reagieren. Und alle stärken, die dem Hass entgegenstehen.

Minister Heiko Maas pflanzt einen Baum

Klassische Symbolpolitik: Außenminister Maas pflanzt einen Baum in Israel Foto: dpa

Um ein Problem bekämpfen zu können, muss man es zunächst einmal als Problem identifizieren. Lange genug haben Linke und Liberale die Augen davor verschlossen, dass die nach Deutschland eingewanderten Flüchtlinge nicht nur eine Bereicherung für die Gesellschaft in Deutschland darstellen, sondern dass diese eben bisweilen auch Ressentiments in ihre neue Heimat mitbringen, die nicht zu tolerieren sind.

Die Abwehrhaltung gegenüber einer Diskussion über dieses Thema ist zwar verständlich, weil niemand gerne Wasser auf die Mühlen der Rechten gießen will, aber doch falsch. Denn damit bestätigen wir nicht nur diejenigen, die behaupten, die Zivilgesellschaft verkenne das angebliche „Problem“ der Migration. Mit dieser Haltung lassen wir auch noch diejenigen im kalten Regen stehen, die immer häufiger zum Ziel der Attacken werden: Juden.

Gern wird darauf verwiesen, dass der Antisemitismus laut Behördenzahlen in nahezu allen Fällen von Rechtsradikalen ausgeht. Dabei wird übersehen, dass diese Statistik alle nicht aufgeklärten antisemitischen Vorfälle automatisch Neonazis zuordnet. Ja, es gibt einen nicht zu unterschätzenden Antisemitismus, der von Migranten ausgeht. Dies auszusprechen heißt nicht, den Judenhass der Deutschen klein reden zu wollen. Und ob dieser migrantische Antisemitismus zugleich ein islamistischer ist, ist noch lange nicht geklärt – schließlich überbieten sich manche Angehörige christlicher Minderheiten im Nahen Osten mit ihrem Juden- und Israel-Hass gegenüber Teilen der muslimischen Mehrheit.

Nicht nur konservative Politiker, sondern auch manche deutsche Juden fordern, diese Antisemiten müssten mit besonderem Nachdruck verfolgt werden – und zwar mit ihrer Ausweisung aus Deutschland. Es kursiert auch die Vorstellung, die Bundesrepublik möge antisemitischen Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen. Bei Neonazis zieht so eine Methode bekanntlich nicht – Deutsche kann man nicht aus dem Land schaffen. Und auch im Fall von Migranten ist es, bei aller berechtigten Empörung, keine rechtsstaatliche Lösung.

Für antisemitische Äußerungen und Taten steht ein gut ausgebautes Strafrecht zur Verfügung. Es spricht nichts dagegen, dass Richter im einem Fall, der die Grundregeln des Zusammenlebens in Deutschland berührt, auch einmal den Strafrahmen ausschöpfen. Antisemiten mit ihrer Ausweisung zu begegnen, das öffnet dagegen die Tore zu einer Gesinnungsjustiz. Und dies widerspräche ebenfalls grundsätzlichen Regeln unseren Zusammenlebens.

Es spricht nichts dagegen, dass Richter im einem Fall, der die Grundregeln des Zusammenlebens in Deutschland berührt, den Strafrahmen ausschöpfen.

Eins sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden: In der Bundesrepublik gibt es Lehrerinnen und Lehrer, die aktiv antisemitische Sprüche ihrer Schüler zur Sprache bringen. Es gibt Pädagogen und Historiker, die sich durchaus erfolgreich darum bemühen, den Flüchtlingen deutsche, deutsch-jüdische und Israels Geschichte zu erklären. Gedenkstätten haben erste positive Erfahrungen damit gemacht, wie sie den neuen Einwanderern dieses Land und seine Grundlagen erklären. Es kommt darauf an, alle zu stärken, die tagtäglich darum kämpfen, etwas in den Köpfen zu verändern.

Antisemitismus, so heißt es, ist nicht auszurotten. Aber das bedeutet noch lange nicht, den Judenhass auch bei Migranten als unabänderlich hinzunehmen. Dazu braucht es nicht nur engagierte Menschen, sondern auch einiges an Geld. Bundestag – übernehmen Sie!

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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