Boris Palmer zu Umgang mit Flüchtlingen: Verpflichtende DNA-Tests
Tübingens grüner Oberbürgermeister fordert erneut strengere Regeln für Geflüchtete. Diesmal geht es um Speichelproben in bestimmten Fällen.
Karlsruhe taz | Ausgerechnet Tübingen. In der vergangenen Woche hat die Polizei in der schwäbischen Universitätsstadt einen 21-jährigen Gambier festgenommen, weil er verdächtigt wird, seit Mai 2015 eine Vergewaltigung und zwei Vergewaltigungsversuche begangen zu haben. Durch freiwillige Gentests unter den Bewohnern eines Tübinger Flüchtlingsheims hatte der Täter nicht gefasst werden können. Erst als ihn eine weitere Frau wegen Vergewaltigung anzeigte, konnte der mutmaßliche Täter gefasst werden.
Schlimm genug. Aber weil der Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer heißt, dauerte es nicht lange, bis das Stadtoberhaupt via Facebook forderte, aus dem Fall allgemeine rechtliche Konsequenzen zu ziehen. „Wer meine Unterstützung für die Aufnahme von Asylbewerbern haben möchte, muss mehr als bisher gegen solche Gefahren unternehmen“, schrieb er.
Mit einem verbindlichen DNA-Test unter „allen schwarzen Asylbewerbern in der Stadt“ sei mindestens eine Vergewaltigung zu verhindern gewesen, behauptete Palmer. „In solch gravierenden Fällen sollte eine Pflicht zur Abgabe einer Speichelprobe angeordnet werden können, wenn die Täterbeschreibung hinreichend konkret ist.“
Palmers Begründung: „Wer die Akzeptanz für Flüchtlinge nicht gefährden will, der muss sich auf den Teil der Gesellschaft zu bewegen, der das an die Bedingung besonderer Sicherheitsvorkehrungen knüpft.“
Blick in die Statistik
Palmer argumentiert – anders als er behauptet – nicht realpolitisch, sondern moralisch: Wer Hilfe in Anspruch nehme, müsse sich eben nach strengeren Maßstäben messen lassen, findet er. Aber wenn Palmer ernsthaft fordert, diesen moralischen Anspruch in Gesetze umzusetzen, die nur für Flüchtlinge gelten, dann besorgt er das Geschäft rechter Populisten.
Ein Blick in die Kriminalstatistik des Landes zeigt: Es stimmt, dass Flüchtlinge aus Gambia eine geringe Bleibeperspektive haben und nach der Kriminalstatistik von Baden-Württemberg die zweitgrößte Gruppe an Straftätern im Land stellen. Vor allem beim Drogenhandel ist diese Volksgruppe auffällig.
Die Teilnahme an Gentests ist in Deutschland nach geltendem Recht freiwillig – und genau das will Palmer ändern
Aber kann man deshalb alle schwarzen Flüchtlinge zu erzwungenen Gentests laden? Nein, das kann man nicht, erklärte umgehend das CDU-geführte Innenministerium. Denn die Teilnahme an Gentests ist in Deutschland nach geltendem Recht freiwillig – und genau das will Palmer ändern.
Es dürfte nicht seine letzte originelle Idee sein. Der grüne OB hat ein Buch geschrieben. Es soll Anfang August herauskommen, sechs Wochen vor der Bundestagswahl. Über den Inhalt kann man bisher nur spekulieren, der Verlag gibt keine Rezensionsexemplare heraus. Doch bei Palmer und dem angekündigten Titel „Wir können nicht allen helfen“ wäre alles andere als weitere Provokationen zum Thema Flüchtlinge eine Überraschung.
Leser*innenkommentare
Karl Feldner
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Kaiser Bernhard
"Es stimmt, dass Flüchtlinge aus Gambia eine geringe Bleibeperspektive haben und nach der Kriminalstatistik von Baden-Württemberg die zweitgrößte Gruppe an Straftätern im Land stellen."
Für mich stellt sich hier noch eine ganz andere Frage: Warum wird Gambia nicht endlich zum sicheren Herkunftsland erklärt und damit Abschiebungen dorthin erleichtert?!
Seit Dezember 2016 ist in Gambia eine demokratisch gewählte Regierung an der Macht, der langjährige Machthaber Jammeh hat inzwischen das Land verlassen, es herrscht kein Bürgerkrieg, es gibt keine Anschläge (bei uns in Europa ist die Gefahr jedenfalls größer als in Gambia) und Gambia gilt vor allem für Ornithologen und alleinstehende ältere Frauen auf der Suche nach Liebesglück als attraktives Urlaubsziel (dies war im Übrigen auch schon unter dem "Diktator" Jammeh der Fall)! Aber unser verehrter Herr Innenminister de Maizière lässt ja lieber in Krisengebiete wie Afghanistan oder Irak abschieben!
Kaiser Bernhard
Die Sache mit der DNA-Probe finde ich nicht so falsch, schließlich haben die meisten der Asylbewerber ja ihre Pässe "verloren", so dass ihre Identität lediglich auf ihren eigenen Angaben beruht, die oft genug bezüglich Namen, Herkunftsland, -ort (aus Algeriern, Marokkanern, Tunesiern werden plötzlich Syrer..) oder bezüglich Geburtsdatum (aus 19/20-jährigen werden plötzlich "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" usw.) gefälscht sind! Und das stellt z.B. auch eine Ungleichbehandlung gegenüber uns deutschen Staatsbürgern dar, da bei uns die Identität ja in der Regel geklärt ist! Also wäre meiner Meinung nach ein erzwungener Gentest bei Asylbewerbern durchaus gerechtfertigt!
Tatzelbrumm
Wie viele Kontrollfreaks fordert auch Boris Palmer fast schon reflexartig mehr Überwachung.
In seinem Vortrag über Überwachungsroboter aus der Zukunft https://www.youtube.com/watch?v=t8QuUEwrKm8&feature=youtu.be&t=41m55s
legt Brad Templeton von der Electronic Frontier Foundation dar,
wie gefährlich ahnungslos (im besten Fall) oder (im schlimmsten Fall) verantwortungslos solche Forderungen nach Totalüberwachung sind.
Age Krüger
Mit der Begründung sollen dann auch demnächst alle Hartz4ler Gentest machen lassen und alle Bafög-Empfänger. Und natürlich alle überhaupt alle Studenten, die Unis werden ja von Staat finanziert. Und die Autofahrer, die einfach staatlich finanzierte Srraßen in Anspruch nehmen.
Thomas Sauer
Zum dritten: Wo ist das Problem, von jedem Bürger nicht nur Name, Geburtsdatum, Eltern usw. Sondern auch die DNA aufzunehmen und zu speichern, zumal dies wegen erhöhter Wahrscheinlichkeit bei Verbrechen bestraft zu werden, einiges an Kriminalität verhindert. Oder sollten uns die paar Mordes und Vergewaltigungen nicht jucken, Hauptsache Prinzipien werden in alle Ewigkeit eingehalten.
Tatzelbrumm
Man kann sich leider nicht darauf verlassen, dass rechtsstaatliche Prinzipien eine längere Lebenszeit haben als massenhaft gespeicherte persönliche Daten.
Davor warnt Brad Templeton, siehe https://www.youtube.com/watch?v=t8QuUEwrKm8&feature=youtu.be&t=41m55s ,
der im Gegensatz zu Boris Palmer von der Materie Ahnung hat.
Meistens redet Palmer eben Unsinn, aber in diesem Fall ist das brandgefährlicher Unsinn.
Thomas Sauer
@Tatzelbrumm Denke, eine Demokratie kann das aushalten bzw. dagegen steuern. Missbrauch von DNA Daten kann es geben (Versicherungen, Gesundheitsselektion u.ä.) Bezogen auf totalitäre Regime sehe ich keine Risiken. Einfach Leute wegsperren, geht einfacher. Man sollte auf die Drohszenarien verzichten und mehr Empathie für die durch geringes Risiko des Erwischt-werden betroffenen Opfer aufbringen. Die Theorie ist das eine, die aktuelle Realität das andere. Oder: Auf dem Platz ist anders.
Ansgar Reb
Die Grünen sind schon seltsam. Aber ich finde es auch gut, dass es solche Stimmen bei denen gibt.
christine rölke-sommer
ich fordere...
verpflichtende dna-tests für oberbürgermeister...
mowgli
Zitat: „Wer Hilfe in Anspruch nehme, müsse sich eben nach strengeren Maßstäben messen lassen“.
Was Boris Palmer da sagt, sagen die Banken auch immer – und vergeben Kredite nur an solche Leute, die eigentlich keine brauchen, weil sie schon genug besitzen.
Dieser OB hat offenbar von den mittelalterlichen (Raub-)Rittern das Siegen gelernt. In der schwäbischen Universitätsstadt Tübingen scheinen die Uhren anders zu gehen als anderswo. Mit Ritter-Gesten kann man hier sogar als Grüner punkten.
Man kann es fortschrittlich finden, wenn sich ein OB nicht mehr an seiner Parteizugehörigkeit messen lassen muss, weil er sich als Person längst emanzipiert hat von jedem Delegiertenbeschluss oder Parteistatut. Muss man aber nicht. Man kann auch sagen: So weit waren die Machthaber des Mittelalters auch schon: Erst Zustände erschaffen und stabilisieren, die Gewalt (re-)produzieren, und sich anschließend als Retterder Enterbten aufspielen.
Würde irgendwo auf dieser Welt eine verstaubte Chronik auftauchen, in der von einer mittelalterlichen grün-liberalen Bürger-Partei im deutschsprachigen Raum die Rede ist, wäre das jedenfalls eine echte Überraschung für mich.