: Jeder Schritt wird überwacht
Amazon wegen Video-überwachung in Kritik
Von Friederike Gräff
Nein, sportlichen Ehrgeiz habe man da nicht, sagt Jens Thurow von der Pressestelle der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten. „Wir kommen unserem gesetzlichen Auftrag nach.“ Der besteht darin zu prüfen, ob das Grundrecht der BürgerInnen auf informelle Selbstbestimmung gewahrt bleibt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Verstöße dagegen, etwa in der Gastronomie.
Jetzt geht es um einen größeren Fisch: Nach Recherchen des NDR-Magazins „Panorama“ werden MitarbeiterInnen des Amazon-Logistikzentrums in Winsen überwacht. Filmaufnahmen des NDR zeigen im Logistikbereich flächendeckend Kameras, auch bei den Spinden der MitarbeiterInnen.
Laut Amazon gehe es aber nicht darum, Informationen über die Arbeitsleistung zu gewinnen, sondern, so die Antwort an den NDR, um die „Nachverfolgung und Verstauung des Inventars“. Einzelne Arbeitsschritte der MitarbeiterInnen würden nicht aufgezeichnet. Die Kameras im Bereich der Spinde sollten Diebstähle verhindern.
Tatsächlich sind der Kameraüberwachung aber gesetzliche Grenzen gesetzt. Und die sind kontextabhängig; der Einsatz muss verhältnismäßig sein. Klar ist aber eines: Videoüberwachung zur Verhinderung von Diebstahl muss zeitlich begrenzt sein, sagt Jens Thurow. Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel hat Amazon Fragen zu den Arbeitsbedingungen in Winsen gestellt; die Frist für die Antwort läuft bis Weihnachten. Das Werk, das erst im Oktober eröffnet wurde, beschäftigt 2.000 Mitarbeiter – und zahlreiche Roboter.
PolitikerInnen der niedersächsischen Grünen und der FDP begrüßen die Befragung. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann verwies laut NDR auf das Recht auf informeller Selbstbestimmung und formulierte einen eher defensiven Appell an Amazon, „die rechtlichen Vorgaben zu beachten“.
Der Online-Händler Amazon, der sich gegenüber dem NDR als „guten Arbeitgeber“ bezeichnete, liegt derzeit auch mit der Gewerkschaft Ver.di im Streit. Die will die Beschäftigten im Weihnachtsgeschäft zu Warnstreiks aufrufen, um einen Tarifvertrag durchzusetzen. Müßig, so fürchten Kritiker, weil Amazon darauf mit weiterer Automatisierung antworten könnte.
Mehr Gegenwind könnte die im Mai 2018 in Kraft tretende europäische Datenschutzgrundverordnung bringen: Ab dann werden Bußgelder nicht mehr für das einzelne Werk, sondern für den Gesamtkonzern berechnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen