Miteinander reden und einander zuhören

Vielfalt Das Ende rigider Geschlechternormen und endlich kein Widerspruch mehr zwischen formaler und realer Gleichstellung. Aus dem Leben von Menschen, die Visionen haben

FaulenzA ist Musikerin und Autorin aus Berlin. Sie ist Singer-Songwriterin und macht HipHop
: Nicht alle Frauen haben eine Vulva und Brüste und menstruieren

Foto: privat

Dass Rechtspopulist_innen stärker werden, macht mir große Sorgen. Sie verbreiten Rassismus, Sexismus und Hass auf alles, was anders ist. Trans*feindliche und homofeindliche Positionen werden selbstbewusster vertreten. Den Hass, der so angestachelt wird, kriege ich auf der Straße mit. Oft erkennen Leute, dass ich keine cis*Frau bin und lesen mich als trans*Frau, schwulen Mann und_oder Tunte. So passiert es häufig, dass mir Menschen etwas Unfreundliches hinterherrufen, sich über mich lustig machen. Auch bin ich schon mehrfach bedroht oder begrapscht worden. So was macht mich jedes Mal völlig fertig. Ähnliche Erfahrungen machen viele diskriminierte Personen, und ich nehme in der trans*Community und der Antirassismusbewegung Angst vor der Zukunft war.

Als trans*Frau passe ich nicht in Geschlechterrollenerwartungen oder Körpernormen. Die feministische Szene bietet mir Halt. Hier kann ich mich weiterentwickeln und habe viel über Unterdrückungsmechanismen und andere Diskriminierungsformen, aber auch über Privilegien gelernt. Immer mehr Feminis­-t_in­nen haben auf dem Schirm, dass auch Trans*Frauen von Sexismus und Patriarchat betroffen sind. Leider ist es aber immer noch so, dass ich mich als trans*Frau nicht mitgedacht fühle. Gerade dann, wenn Körperlichkeit thematisiert wird.

Oft wird davon ausgegangen, dass alle Frauen eine Vulva und Brüste hätten und menstruieren. So wird eine feministische Gemeinschaft konstruiert. Wer nicht dazugehört ist klar. Auf Events gibt es „Vulva-Kuscheltier basteln“, eine Ausstellung von Menstruationsblut-Kunst und Workshops über „Frauenkörper“, die nur cis*Körper zeigen. Empowerment zum Thema Körperlichkeit finde ich wichtig. Das Ziel von feministischem Empowerment ist aber meiner Meinung nach verfehlt, wenn dadurch Weiblichkeiten diskriminiert werden, die nicht der Norm entsprechen. Da finde ich es wichtig, zu sehen, dass es Frauen mit unterschiedlichen Körpern gibt. Und man muss nichtbinäre trans*Personen und inter*Menschen mitdenken. Ich wünsche mir, dass trans*Weiblichkeiten als selbstverständlicher Teil des Feminismus akzeptiert werden.

Damit eine freie Gesellschaft entsteht und vor rechten Einflüssen geschützt bleibt, müssen wir miteinander reden und uns gegenseitig zuhören. Wir müssen es wagen, Diskriminierungen anzusprechen, diese inSolidarität miteinander kritisieren, voneinander lernen und uns die eigenen Privilegien bewusst machen. Lasst uns Schönes kreieren, über Träume sprechen und einander gut tun!

Protokoll: Marlene Halser

Diana Lehmann, 33, ist Politikerin in Thüringen
: In der DDR gab es die Gleichstellung der Geschlechter – zumindest formal

Foto: Foto:Schleser

Ich engagiere mich seit vielen Jahren im sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Seit inzwischen zehn Jahren bin ich in der SPD aktiv, seit etwas mehr als zwei Jahren vertrete ich die SPD im Thüringer Landtag. Dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts ungleich behandelt oder diskriminiert werden, bewegt mich aber schon wesentlich länger.

Ich bin im Osten aufgewachsen, wo es die Gleichberechtigung der Geschlechter zu DDR-Zeiten formal schon gab. Meine Mutter war ihr Leben lang Vollzeit berufstätig. Und nicht nur sie – das trifft auch auf die Mütter meiner Freundinnen und Freunde zu. Das war normal und immer ein wichtiges Indiz für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Dennoch haben in der Regel die Frauen die Haus- und Betreuungsarbeit übernommen. Und zwar zusätzlich zu ihrem Fast-9-Stunden-Tag.

Ich bin in einer Gesellschaft groß geworden, die einerseits der Gleichberechtigung von Geschlechtern eine besondere Rolle zuschrieb. Auf der anderen Seite unterstellte sie Frauen und Männern aber unterschiedliche Talente. Das hat mich sehr geprägt – als Mensch und als Feministin.

Daran etwas zu ändern ist der Motor für meine politische Arbeit. Ich möchte in einer Welt leben, in der es keine Rolle mehr spielt, woher ich komme, welche Voraussetzungen ich mitbringe oder ob ich als Frau oder als Mann geboren bin. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die sich darum bemüht, ungleiche Voraussetzungen auszugleichen und gleiche Chancen für alle zu schaffen.

Wir erleben gerade eine Zeit, in der es darum geht, unsere Grundwerte zu verteidigen. Die AfD versucht Konkurrenz und Neid zwischen unterschiedlichen Gruppen zu schüren. Wir müssen zeigen, dass für uns Gleichberechtigung nicht nur eine Floskel ist. Die AfD sagt, dass sie die Werte der christlich-abendländischen Welt verteidigen will, und stellt sie dabei wie kaum ein anderer infrage. Weil sie Nächstenliebe und Solidarität infrage stellt – für alle, die nicht ihrem Weltbild entsprechend leben.

Ich bin der festen Überzeugung, dass solche Menschen damit nicht die Mehrheit unserer Gesellschaft repräsentieren.

Protokoll: Katrin Gottschalk