Komödie „Voll verschleiert“: Scheherazade hat viel zu tun

Die französische Komödie „Voll verschleiert“ erzählt von islamistischer Radikalisierung und verspricht Aufklärung. Dafür ist sie etwas zu dümmlich geraten.

Drei Menschen in der französischen Komödie "Voll verschleiert"

Welche Traumfrau steckt da jetzt wohl unter dem Schleier? Foto: NFP

Armand und Leila sind ein Paar. Beide studieren an der renommierten Sciences Po (Institut d’études politiques de Paris), hoffen auf eine Zusage für ein Praktikum bei den Vereinten Nationen und eine anschließende Karriere. Beide engagieren sich für Geflüchtete aus Afghanistan. Armand ist das Kind zweier Exiliraner, die daheim die Grabenkämpfe aus der Zeit des Kampfes gegen die Islamische Revolution wieder und wieder durchfechten. Leila stammt aus einer arabischen Familie und lebt seit dem Tod der Eltern mit ihrem jüngeren Bruder Sinna in einer Hochhaussiedlung.

Für Armand, eher konfliktscheu, sind das eigentlich schon genug Probleme. Doch dann kommt Leilas älterer Bruder Mahmoud, zum Islamisten gewandelt, aus dem Jemen zurück, und alle früheren Problemchen wirken im Vergleich klein.

Mit Mahmouds Ankunft ist die französische Komödie „Voll verschleiert“ bei ihrem Thema angekommen. Mahmoud krempelt das Leben von Leila und Sinna gründlich um: Er hängt einen Wandteppich mit dem Porträt des Gründers der Muslimbrüder auf, reißt die Familienfotos von den Wänden, verbrennt Leilas Pass und beschließt, dass Sinna im Jemen lernen soll, ein richtiger Moslem zu sein. Als Mahmoud Leila das Handy wegnimmt, ist sie für Armand mit einem Male mitten in Paris unerreichbar.

Einige der afghanischen Geflüchteten schlagen ihm vor, sich mit einem Nikab zu verschleiern und Leila als Frau zu besuchen. Armand findet zunächst nur stolpernd in seine Rolle als verschleierte junge Afghanin mit dem Namen Scheherazade hinein.

Das Spielfilmdebüt der im Iran geborenen und in Frankreich lebenden Regisseurin Sou Abadi nimmt die Debatte über die Islamisierung arabischstämmiger Franzosen in den Hochhaussiedlungen französischer Städte zum Ausgangspunkt einer schlichten Komödie. Als Publikum scheint sie vor allem französische Schulklassen beim Kinobesuch ins Auge gefasst zu haben. Auch der deutsche Verleih hat für den Film Schulklassen im Auge und bietet auf seiner Website Lehrerinfos an, die zwar inhaltlich nichts zu bieten haben, aber dafür den Film für den Einsatz in nahezu allen Fächern vorschlagen.

Die Überzeugungen der Charaktere sind nur als Schrullen

Es hat durchaus Charme, dass die Regisseurin Abadi Mahmoud und seinen Freunden, die voller Halbwissen über den Islam stecken, die tolerante Interpretation der Religion vom als Frau verkleideten Freund seiner Schwester vermitteln lässt. Armand ist als Scheherazade schließlich so erfolgreich, dass Mahmoud sich verliebt und „sie“ zur Frau will. Leider bleiben jedoch alle Rollen ohne Tiefgang, und der Humor erschöpft sich darin, dass Armand sich im Nikab verheddert.

Auch gedanklich stagniert der Film: Mahmoud als etwas schlichter, der Religion anheimgefallener Mensch, der nach Kurzem mit von der Liebe geöffneten Augen hinter die Fassade der Indoktrination schaut, ist kaum ernst zu nehmen.

„Voll verschleiert!“. Regie: Sou Abadi. Mit Félix Moati, Camélia Jordana u. a. Frankreich 2017, 88 Min.

2008, vor fast zehn Jahren, drehte der französische Regisseur Rabah Ameur-Zaïmeche mit „Dernier maquis“ einen in Frankreich wenig und in Deutschland nahezu nicht beachteten Film über den Islam in den französischen Vorstädten. Der Besitzer einer Firma für Transportkisten entdeckt die Religion als Mittel, seine Arbeiter auf Linie zu halten und sich selbst Arbeitskämpfe zu ersparen. In einer beinahe parabelhaften Erzählung lässt Ameur-Zaïmeche die Instrumentalisierung der Religion und die Ausgrenzung durch die französische Mehrheitsgesellschaft aufeinanderprallen.

In „Voll verschleiert“ sind die Überzeugungen aller Charaktere nicht mehr als Schrullen, die mit etwas gutem ­Willen ­zueinanderfinden. Es steht zu hoffen, dass die Dümmlichkeiten des Films schon ­während der Diskussion in den Schulklassen nach der Vor­führung in Vergessenheit geraten.

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