piwik no script img

Kolumne MithulogieWe All Live In A Yellow Submarine

Wegen eines Features, für das ich noch nichts geschrieben habe, werde ich verdächtigt, ein U-Boot zu sein. Soll ich das Thema besser fallen lassen?

Achtung! U-Boot! Foto: imago/Zuma Press

E in Freund meines Vaters erzählt gerne die Geschichte, wie er beim Warten auf einem Amt mit dem Herrn neben ihm ins Gespräch kam und begann herzhaft über Indira Gandhi, die damals gerade den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, zu schimpfen.

Mitten im Redefluss bemerkte er, dass sein Sitznachbar ein leitender Beamter in der Regierung Indira Gandhi war, und bekam sofort Schnappatmung vor Panik. Doch der Beamte forderte ihn auf weiterzusprechen und wies jede Entschuldigung mit den Worten zurück: „This is a democracy, you know.“

Indien mag zwar eine Demokratie sein, das Internet hingegen … Lasst es mich so ausdrücken: Mir fallen eine Reihe von Leuten ein, die sofort für Totalkontrolle stimmen würden, wenn diese Kontrolle von ihnen ausgehen könnte.

Seit Tagen bekomme ich besorgte Mails, weil ein Blog – den ich aus Anonymitätsgründen „die Struwwelpetras“ nenne – unter dem Titel „Willkommen im Patriarchat“ faszinierende Informationen über mich verbreitet. Anscheinend hat die Autorin des Artikels jeden einzelnen Kommentar, den ich jemals unter irgendeinen Post oder Tweet getippt habe (hauptsächlich: Petition sofort unterschrieben/schönes Foto/gute Besserung), gelesen und dabei entdeckt, dass ich – und jetzt kommt’s! – gemeinsame Sache mit Männerrechtlern mache: weil ich zwei von ihnen gefragt habe, ob ich sie interviewen darf.

Verschwörungstheorien

Ja, was denn sonst? Schließlich mache ich ein Feature über Männerrechtler für den SWR. Da muss ich schon mit ihnen reden. Dadurch werde ich keine Männerrechtlerin. Als ich Ärzte zu BSE interviewt habe, bin ich auch keine Ärztin geworden, und trotz zahlreicher Interviews mit Musiker*innen kann ich leider immer noch nicht gut Gitarre spielen. Doch weil es hier um Männerrechtler geht, raten mir Freund*innen dringend, eine Stellungnahme zu schreiben.

Derweil wird in den Kommentaren zu dem Artikel spekuliert, ob ich ein U-Boot bin und Geld aus den Töpfen der Open Society Foun­dation beziehe. Bisher kannte ich die Open Society Foundation des Milliardärs George Soros nur von Alt-right-Verschwörungstheorien, die sich sicher sind, dass er Black Lives Matter und die Antifa finanziert.

Das Schockierende an dem Artikel ist nicht die Verleumdung, sondern dass alleine mit der Gegenseite zu reden bereits verdächtig ist. Noch erschreckender ist, dass ich bemerke, ich möchte in meinem Feature jetzt am liebsten doppelt kritisch sein, um zu beweisen, dass ich nicht qua Kontakt irgendwie infiziert worden bin – aber das wäre kein guter Journalismus.

Und kein guter Feminismus! Feminismus bedeutet für mich, dass ich Menschen mit Respekt behandele, weil ich selbst mit Respekt behandelt werden will.

Dies ist keine Stellungnahme. Because: This is a democracy, you know!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Gemach - hm?!

     

    "Wegen eines Features, für das ich noch nichts geschrieben habe, werde ich verdächtigt, ein U-Boot zu sein. Soll ich das Thema besser fallen lassen?"

     

    Naja - Soo neu ist das ja nun alles nicht - wa!

    Altmeister Umberto Eco - ließ sich zu solchem in seinen berühmten Streichholzbriefen unter -

     

    "Mißtrauen tut gut" - u.a, so aus -

     

    "...Vor fünfzehn Jahren hat man gesagt, auch wenn die Amerikaner damals nicht auf dem Mond gelandet wären, wär’s dasselbe gewesen, die bloße TV-Übertragung hätte genügt. Heute sind wir schon viel weiter. Die Übertragung ist gar nicht mehr nötig, Es genügt die bloße Pressemitteilung. Die Meldung erzeugt nicht mehr das Ereignis, die Meldung erzeugt die Meldung: absoluter Idealismus.

    ......

    &

    "...Also was nun? Ich erinnere mich an eine Episode mit meiner Tochter, als sie noch sehr klein war. Sie sah sich gerade die Werbung im Fernsehen an, die behauptete, daß ein bestimmtes Waschmittel besser sei als die anderen, und ich (pädagogisch und demokratisch) sagte: „Glaub das nicht, das Fernsehen lügt.“ Dann kamen die Abendnachrichten und brachten die Meldung, daß es in Turin geschneit hatte, und meine Tochter sagte: „Das ist gelogen, stimmt’s?“ Ich mußte ihr also erklären, daß zwar die Werbung im Fernsehen lügt, aber die Nachrichten schon die Wahrheit sagten. Gleich darauf wurde mir bewußt, daß diese Erklärung im Widerspruch zu allen meinen Prinzipien stand, und ich präzisierte, daß die Nachrichten diesmal die Wahrheit sagten, aber nicht immer. Das arme Kind wußte nicht mehr, wann es dem Fernsehen glauben durfte und wann nicht...

    Dies, glaube ich, ist das Drama jeder auch nur minimalen Erziehung zum richtigen Umgang mit den Massenmedien." http://www.zeit.de/1986/37/misstrauen-tut-gut

    &

    Genau. "....Dies ist keine Stellungnahme.

    Because: This is a democracy, you know!"

    Da mähtste nix.

    Normal.

    &

    kurz - U-Boot - hinoderher - kerr!

    Den Job machen & Schreiben.

     

    So geht das.

  • In den 50/60 gab es die Spießer, die wollten das alle Welt so ist, wie sie und wer sich dem nicht unterordnete war Aussenseiter.

    Meine Mutter hat diese Zeit erlebt und wollte nie so werden. Ich bin dann in einer Zeit gross geworden, wo die eigene Freiheit zum einem erkämpft worden ist, erkämpft von diesen Spießern die sie uns nicht gönnten. Aber wir konnten uns ausprobieren, für welche Art von (Lebens-)Freiheit wir uns entscheiden. Und hatten letztlich Glück, dass die Autorität und die Schläge seit den 70'er immer mehr abnahmen.

     

    Heute gibt es einen Pendel in die andere Richtung. Und wieder eine Bewegung, die nur ihre eigenen Lebenseinstellung als die Wahre und einzig Richtige sieht und genau diesen Druck erzeugt, der schon in den 50'er fürchterlich war (ich verstehe auch die nicht, die dieses Zeitalter positiv sehen) und heute, mit der noch viel größeren sozialen Kontrollmöglichkeiten in den "neuen" Medien, zu neuen Knechtschaften führt.

     

    Die jungen Leute von heute sind nicht zu beneiden, sie bauen sich soziale Gefängnisse, deren Mauern wir eingerissen hatten.

  • Flüster, flüster: Ein geheimnisvolles Blog, das geheim bleiben soll und deshalb hier "aus Anonymitätsgründen 'die Struwwelpetras'" genannt wird, verbreitet irgendetwas über Mithu Sanyal.

     

    Geht's noch? Entweder klipp und klar schreiben, worum es geht, d.h. wer wo aus welchem Grund worüber bloggt und was daran gut / schlecht / falsch / richtig etc. ist, oder die Klappe halten.

     

    Pst, pst: Dieses tolle Blog ist wirklich un-er-hört ...

  • Zitat: "Mir fallen eine Reihe von Leuten ein, die sofort für Totalkontrolle stimmen würden, wenn diese Kontrolle von ihnen ausgehen könnte."

     

    Ich nehme an, das geht uns allen so. Genauer: Es würde uns allen so gehen, wenn nicht auch der Totalitarismus ein kulturelles Phänomen wäre. Leider ist er eins. Und weil das so ist, fällt den meisten Leuten bisher gar nicht auf, dass zu viele Menschen sofort für Totalkontrolle stimmen würden, wenn diese Totalkontrolle nur von ihnen selber oder doch wenigstens von Leuten ausgehen dürfte, die vergleichbare Ansichten haben wie sie.

     

    Für kulturelle Phänomene - angefangen beim Essen mit Besteck bis hin zur Liebe zu anstrakter Kunst - muss der Mensch erst einmal sensibilisiert werden. Kriegt man sie quasi "mit der Muttermilch" verabreicht, erscheinen Totalitarismen so normal, dass sie nicht hinterfragt werden. Man hat gelernt, damit zurecht zu kommen. Wieso also sollte man das mühsam hergestellte Gleichgewicht gefähden durch dumme Fragen oder gar Kritik?

     

    Wer profitiert von Totalitarismen oder noch darauf hofft, der hat keine Veranlassung, sie abzulehnen. Der braucht also auch nicht danach zu fragen, wie sie zu überwinden sind. Möglich, dass so-jemand in Totalitarismus-Manier dazu gezwungen werden kann, ein (Lippen-)Bekenntnis abzugeben. Aber was würde das helfen? Der "Bezwinger" wäre anschließend rund um die Uhr mit Kontrollpflichten ausgelastet. Und sobald er den dicken Daumen weg nehmen würde, wäre es vorbei mit dem Anti-Totalitarismus. Dann käme der Diktator wieder raus.

     

    Es gibt keine Alternative zur (Selbst-)Aufklärung. Es gibt keine Alternative zur selbst geleisteten, anstrengenden Überzeugungs-Arbeit, zur Gedukd und zur Freiheit, die die Freiheit des anders Denkenden ist, aus seinen Fehlern zu lernen. Gott durch einen Führer, eine Partei, eine Bewegung oder einen Hashtag zu ersetzen, ist vollkommen sinnlos. Es führt nur immer tiefen in den Schlammassel hinein. Weil es dem Selber-Denken schadet und Untertanen schafft.

  • Was soll mer da noch saache, ihr fetzt Euch wie einst Trotkisten und Maoisten und das System lacht sich 'nen Ast. Pathetic!

  • Willkommen in der Paranoiawelt der Social Justice Warriors (SJW) rechts wie links. Wenn man mal davon ausgeht, dass Menschen die glauben dass so etwas wie ideologische Kontaktinfektion existiert vornehmlich nur sich selbst und ihresgleichen als Anschauungsbeispiele haben - zu anderen Milieus vermeiden sie ja den Kontakt - kann man eine Vorstellung von ihrer geistigen Verfassung bekommen ... und ihre Ausfälle und Angriffe verstehen. Sie richten sie meistens gegen Abziehbilder ihrer selbst, die sie zuvor auf andere Personen geklebt haben.

    • @Hanno Homie:

      Mir scheint es lohnend zu sein, sich den Begriff "Social Justice Warriors" mit seiner Abkürzung anzugucken und sich mal zu fragen, wieso er beleidigend funktioniert und was damit eigenlich abgewertet werden soll...

       

      Ansonsten ist die Schließung der Milieus auch meiner Ansicht nach ein riesiges Problem für den demokratischen Austauch!