Serienkolumne Die Couchreporter: Mehr Kapitalismus als Feminismus

„Girlboss“ zeigt das Leben der Unternehmerin Sophia Amoruso. Das soll ein Empowerment für junge Frauen sein. Doch funktioniert das?

Protagonistin Sophia sitzt mit einer großen Sonnenbrille auf der Nase in einem Auto

Sophia macht aus alten Klamotten teure Klamotten Foto: Karen Ballard/Netflix

Sophia (Britt Robertson) ist 23, wohnt in San Francisco und hat Geldprobleme. Keinen Job, keine Krankenversicherung und einen Leistenbruch, der dringend operiert werden muss. Aus der Not heraus versteigert sie ihre Lieblingsjacke auf eBay für gutes Geld – die Geburtsstunde ihres Modeunternehmens „Nasty Gal“, bei dem sie günstige Second-Hand-Fundstücke teuer weiterverkauft. Kurz darauf ist sie Millionärin.

Die American-Dream-Geschichte der neuen Netflix-Serie „Girlboss“ ist nicht frei erfunden, sondern basiert auf der gleichnamigen Biografie von Sophia Amoruso. Diese wurde mit Anfang 30 auf der Forbes-Liste zu einer der erfolgreichsten Selfmade-Frauen weltweit gekürt.

Amorusos Buch erzählt nicht nur ihre Lebensgeschichte, sondern soll wie auch die Serie ein Empowerment für andere junge Frauen sein, selbst zu Girlbosses zu werden. Amoruso beschrieb dies als einen neuen Feminismus für „girls in a man’s world“, der auch Spaß machen soll. Doch anstatt Feminismus zu feiern, geht es in der Serie vor allem darum, Kapitalismus zu feiern.

Alles für das große Geld

Die Protagonistin Sophia möchte unabhängig von dem Geld ihres Vaters erfolgreich werden. Sie hat das Glück, zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Land zu leben, als die Erfolgsgeschichte von E-Commerce gerade beginnt. Gefühle zeigt Sophia nur, wenn es um Geld geht. Als sie die ersten Banknoten für ihre verkaufte Jacke erhält, beginnt sie zu weinen. Außer für Fashion und das große Geld interessiert sich Sophia nur für eines – nämlich sich selbst.

Besonders deutlich wird dies, als ihre beste Freundin Annie fragt, ob sie für ihre tägliche Hilfe bei Nasty Gal bezahlt wird. Sophia entgegnet ihr, dass sie sie einfach durch eine unbezahlte Praktikant*in ersetzen kann. Als ihr Unternehmen wächst, wird ihr Umgang nicht freundlicher. Sie feuert willkürlich ihre Angestellten und flößt ihnen Angst ein, sodass sich diese nicht einmal mehr trauen, Toilettenpausen einzulegen.

Auch in der Realität wurde Amoruso für ihren Führungsstil stark kritisiert. Vier Mitarbeiter*innen reichten Klage ein: Sie warfen ihrer Chefin vor, dass sie ihnen kündigte, als sie schwanger wurden.

Ist das noch Feminismus?

Was also ist die feministische Message von „Girlboss“? Denk nur an dich selbst und an den Profit, so wirst du auch als Frau erfolgreich? Nur wer hart arbeitet und rücksichtslos ist, kann etwas werden? Mehr kapitalistisch als feministisch.

Doch auch abgesehen davon, macht die Comedy-Serie keinen Spaß. Und das ist überraschend: Denn Drehbuchautorin Kay Cannon hat mit ihren Pitch Perfect-Musikfilmen bewiesen, dass sie Komödie kann, Britt Robertson brillierte als Casey in Tomorrowland und Charlize Theron, die Girlboss mitproduziert, überzeugte schon mehr als einmal. Doch Girlboss zeigt eine Protagonistin, die mit ihrem Narzissmus und ihrer Rücksichtslosigkeit nervt.

Sophia wurde schon mit Don Draper aus „Mad Men“ und Walter White aus „Breaking Bad“ verglichen. Antihelden, die auch skrupellos sind, jedoch nicht ihre Coolness verlieren. Vielleicht ist das die wahre Message von Girlboss: die Zuschauer*innen darauf aufmerksam zu machen, welche Eigenschaften wir bei Frauen verachten und bei Männern glorifizieren. Und das wäre dann ja doch feministisch.

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Ressortleitern bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.

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