Kommentar Gipfeltreffen in Korea: Die Kälte atomarer Realpolitik
Das Ende des Kalten Krieges in Korea ist ein hehres Ziel. Aber wenn nukleare Aufrüstung zum Erfolg führt, ist das ein fatales Signal in Richtung Iran.
D er innerkoreanische Gipfel am Grenzort Panmunjom hat viele starke Bilder geliefert, die die Herzen nicht nur vieler Koreaner bewegt haben dürften. Die Führer von Nord- und Südkorea im ernsthaften Zwiegespräch auf einer Parkbank, fast wie Vater und Sohn – dieses Bild wird man so nicht schnell vergessen. Auch den hohen politischen Erwartungen ist die Begegnung zwischen Moon Jae In und Kim Jong Un am Freitag gerecht geworden: Die beiden Staaten haben regelmäßige Gespräche über militärische Entspannung vereinbart. Vor allem hat Kim wie erhofft die Ziele einer vollständigen Denuklearisierung und einer schrittweisen Abrüstung bestätigt.
Ganz überraschend kommt das allerdings nicht: Denn Kim hat die Verhandlungen mit Südkorea in der Absicht geführt, ein Gespräch mit den USA zu erreichen. Die Belohnung für den guten Ausgang dieses Korea-Gipfels ist das demnächst geplante Treffen mit US-Präsident Donald Trump. Die wahre Nagelprobe für die Kompromissbereitschaft des jungen Führers kommt daher erst später.
Aber man sollte diese historische Chance auf ein Ende des Kalten Krieges in Korea auch nicht kleinreden. Jeder Schritt aufeinander zu ist ein Schritt weg vom Abgrund des Krieges. Am 38. Breitengrad stehen sich zwei bis an die Zähne bewaffnete Bruderstaaten gegenüber. Ein neuer Konflikt würde Millionen von Menschen töten.
Nach 65 Jahren Eiszeit könnte für die beiden Koreas nun eine Zeit anbrechen, wie sie das geteilte Europa in den 1970ern erlebt hat. Damals wurde durch die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit das Misstrauen zwischen Ost und West abgebaut. In Korea ist der Graben noch viel tiefer: Es gibt keine regelmäßigen staatlichen Kontakte, keine privaten Besuche und Telefonate, nicht einmal Briefverkehr. Eine Normalisierung brächte enorme Fortschritte.
Das Kernproblem ist allerdings, dass Nordkorea mit Denuklearisierung etwas anderes meint als seine Nachbarn und die USA. Präsident Trump stellt sich einen Tausch der Atomwaffen gegen einen Friedensvertrag vor. Aber die Beispiele Irak und Libyen haben Nordkorea gezeigt, dass eine Sicherheitsgarantie der USA nicht viel wert ist. Atomraketen sieht das Kim-Regime als beste Lebensversicherung und zusätzliches Erpressungspotenzial.
Nüchtern betrachtet hat Nordkoreas Nuklearrüstung die jetzige Gipfeldiplomatie überhaupt erst ermöglicht: Die USA lassen sich nur auf Gespräche ein, weil man sich durch die Atomraketen bedroht fühlt wie nie zuvor. Kim wird seine Bomben lieben – sie haben ihm verschlossene Türen geöffnet und aus einem Paria einen gefragten Gesprächspartner gemacht. Dank dieser Waffen kann Kim auch seine Gegner gegeneinander ausspielen. Den USA könnte er zum Beispiel anbieten, seine Langstreckenraketen zu verschrotten, falls er ein paar Atomwaffen behalten darf. Das wäre für die USA attraktiv, aber für deren Partner Südkorea und Japan unerträglich. Ohne seine Atomraketen wäre Kim auf der Weltbühne nur ein Statist.
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Die Kälte dieser nuklearen Realpolitik ist das eigentlich Bedrückende an der Entwicklung in Korea. Nur wer die Bombe besitzt, ist unangreifbar und gewinnt an Ansehen und Macht – das ist die Lehre, die jeder skrupellose Staatschef aus dem Beispiel Nordkorea ziehen wird. Der Iran wird Donald Trump dankbar sein, falls die USA aus dem Atom-Deal aussteigen. Sollte das Mullah-Regime sich Atomraketen verschaffen können, käme es aus seiner Sicht endlich auf Augenhöhe zu Israel.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kim für seine Atomrüstung nicht belohnt werden darf. Der junge Diktator wähnt sich in einer Position der Stärke und fühlt sich der Supermacht USA ebenbürtig. Ihm diese Illusion zu nehmen, ist die eigentliche Herausforderung für die nächsten Gipfeltreffen. Der sprunghafte Trump wird dies nicht schaffen, aber Südkoreas Präsident Moon könnte die nötige Geduld und Überzeugungskraft dafür aufbringen.
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