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Letzte Runde der Jamaika-SondierungenDie größten Streitpunkte

Finanzen, Familiennachzug und Flucht, Klima und Kohle, Vorratsdaten – diese Hürden müssen die Jamaika-Unterhändler bis Freitag überwinden. Ein Überblick.

Wer gewinnt? Foto: imago/Chromorange

Berlin dpa | Union, FDP und Grüne ziehen mit immer noch massiven Differenzen in den Endspurt der nun rund vier Wochen anhaltenden Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition. Streit gibt es um zentrale Punkte wie den Familiennachzug von Flüchtlingen, die Reduzierung der Kohleverstromung zum Klimaschutz, die Verkehrs- sowie die Finanzpolitik. Auch ein Scheitern der Verhandlungen ist nicht völlig ausgeschlossen. Vor allem CSU und Grüne werfen sich gegenseitig vor nicht genügend kompromissbereit zu sein. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte nach den Beratungen am Mittwochabend gar: „Ich würde sagen, es zieht gerade ein Hurrikan auf über Jamaika“.

Ein Überblick über schwierige Kernthemen, die die letzte Runde der Jamaika-Gespräche wirklich zu einer langen machen dürften:

STEUERN, FINANZEN, HAUSHALT: Soli-Abbau, Kindergeld, Freibeträge, Schulen, Integration, Netzausbau – die Wünsche aus CDU, CSU, FDP und Grünen summieren sich nach Berechnungen von Unionsexperten auf 100 Milliarden Euro. Wo soll das Geld bloß herkommen? Zuletzt gingen die Jamaika-Unterhändler von einem Finanzspielraum für die kommenden vier Jahre von 35 bis 40 Milliarden Euro aus.

Je nach Berechnung – etwa durch Einbeziehung von Umschichtungen im mittelfristigen Finanzplan oder durch Privatisierungen – könnten bis zu 45 Milliarden Euro möglich werden. Von anderen Teilnehmern der Beratungen am Mittwochabend hieß es, man habe über verschiedene Szenarien geredet, eine feste Zahl sei nicht genannt worden. Immerhin seien sich alle Seiten einig, die solide Haushaltspolitik mit der „Schwarzen Null“ fortzusetzen, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

KLIMA: CDU, CSU, FDP und Grüne bekennen sich zwar zu den deutschen und internationalen Klimazielen. Umstritten ist aber schon, wie viel CO2 Deutschland bis 2020 zusätzlich einsparen muss, um das eigene Ziel zu schaffen. Dass die Stromgewinnung aus Kohle zurückgefahren werden muss, ist inzwischen Konsens. Aber um wie viele Gigawatt? Und sollen die Kraftwerksbetreiber entschädigt werden dafür, dass sie abschalten, oder nicht? Da sind die Fronten noch verhärtet.

MIGRATION: Die Beratung zu diesem Thema war zunächst wegen massiver Differenzen ausgesetzt worden. CSU und CDU halten bisher strikt an ihrem Unions-Kompromiss fest, der eine Art Obergrenzenrichtlinie bei der Zuwanderung vorsieht. Die Grünen fordern eine Ausweitung des Familiennachzugs – CDU und vor allem CSU sind hier dagegen. Die große Koalition hatte den Familiennachzug bei Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus für zwei Jahre bis März 2018 ausgesetzt. Die FDP dringt ähnlich wie die Grünen auf eine Einwanderungsgesetz. Die Union ist für ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz offen. Strittig sind Details.

VERKEHR: Hier hakt es vor allem beim Verbrennungsmotor – und wie. Von einem festen Enddatum haben sich die Grünen inzwischen verabschiedet, würden aber gern zum Beispiel über CO2-gebundene Steuern saubere Autos bevorzugen. Weitere Streitpunkte sind die Nachrüstung von Dieselautos und die Blaue Plakette für relativ saubere Autos, die gegen die hohe Stickoxid-Belastung in Innenstädten helfen soll. Vor allem die CSU, aber auch die FDP stemmt sich dagegen.

INNEN, SICHERHEIT, RECHTSSTAAT: Bis zuletzt liegen die Innenexperten der Jamaika-Parteien beim zentralen Punkt Vorratsdatenspeicherung über Kreuz – auch nach einem Kompromissangebot der Union. FDP und Grüne bestehen darauf, das Prinzip der anlasslosen Datenspeicherung durch ein anlassbezogenes Vorgehen zu ersetzen. CDU und CSU hatten vorgeschlagen, darauf zu verweisen, dass man der laufenden juristischen Prüfung der umstrittenen Speicherung nicht vorgreifen werde. Falls das Ergebnis der Prüfung Änderungen nötig mache, wolle man die zügig umsetzen. Darauf ließen sich FDP und Grüne nicht ein.

AGRAR: Streit gibt es weiterhin über den Umgang mit EU-Agrarsubventionen. Die Grünen würden sie gern stärker an Natur- und Tierschutz ausrichten.

EUROPA: Die CSU pocht auf den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Die Grünen wollen die Beziehungen zur Türkei eingefroren lassen. Einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche sei das falsche Signal. Umstritten ist weiterhin auch, wie Eurostaaten mit schweren finanziellen Problemen geholfen werden soll.

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9 Kommentare

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  • „Liebe“ wird zwischen den Parteien bestimmt nicht ausbrechen.

    Aber es ist doch bekannt: Am längsten halten Vereinbarungen, mit denen alle Beteiligten gleichermaßen unzufrieden sind, alles andere sollte Misstrauen erregen.

     

    Denn wenn alle „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“ sind, wurden Formelkompromisse vereinbart, die jeder anders versteht. Dann ist die Koalition am Ende, sobald es konkret werden soll.

  • Wie lange dürfen die eigentlich sondieren bzw verhandeln? Hat das GG keine Frist wieviele Monate nach der Wahl eine Regierung im Amt sein muß?

     

    Langsam wirds lächerlich. Die sehen sich schliesslich seit Jahren (Jahrzehnten) jeden Tag persönlich und palavern miteinander und hier tun sie so als wären sie sich zum ersten Mal begegnet.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Klimaschutz gehört eigentlich als Jamaika-Sondierungsmasse ausgeschlossen.

    Dafür ist das Thema zu sehr zukunftsentscheidend, und zwar weniger national, sondern viel mehr global.

    Alle anderen Themen haben sich diesem Großthema unterzuordnen, auch wenn es den Scheuers & Co. nicht in den Kram passt...

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      ...und gerade weil das Thema zukunftsentscheidend ist, gehört es in die Koalitionsverhandlungen.

      Wenn es um den Klimaschutz geht, dann darf es keine Kompromisse geben.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Na also: nicht verhandelbar.

        Sag' ich doch...

  • Na Servus.

     

    Schere, Stein, Papier *(auch Schnick, Schnack, Schnuck; Ching, Chang, Chong; Klick, Klack, Kluck; Stein schleift Schere; Schnibbeln, Knobeln oder Schniekern)

    &

    Auch klar - Mora¿ - Ah Nää!

    Dafür sans zu blöd&lahmarschig - gell!

    Auch wieder wahr!

    Da mähtste nix.

    Normal.

    &

    * + Brunnen¿ Bisher - The Winner!

    & dort iss - ~> Genau.

    Platz für Umwelt & Restbevölkerung.

    Newahr. Bitter - aber wahr.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Brunnen ist zu häufig im Vorteil und nur inoffiziell Partei.

      Schere, Stein, Papier ist fairer.

      • @571 (Profil gelöscht):

        "..Dadurch, dass das Spiel um die Figur Brunnen erweitert wurde, verschiebt sich das Gleichgewicht der Gewinnchancen. Wenn es nun vier erlaubte Symbole gibt, kann die Gewinnchance nicht mehr bei allen gleich groß sein, da jede Figur gegen drei andere ein Ergebnis bekommt, anstatt gegen zwei, wie bei der Variante ohne Brunnen...."

         

        Schonn. Aber seit wann geht es denn um fair?

        &

        Gar für dess im Brunnen?

  • Ist es denn so schwierig? Keiner von denen hat 100%. Also sollten die sich 1-3 Punkte raussuchen, die die wichtigsten für die jeweilige Partei sind. Über die wird verhandelt, wenn es Konfliktinteressen gibt. Über andere nicht. Da muss man dann die Position der anderen akzeptieren (Demokratie). Natürlich ist vieles ineinander verwoben, aber man kann in den verbleibenden drei Jahren eh nicht das Rad neu erfinden. Dann müssen sich zB die Grünen eben auf Klimawandel und Verkehr konzentrieren und in den anderen Feldern andere Positionen akzeptieren.