Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Alles Schlampen außer Mutti
Eine Gewerkschafterin beschuldigt CDU-Spitzenkandidat Günther, sie als „Ver.di-Schlampe“ bezeichnet zu haben. Die CDU wittert eine Verschwörung.
In der NDR-Sendung wies Günther diesen Vorwurf zurück. Solche Wörter benutze er überhaupt nicht. Schwohn, die im September 2014 für die Gewerkschaft Ver.di die Interessen von Uni-MitarbeiterInnen im Bildungsausschuss vertreten hatte, legte aber sofort nach. Man könne diese Aussage Günthers in den Landtagsprotokollen nachlesen. Damit beginnt eine Geschichte, die offenbar mehr als zwei Seiten hat.
Schnell recherchiert war, dass sich die Beleidigung eben nicht in den Landtagsprotokollen finden lässt. Ebenso schnell ließ sich feststellen, dass Schwohn seit 40 Jahren Mitglied der SPD ist und unter anderem im Kreisvorstand der Flensburger Genossen sitzt. Deren Vorsitzender Florian Matz sagte auf taz-Nachfrage: „Den Vorwurf kenne ich schon länger. Ich habe aber keine Ahnung, ob das stimmt oder nicht. Ich habe jedenfalls nichts davon gewusst, dass Frau Schwohn in der Wahlarena ist.“
Gabi Schwohn, die der taz eigentlich für ein Interview zur Verfügung stehen wollte, sagte dies am Mittwochmorgen kurzfristig ab. Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt sei es für sie das Beste, keine Interviews zu geben. Weitere Erklärungen sollten zu gegebener Zeit folgen. So viel verriet sie dann doch: „Es wird zu dem Vorfall eidesstattliche Versicherungen geben.“
Das TV-Duell: 120 Zuschauer hat der NDR durch das Forscherinstitut infratest dimap für die Wahlarena, also für das TV-Duell, aussuchen lassen. Sie alle waren aufgefordert, den Kandidaten Torsten Albig (SPD) und Daniel Günther (CDU) Fragen zu stellen. Parteifreunde waren eigentlich nicht vorgesehen.
Der Skandal: Gegen Ende der einstündigen Sendung meldete sich Gabi Schwohn, um eine Frage zum Wohnraum in Schleswig-Holstein zu stellen. Ziemlich unvermittelt sagte sie dann zu CDU-Mann Daniel Günther: „Sie haben mich mal Ver.di-Schlampe genannt.“
Die Folgen: Die CDU fordert nun von Gabi Schwohn eine Entschuldigung und vermutet eine SPD-Schmutzkampagne dahinter, weil Schwohn unter anderem Mitglied des Kreisvorstands Flensburg ist.
Am Mittwochabend bestätigte Schwohn der taz diesen Schritt erneut. Das heißt also: Schwohn steht voll hinter ihrer Aussage, weswegen ein Rechtsstreit mit der CDU quasi unumgänglich ist. Die ließ in einer Pressemitteilung nämlich bereits verlauten, dass sich die Partei zivil- und strafrechtliche Schritte gegen Schwohn vorbehalte und von ihr eine Klarstellung und auch eine Entschuldigung erwarte.
Ein grobes Wahlkampffoul?
Brisant ist, dass Gabi Schwohn wohl zwei Zeugen für den Vorfall im Landtag hat. Nach Ende des TV-Duells sagte sie der taz, dass auch Anke Boettcher-Krause damals die Beleidigung mitbekommen habe. Boettcher-Krause sitzt dem Personalrat der Universität Lübeck vor – und bei Ver.di ist sie die Vorsitzende für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Landesbezirk Nord. Zu den Vorwürfen Schwohns lautete am Mittwoch auf Nachfrage ihr einziger Kommentar: „Kein Kommentar.“ Ob auch sie eine eidesstattliche Erklärung abgegeben hat oder noch eine abgegeben wird, ist unklar. Den Namen des zweiten Zeugen nannte Schwohn nicht.
Bei der CDU strickt man derweil munter an einer Verschwörungstheorie und unterstellt der SPD ein grobes Wahlkampffoul. „Nach den Regularien hätte diese SPD-Funktionsträgerin gar nicht im Studio sein dürfen. Es gab eine klare Absprache zwischen NDR, CDU und SPD“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Tobias Koch. „Dort wurde klargestellt, dass die Identität aller Studiogäste überprüft wird, um Funktionsträger der Parteien von der Sendung auszuschließen, damit derartige unfaire Angriffe und Fragen vermieden werden können.“ Koch könne sich außerdem auch nicht vorstellen, dass Ministerpräsident Torsten Albig SPD-Frau Gabi Schwohn nicht persönlich kenne und verwies auf „mittlerweile gelöschte Facebook-Beiträge“, die auf eine solche Bekanntschaft schließen ließen.
Schleswig-Holsteins SPD-Landesschef Ralf Stegner ließ unterdessen mitteilen, dass Gabi Schwohn eben nicht als SPD-Mitglied, sondern als ver.di-Vertreterin im Publikum saß. Man sehe keinen Grund, sich weiter dazu zu äußern.
„Offenbar ist es also im Sinne von Albig und Stegner, wenn SPD-Funktionsträger durch eine Schmutzkampagne von Albigs Leistung in der Wahlarena und dem Versagen der Landesregierung ablenken“, sagte CDU-Mann Günther am Mittwochabend. „Auf den Leim gehen wir der SPD nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind