Klimaprotest im Hambacher Tagebau: „Wer herkommt, blutet“

AktivistInnen von „Ende Gelände“ haben den Tagebau in Hambach besetzt. Sie klagen über „unverhältnismäßige“ Härte der Polizei.

Polizisten und weiß gekleidete Demonstranten, ein Polizist sprüht Pfefferspray auf eine Gruppe sitzender Demonstranten

„Professionell“, sagt der NRW-Innenminister – „sehr heftig“, sagen die Organisatoren Foto: Tim Wagner

HAMBACH taz | Massiver Einsatz der Reiterstaffel, Pfefferspray auf friedliche DemonstrantInnen, dazu Faustschläge ins Gesicht: Nach den Klimaprotesten um und im Braunkohletagebau Hambach bei Köln am Sonntag klagen OrganisatorInnen und PolitikerInnen über Polizeigewalt. „Die PolizistInnen sind zum Teil einfach in die Menschen hineingeritten“, sagt ein Aktivist, der bei der Besetzung der Braunkohlegrube dabei war.

Die Menschen seien von den von hinten kommenden Pferden überrascht worden, so der 27-Jährige. Manche sitzende AktivistInnen seien von PolizistInnen am Kopf hochgezogen worden, anderen sei mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden, „obwohl es überhaupt keine Gegenwehr gab“.

Der Tagebaubetreiber RWE nannte den Polizeieinsatz wie wortgleich auch Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul „professionell“. Zwar seien „Bagger und Bandanlagen stillgesetzt“ worden – „Auswirkungen auf die Stromproduktion“ hätten die Proteste aber nicht gehabt.

Die vom Bündnis „Ende Gelände“ organisierte Aktion war Teil vielfältiger Proteste im Vorfeld der Weltklimakonferenz, die am Montag in Bonn begonnen hat. Die aber bleibe eine „Farce“, solange im rheinischen Revier massiv Braunkohle verstromt werde, sagt „Ende Gelände“-Sprecherin Janna Aljets.

Der Stromkonzern RWE verheizt dort täglich rund 250.000 Tonnen Kohle – und hat dabei allein 2016 rund 80 Millionen Tonnen des für die Erderwärmung sorgenden Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. Für rund zehn Prozent des deutschen Co2-Ausstoßes sind allein die rund um die rheinischen Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden liegenden vier RWE-Großkraftwerke Neurath, Niederaußem, Weisweiler und Frimmersdorf verantwortlich.

„Ich weiß nicht, ob das Pferd durchgedreht ist“

Am Sonntag hatte „Ende Gelände“ deshalb zu einer Demonstration aufgerufen, an der nach Schätzung der Veranstalterinnen mehr als 4.000 Menschen teilnahmen und die von der Polizei zunächst friedlich begleitet wurde. Nachdem KlimaaktivistInnen jedoch bei dem Versuch, die bis zu 95 Meter hohen Braunkohlebagger zu besetzen, in den Tagebau geklettert waren, sei es zu einem „unverhältnismäßigen Einsatz“ der BeamtInnen gekommen, sagt Aljets.

Ab etwa 16 Uhr, als nach wolkenbruchartigen Regengüssen kaum noch Presse und BeobachterInnen anwesend gewesen seien, sei die Polizei auch „sehr heftig“ mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die DemonstrantInnen vorgegangen.

Diese Perspektive auf den Einsatz der Polizei bestätigt Lorenz Gösta Beutin, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, der AktivistInnen bis in die Grube hinein begleitet hat. Der Einsatz der Reiterstaffel sei „massiv und offensiv“ gewesen, ein Pferd habe einen Menschen überritten. „Ich weiß nicht, ob das Pferd durchgedreht ist, aber wir hatten den Eindruck, dass es auch direkt auf den Menschen drauf getreten ist“, sagte Beutin. „Meiner Einschätzung nach gab es überhaupt keinen Anlass, so hart vorzugehen.“

Eine andere Abgeordnete der Linkspartei, die nicht als Beobachterin, sondern als Teilnehmerin vor Ort war, hat selbst Pfefferspray ins Gesicht bekommen. „Wer herkommt, blutet“, habe ein Polizist DemonstrantInnen zugerufen, so die Parlamentarierin Sabine Leidig.

„Zu jeder Zeit friedlich“

Die ProtestlerInnen seien dagegen „zu jeder Zeit friedlich“ geblieben, bestätigt auch die grüne Landtagsabgeordnete Imke Byl, die als Beobachterin aus Niedersachsen angereist war: Die Polizei habe dagegen „eine Eskalation und Gefährdung aller Anwesenden in Kauf genommen und in unangemessener Weise agiert“, sagt Byl.

Wie viele Menschen genau in den Tagebau Hambach gelangt sind, blieb auch am Montag zunächst unklar. Das Bündnis „Ende Gelände“ schätzt ihre Zahl auf 3.000 und mehr – die zuständige Polizei in Aachen spricht von „circa 1.000 Personen“, die sich „widerrechtlich“ Zutritt verschafft hätten. Diese seien zwar zunächst festgesetzt, nach Feststellung ihrer Identität aber noch am Sonntag wieder freigelassen worden, so Polizeisprecherin Petra Wienen gegenüber der taz.

Allerdings werde gegen die Tagebau-Besetzer wegen Hausfriedensbruchs vorgegangen. Beim Versuch, eine Polizeikette im Tagebau zu durchbrechen, sei einem Beamten zudem die Hand gebrochen worden. Ein weiterer Polizist sei gebissen worden.

Janna Aljets von „Ende Gelände“ berichtet dagegen, dass knapp 100 Leute in zwei Gefangenensammelstellen nach Aachen und Linnich gebracht worden seien. Bis auf eine Person seien aber alle wieder auf freiem Fuß. Was ihr vorgeworfen wird, war am Montagnachmittag noch unklar. Fragen nach finanziellen Auswirkungen des Protests konnte eine RWE-Sprecherin am Montag nicht beantworten. Den AktivistInnen drohte der Konzern trotzdem mit „straf- und zivilrechtlichen“ Folgen.

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