: Vorteil für Monopolisten
Kunden können einen wichtigen Bestandteil ihrer Stromrechnung nicht nachvollziehen
Von Bernward Janzing
Der Energieversorger Lichtblick ist vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit seinem Versuch gescheitert, vollständigen Einblick in die Berechnungen der Netzentgelte zu bekommen. Die Gerichte hatten die Hürden für die Kontrolle der Kalkulationen durch Dritte in jüngster Zeit deutlich erhöht, weshalb der Hamburger Ökostromer die Frage nun von den Verfassungsrichtern klären lassen wollte. Doch diese haben eine entsprechende Beschwerde nicht einmal zur Entscheidung angenommen. „Die Finanzierung der Strom- und Gasleitungen bleibt auch in Zukunft eine Blackbox“, sagt Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft von Lichtblick.
Jeder Strom- und Gasanbieter ist naturgemäß darauf angewiesen, für die Lieferung von Energie an seine Kunden das bestehende Netz in Anspruch zu nehmen. Diese Infrastruktur liegt innerhalb der betreffenden Konzessionsgebiete jeweils in einer Hand und ist damit ein natürliches Monopol; die Nutzung der Stromleitungen kann daher nicht den Regeln des Markts unterworfen werden. Nötig ist daher eine staatliche Aufsicht, die die Nutzung regelt und auch die Preise für die Durchleitung bestimmt.
Aus diesem Grund kontrollieren die Regulierungsbehörden – das sind die Bundesnetzagentur beziehungsweise die zuständigen Landesbehörden – die Investitionen der 1.500 Strom- und Gasnetzbetreiber und gewähren dafür eine gesetzlich definierte Rendite. Daraus ergeben sich dann die Netzentgelte, die jeder Lieferant bezahlen muss. Diese Rechnung geben die Anbieter naturgemäß an ihre Kunden weiter.
In Deutschland fallen nach Zahlen von Lichtblick für den Stromtransport in die Haushalte im Durchschnitt 7,06 Cent pro Kilowattstunde an. Zum Vergleich: Die viel diskutierte EEG-Umlage beträgt derzeit 6,88 Cent pro Kilowattstunde.
Allerdings ist wenig transparent, wie diese Netzentgelte errechnet werden. In dem konkreten Fall hatte Lichtblick gegen Kalkulationen der RWE-Töchter Westnetz und Mitnetz geklagt, weil es die Netzentgelte von Westnetz um mindestens 14 Prozent zu hoch hielt.
Gero Lücking
Grundsätzlich hatte Lichtblick im Jahr 2005 zwar vor dem BGH das Recht erstritten, Netzentgelte gerichtlich überprüfen zu lassen. Doch in der Praxis hätten sich alle vorgesehenen Rechtsinstrumente zur Kontrolle der Netzentgelte als „stumpfe Schwerter“ erwiesen. Damit blieben die Stromleitungen für Konzerne und Stadtwerke weiterhin eine „staatlich garantierte Lizenz zum Geld drucken“, so Lücking.
Die Forderung nach Transparenz bei der Netzfinanzierung wird auch durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen gestützt, und ebenso durch den Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne).
Der bne war zwar in die aktuelle Verfassungsbeschwerde nicht involviert, sieht die Sache aber ähnlich wie Lichtblick: „Unterlagen, die nötig wären, um die Kalkulationen für Dritte nachvollziehbar zu machen, werden vor der Herausgabe regelmäßig an wichtigen Stellen geschwärzt“, sagt ein Sprecher des Verbands. Nachdem das Transparenzbegehren durch das Verfassungsgericht abgelehnt wurde, ist der Rechtsweg nun ausgeschöpft. Jetzt könne man das Thema nur noch politisch angehen, heißt es beim bne.
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