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Linke, Grüne und Martin SchulzRot-rot-grüner Aufbruch muss warten

Sahra Wagenknecht (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) halten demonstrativ Distanz zum neuen SPD-Spitzenmann Schulz.

Hat auch an Schulz viel Kritik: Sahra Wagenknecht Foto: dpa

Berlin taz | Rot-Rot-Grün steht – zumindest was die SpitzenkandidatInnen anbelangt. Nach Linkspartei und Grünen haben sich nun auch die Sozialdemokraten festgelegt – auf Martin Schulz.

Die beiden Spitzenfrauen von Grünen und Linken, Katrin Göring-Eckardt und Sahra Wagenknecht, stehen Schulz erst einmal abwartend gegenüber. „So wie ich ihn in Brüssel kennengelernt habe, würde ich sagen, er ist ein guter Kandidat für die sozialdemokratische Kernklientel, die Gewerkschafts-SPD“, sagte Göring-Eckardt der taz. Ein anderes Milieu als die grüne Stammwählerschaft also. „Bei der SPD geht es in der Arbeitsmarktpolitik um den männlichen Arbeitnehmer mit 45 Jahren Arbeitserfahrung. Wir nehmen alle Biografien in den Blick: Arbeiter, Geringverdiener, Studierende, Selbstständige und vor allem auch Frauen. Ob Martin Schulz ausgreifen kann, wird man erst noch sehen.“

Auch die Frontfrau der Linken, Wagenknecht, äußert sich zum designierten SPD-Spitzenmann zurückhaltend bis distanziert. „Ich will nicht die Türen zuschlagen, bevor er überhaupt gewählt ist, aber ausgeprägt optimistisch, dass es besser wird, bin ich nicht“, meinte Wagenknecht am Mittwoch vor Journalisten. Wagenknecht ist skeptisch, ob die SPD mit Martin Schulz auch ein sozialeres Profil bekommt. „Ich habe die Sorge, dass ein neues Gesicht nicht mit neuen Inhalten einhergeht“, sagte sie. Schulz habe sich nie kritisch zur Agenda 2010 geäußert.

Doch während Schulz bei Göring-Eckardt zumindest europapolitisch punkten kann – „Er hat eine proeuropäische Grundhaltung, die ich teile“ –, geht Wagenknecht in diesem Punkt ebenfalls deutlich auf Distanz: Sie kritisiert den langjährigen EU-Parlamentspräsidenten dafür, dass er Europa „unreflektiert“ verteidige. Während Schulz mehr Kompetenzen an die EU übertragen möchte, hält Wagenknecht genau das Gegenteil für richtig. Allerdings ist sie mit dieser Meinung auch in ihrer eigenen Partei umstritten.

Wagenknecht wie Göring-Eckardt taxieren Schulz also, sehen allerdings nicht, dass die Chancen für eine rot-rot-grüne Bundesregierung mit seinem Antritt steigen. Ohnehin gilt: Für einen auf eine solche Koalition zugeschnittenen Wahlkampf sind beide nicht zu haben. „Es bleibt bei unserer Positionierung. Wir werden ohnehin keinen Lagerwahlkampf führen“, meinte Wagenknecht. Göring-Eckardt betonte: „Ich ziehe in den Wahlkampf mit einem grünen Programm und mit dem Versprechen, dass wir davon zentrale Punkte in einer Koalition umsetzen werden.“Egal in welcher – diese Option wollen sich die Grünen bewusst offenhalten.

Ich habe die Sorge, dass ein neues Gesicht nicht mit neuen Inhalten einhergeht

Sahra Wagenknecht

Axel Schäfer, SPD-Gastgeber des Trialogs, eines rot-rot-grünen Treffens von Abgeordneten, ist dagegen verhalten optimistisch, dass mit Schulz frischer Wind in das Projekt Rot-Rot-Grün kommt. „Martin Schulz hat im EU-Parlament Erfahrungen gesammelt, welche Mehrheiten jenseits konservativer möglich sind“, sagte Schäfer der taz. Für das abgesagte Trialogtreffen vom Dienstag, für das neben Schulz auch Bodo Ramelow (Linke) zugesagt hatte, gab es 151 Anmeldungen – Rekord. Die Begegnung soll bald nachgeholt werden.

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39 Kommentare

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  • Gut, dass die Realpolotikerin Sahra Wagenknecht kritisch auf Distanz bleibt zum EU-Nostalgiker Schulz und zur Christliberalin Göring-Eckardt.

     

    Die Linke muss gegenüber den ehrgeizigen Mitte-Fraktionen selbstbewusst-gelassene Eigenständigkeit beweisen.

  • Ich glaube nicht, dass Rot-Rot-Grün eine Chance hat. Da liegen doch zu viele Positionen dazwischen. Schulz ist ein kleiner Lichtblick - sicherlich, aber es leben Millionen Menschen in Deutschland in Armut und Arbeitslosigkeit, weil die SPD die radikale Sicht der Agenda-2010 übernommen hat und diese Linie wird in der Regierung durch die CDU/CSU auch praktisch umgesetzt - schon zwei ganze Legislaturperioden mit der SPD. Warum sollte Schulz da jetzt massiv rausbrechen und 'Reformen' für Durchschnittsmenschen initieren, wenn die SPD bundesweit auf Nähe zur Wirtschaft und Distanz zu Normalos geht? Außerdem fehlt mir noch ein echtes Wechselmotiv. Vor 1998 haben Lafontaine, Fischer und sogar Schröder sehr massiv am Stuhl von Kohl gesägt. Da war schon lange etwas in Bewegung und auch sehr viel Druck wurde aufgebaut. Zuvor hatte die SPD wirklich in vielen Bundesländern die Regierung stellen können. Das sehe ich bislang nicht, außer guten Umfragen für Schulz. Aber darüberhinaus ist er noch lange nicht gekommen. Und vielleicht bleibt es auch dabei. Bei der SPD kann man nie wissen, Steinbrück und Steinmeier sind auch gut gestartet und dann untergegangen - denen fehlt einfach ein echtes Wechselkonzept - ein Angriff auf Merkel blieb jedes Mal aus. Alles schien die Plakate der CDU 'Weiter so' zu bestätigen. Außerdem haben viele Menschen auch Angst davor, dass die SPD zurück kommt und ihnen wieder etwas weg nimmt, dieses Mal vielleicht die Krankenversicherung oder den Kündigungsschutz oder irgendetwas anderes ...

  • Es gibt grundsätzlich keinen rot rot grünen Aufbruch.

    Wie soll es einen Aufbruch geben mit 2 Parteien die wie kaum etwas anders für das Gestern stehen?

  • R-R-G ist doch schon in Berlin ein Graus und ein abschreckendes Beispiel an Inkompetanz. Warum sollte man sowas im Bund wiederholen? Somit bitte nicht noch mehr Ex-IM (SED-)-Eskapaden und "Deutschland verrecke" Attitüden. Die aktuelle berliner Stadtpolitik ist schon schrecklich genug!

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Berlin liebt Wolkenkratzer:

      RRG ist mittlerweile allerdings das geringere Übel, da die CDU in Berlin doch noch unprofessioneller ist. Mit den Schwarzen hat es in Berlin auch nicht funktioniert seit etlichen Dekaden bzw. noch schlechter. RRG hat zumindest bisher keine Bank ausgeraubt wie damals unter Diepgen oder einen Innensenator Henkel vorzuweisen, der vor Gericht von der Richterin eindeutig der Unprofessionalität und Inkompetenz überführt wurde! Also die CDU Sympathisanten hier sollen mal schön den Ball flach halten.

  • "Sahra Wagenknecht (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) halten demonstrativ Distanz zum neuen SPD-Spitzenmann Schulz."

     

    Alles andere wäre auch naiv und Naivität hat in der Politik keine Chance. Grüne und Linke sollte sehr offensiv ihre Inhalte in den Mittelpunkt stellen. Rechnerisch steht Rot-Rot-Grün aufgrund der AfD auf verlorenem Posten. Aber ein offensiver Wahlkampf von Links (Line) bis in die bürgerliche Mitte (Grüne, SPD, CDU) kann die AfD auch wieder einfangen, weil sie da in ihrer Unvollständigkeit sichtbar werden wird.

  • Hier streitet man sich über rechts und links im Thread. Eine gute länderübergreifende Nachricht wird vergessen von der taz.

    Der frz Stromkonzern EDF peilt die Schließung des umstrittenen AKW in Fessenheim an.

    Der EDF-Verwaltungsrat stimmte der Schließung zu, sofern die frz Regierung einer einmaligen Entschädigung von € 490 Mio zustimmt.

    Fessenheim liegt in der Nähe von Freiburg an der Grenze zu uns !!!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Pink:

      taz.de am 24.1.2017:

      "Ende von Pannen-AKW rückt näher"

       

      Dazu 1 Kommentar - von mir...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Hoppla, da hab ich meine Printausgabe nicht umfassend gelesen. Nehme alles zurück :-))~~

  • Göring-Eckardt meint 'Wir nehmen alle Biografien in den Blick: Arbeiter, Geringverdiener, Studierende, Selbstständige und vor allem auch Frauen.'

     

    Das ist pure Wahl-Propaganda. DEnn in der Wählerschaft der GRÜNEN sind Arbeiter absolut unterrepäsentiert, wie diese Studie zeigt:

    http://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/42159/wahlergebnisse-und-waehlerschaft

     

    U.a. ist die 'Verbürgerlichung' der GRÜNEN daran ablesbar, dass ihre Wähler überdurchschnittlich viel verdienen. Hier haben sie nach verschiedensten Untersuchungen bereits die FDP-Wähler überholt.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Schulz ist links, das nennt man dann wohl jetzt, Trump sei Dank, "alternative Wahrheit".

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Gabriel, Oppermann, Zypries, Schulz, Steinmeier, ...

       

      alles linke Zecken da im Seeheimer Kreis :)

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "... Wir werden ohnehin keinen Lagerwahlkampf führen“, sagte Wagenknecht ..."

     

    Dürfte auch schwierig sein, wenn man die Füße in zwei weit voneinander entfernten Lagern stehen hat.

    Auch "Spagat" genannt...

    • @571 (Profil gelöscht):

      Objektive Kommentare sind allemal interessanter als GRÜNEN-Wahlpropaganda, auch wenn sie aus Schwaben kommt.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Nikolai Nikitin:

        ?

        Danke für die Blumen.

        Hätte ich jetzt nicht erwartet;-)

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      ...vielleicht sollten Sie sich mal etwas eingehender mit der Partei Die Linke beschäftigen und nicht nur irgendwelche 'fakenews' übernehmen, wär doch was, oder nicht?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Sie beziehen sich auf meinen Kommentar mit dem Wagenknecht-Zitat.

        Mit der Partei beschäftige ich mich natürlich schon, zweifle aber bei der Personalie Wagenknecht an der eindeutigen Ausrichtung. Immerhin ist sie deswegen auch parteiintern nicht unumstritten.

        • 8G
          81331 (Profil gelöscht)
          @571 (Profil gelöscht):

          Wie kommen Sie auf die Idee, Sahra Wagenknecht sei "parteiintern nicht unumstritten"? Soweit ich informiert bin, steht die Partei hinter ihr. Das Einzelne innerhalb einer Partei immer anderer Meinung sein werden, oder selber versuchen, nach oben zu kommen, ist normal.

        • 3G
          36855 (Profil gelöscht)
          @571 (Profil gelöscht):

          Genau dies ist das Problem der Partei "Die Linke".

          Würden Sie Wagenknecht folgen, hätten sie viel mehr Zustimmung und würden auch gewählt.

          Das erfahre ich immer wieder in Gesprächen und Diskussionen.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Schulz ist links?

    Das ist an mir vorbeigegangen, und an anderen auch, wie ich sehe.

    Das wird nix, wenn sich die SPD nicht gewaltig an ihre Funktion als Arbeitnehmerpartei erinnert und auch endlich wieder danach handelt.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @36855 (Profil gelöscht):

      "Arbeitnehmer" wählen heute anders. Selbst wenn die SPD sich mehr Arbeitnehmerthemen annähme, ließe der "Protest" nicht so schnell nach.

      Lägen Sie richtig, wäre die LINKE aktuell eine "Volkspartei".

      • @571 (Profil gelöscht):

        Schaut man sich Wagenknechts Äußerungen an, scheint "Volks"-Partei wohl das aktuelle Ziel zu sein.

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Mit den Anführungszeichen akzentuieren Sie jetzt das Problem Wagenknecht etwas anders als ich die LINKE.

          So weit würde ich (noch) nicht gehen, aber warten wir mal den Wahlkampf ab.

          Wenn es ums Einfangen verlorengegangener Schäfchen geht, ist manche/r Linke vllt. nicht ganz so zimperlich...

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Schulz ist links und proeuropäisch. Er neigt nicht zur Ausgrenzung von Minderheiten wie zB. Flüchtlingen. Das passt natürlich nicht zu Nationalbolschewisten wie Sahra Wagenknecht ...

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @60440 (Profil gelöscht):

      Wie rechts muss man sein, damit Schulz für einen links ist?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @849 (Profil gelöscht):

        "Wie rechts muss man sein, damit Schulz für einen links ist?"

         

        Ziemlich weit - ungefähr bei seinem Parteifreund Thilo Sarrazin.

        Naja, nicht ganz;-)

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @60440 (Profil gelöscht):

      "Schulz ist links..."







      sehr:



      https://www.taz.de/!5356413/



      https://www.youtube.com/watch?v=0RDRh1FcBpk



       

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Liebe taz-Red., sind DWn jetzt rechts, fake-news oder einfach nur zu unkonform?

         

        Mein Link No. 3 ist weg.

        Kurz: es ging um Klüngelei von Junker und Schulz bei der juristischen Nichtverfolgung der steuerlichen Lux-affäre.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Was genau ist denn links an Schulz? Die Unterstützung für die Konservativen? Die Unterstützung für den Abbau von Sozialleistungen in Griechenland?

    • @60440 (Profil gelöscht):

      // Schulz ist links ...

       

      Ernsthaft?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Nachtvogel:

        "Ernsthaft?"

         

        Nö, relativ...

    • 3G
      36855 (Profil gelöscht)
      @60440 (Profil gelöscht):

      Schulz ist links? Da habe ich etwas verpasst!

      Wo genau ist "links" bei Schulz auszumachen?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @36855 (Profil gelöscht):

        Vielleicht reicht da schon die SPD-Mitgliedschaft?

        • @571 (Profil gelöscht):

          würde für Andrea Nahles auch passen...

           

          SPD hält nicht, was drauf steht.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Lobbyhörigkeit gilt heutzutage schon als links?

       

      Das Wagenknecht ein Paradebeispiel für Nationalbolschewismus ist, ist unumstritten.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @IL WU:

        "Das Wagenknecht ein Paradebeispiel für Nationalbolschewismus ist, ist unumstritten."

         

        Dann bitte ich um eine Definition für "unumstritten".

         

        Umstrittener als dieses Thema ist momentan kaum eines im Forum...

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Lieber Sebastian, Ihre beiden ersten Sätze finden meine Zustimmung. Der letzte nicht! Sarah Wagenknecht ist eine klarsichtige Selbstdenkerin.