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Die Reichweite ist kein Hemmnis

Batteriefahrzeuge stellen erhebliche Anforderungen an die Infrastruktur. Für das Netz wären Elektroautos auf Wasserstoffbasis dienlicher. Diesen kann man erzeugen und speichern, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen im Überfluss vorhanden ist

Schon 2016 hätten mit überschüssiger Windkraft 600.000 E-Fahrzeuge je 10.000 Kilometer fahren können Foto: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Von Bernward Janzing

Lange Ladezeiten, kurze Reichweiten, teure Batterien – dem Elektroauto werden viele Mankos nachgesagt. Doch nicht alle erweisen sich bei genauer Betrachtung als stichhaltig. Umgekehrt gibt es zugleich Herausforderungen, über die wenig gesprochen wird – und die könnten am Ende das größere Problem sein. Die Ladezeit zum Beispiel dürfte die Technik kaum hemmen, denn sie ist weniger relevant als es vordergründig scheint. Anders als Benziner wird man die E-Fahrzeuge nämlich in der Regel dann tanken, wenn sie ohnehin parken – und das tut ein durchschnittlicher Pkw 23 Stunden am Tag.

Auch die Reichweiten, nach Firmenangaben zwischen 100 und über 500 Kilometern (Modell Tesla S), sind kein Problem, wenn man einen neuen Umgang mit der Mobilität findet – und zwar auf Basis von Mietsystemen. Dann wählt der Fahrer je nach Bedürfnis das passende Gefährt, und für die meisten Fahrten reicht das Batteriefahrzeug aus. Entsprechend bestätigt der Bundesverband Carsharing: „Die Reichweitenbegrenzung der Elektrofahrzeuge stellt im Carsharing-Einsatz kein Hemmnis dar.“

Ein viel relevanteres Hemmnis könnte aber das bislang fehlende Geschäftsmodell für Tankstellen sein: „Mit öffentlichen Ladesäulen für Elektroautos lässt sich derzeit noch kein Geld verdienen, da bisher zu wenige Fahrzeuge auf der Straße sind“, sagt Stefan Kapferer, Chef des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Nur aus Imagegründen (etwa auf einem Firmenparkplatz) oder zur direkten Kundenwerbung (etwa vor einem Hotel) lassen die Säulen sich derzeit kalkulieren.

Steigt jedoch die Zahl der Elektroautos, sodass die Ladestationen ausreichend frequentiert werden, kommen auf die Netze große Herausforderungen zu. Für eine Schnellladung sind mindestens 22 Kilowatt nötig, diskutiert werden in der Branche gar Ladeleistungen bis 350 Kilowatt. Dafür müssen Trafostationen aufgerüstet, und Netze ausgebaut werden. Die Kosten wird die Stromwirtschaft an die Autofahrer weitergeben müssen. Ob diese jedoch bereit sein werden, das zu bezahlen? Bislang wird der Fahrstrom zumeist noch zum Haushaltstarif verkauft, alles andere gilt am Markt als noch nicht durchsetzbar. Doch auf Dauer wird man für die Tankstellen eine Vollkostenrechnung anstellen müssen. Die Nationale Plattform Elektromobilität geht davon aus, dass der Kunde bereit sein muss, „pro Ladung einen Preisaufschlag von 1,50 bis 2 Euro zu den einfachen Stromkosten zu tragen“, beziehungsweise „ein zeitbasiertes und Ladetechnik-abhängiges Preismodell zu akzeptieren“.

Auf Dauer wird man für Tankstellen eine Vollkostenrechnung anstellen müssen

Gerade der letzte Punkt ist für die ökonomische Betrachtung wichtig, denn der Zeitwert von Strom schwankt erheblich, wie der Spotmarkt der Strombörse zeigt. Bislang reichen die Versorger die Preisschwankungen nicht an Privatkunden weiter, doch bei hohen Ladeleistungen werden sie sich das kaum mehr leisten können. Spontanes Tanken kann dann teuer werden. Fraglich ist, ob die Fahrer das akzeptieren werden.

So lenkt der Druck, auf Ladetermine zu achten, den Blick auf eine Alternative zur Batterie, die das alles nicht braucht; auf Elektroautos, die mit Wasserstoff betankt werden. Sie erzeugen den notwendigen Strom erst an Bord in einer Brennstoffzelle. Der Wasserstoff kann jeweils dann erzeugt und gespeichert werden, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen im Überfluss vorhanden ist. Damit stabilisiert die Mobilität das Netz gar, statt es zu belasten.

Große Strommengen stünden zur Verfügung: 2016 wurden in Deutschland 3,7 Milliarden Kilowattstunden aus erneuerbaren Energien nicht erzeugt, weil das Netz den Strom nicht aufnehmen konnte. Vor allem Windkraftanlagen wurden abgeregelt. Die verlorene Strommenge hätte genug Treibstoff ergeben, um mehr als 600.000 Pkw für jeweils 10.000 Kilometer mit Wasserstoff zu betanken. Die entsprechenden Fahrzeuge gibt es bereits. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg hat aktuell drei in Gebrauch, einen Mercedes der B-Klasse, einen Toyota Mirai, einen Hyundai ix35. Christopher Hebling, Bereichsleiter Wasserstofftechnologien, sieht die Technik auf einem guten Weg: „Die Fahrzeuge sind ohne Einschränkungen alltagstauglich.“ In drei Minuten sind sie vollgetankt, ihre Reichweite liegt bei bis zu 600 Kilometern. Die Betreibergesellschaft H2 Mobility Deutschland, hinter der Firmen wie Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total stehen, will bis 2019 in Deutschland 100 Tankstellen aufbauen. Zeitgleich entstehen aber auch allenthalben Ladesäulen für Batteriefahrzeuge. Ob diese doppelte Infrastruktur nicht am Ende Investitionsruinen hinterlässt? Wissenschaftler Hebling sieht das gelassen: „Beide Technologien werden nebeneinander existieren können.“ Zumal die Investitionskosten überschaubar seien: „1.000 Wasserstofftankstellen kosten so viel, wie 50 Kilometer Autobahn.“ So dürften Batterie und Brennstoffzelle künftig im Wettbewerb stehen – wie heute Benziner und Diesel.

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