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Kommentar CSU-Klausur in SeeonEin Mann, ein Rätsel

Attacken und Lob, Drohungen und Dementi: Horst Seehofer treibt ein eigenartiges Spiel. Zu durchschauen ist es nicht – aber gefährlich.

Selbst die CSU rätselt: was genau will der mysteriöse Horst Foto: dpa

Was will Seehofer? Die Wege kaum eines deutschen Politikers sind so unergründlich wie die des bayerischen Ministerpräsidenten. Die Verwirrung über diesen Mann reicht weit hinein auch in die eigene Partei. Seehofer selbst scheint dieses Image zu genießen, spielt mit ihm, befördert es. Das zeigt sich auch jetzt wieder bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon, mit der die Christsozialen in ein hochpolitisches Jahr starten.

Eigentlich wäre es der Zeitpunkt, nun einen Schlussstrich unter den Streit mit der CDU zu ziehen und sich auf die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu konzentrieren.

Stattdessen zündelt der bayerische Ministerpräsident weiter gegen die eigene Schwester: Erneut stellt er das Treffen der Parteipräsidien Anfang Februar in Frage und bekräftigt seine Drohung, nach der Bundestagswahl in die Opposition zu gehen, falls im Koalitionsvertrag keine Obergrenze stehe. Klingt nicht nach gemeinsamem Wahlkampf.

Was also bezweckt Seehofer? Natürlich darf man ihm abnehmen, dass er, wie er es neulich in einem Interview formulierte, nicht in gebückter Haltung durch Bayern gehen möchte, weil er einen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Bis vor anderthalb Jahren war er noch der Meinung, er könnte als der Ministerpräsident in die Geschichtsbücher eingehen, der die CSU langfristig zurück zur absoluten Mehrheit geführt hat. Danach sieht es momentan nicht unbedingt aus.

Will der der AfD den Wind aus den Segeln nehmen?

Nach den derzeitigen Umfragen würde die AfD 2018 mit neun Prozent der Stimmen in den bayerischen Landtag einziehen, Politiker von bis zu fünf Fraktionen könnten künftig neben den CSU-Abgeordneten im Maximilianeum Platz nehmen. Man kann nur vermuten, dass Seehofers Ziel ist, der AfD zumindest in Bayern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er die CSU selbst als rechtes Bollwerk gegen Berlin positioniert – also genau das, wovor er und andere CSU-Politiker in ihren Sonntagsreden stets warnen.

Diese Vermutung würde Seehofer natürlich weit von sich weisen. Und in der Tat kann der Mann auch ganz anders. Je nach Anlass tritt er moderat oder aggressiv auf. Er beschwört seine Koalition mit dem Bürger, aber verwahrt sich zugleich gegen den Vorwurf des Populismus; er betont die Gemeinsamkeiten mit der CDU und setzt dennoch vornehmlich die angeblich so wenigen Differenzen in Szene; er setzt auf Sieg bei der Bundestagswahl, warnt sogar vor einem Schlachtfest für den Fall einer Niederlage und gleichzeitig kündigt er den Gang in die Opposition an, sollte sich die CDU nicht dem Willen der kleinen Schwester beugen.

Mal spricht er von „massenhaftem Asylmissbrauch“, dem „Recht auf Notwehr“ der deutschen Mehrheitsgesellschaft und droht der Bundesregierung in einem Ultimatum mit dem Verfassungsgericht, dann wieder erzählt er, wie vertrauensvoll die Kanzlerin und er doch eigentlich zusammenarbeiteten.

Die Devise des CSU-Chefs scheint zu sein: Wird schon werden. Mit anderen Worten: Die CDU wird schon einlenken – zumindest so weit, dass man es in Bayern als Einlenken verkaufen kann

Die Attacken gegen Merkel tut Seehofer als die normalen Spannungen zwischen den Unionsparteien ab. Und mit keinem Wort erwähnt er, was denn werde, wenn sich die Unionsparteien nicht einig würden. Die Devise des CSU-Chefs scheint zu sein: Wird schon werden. Mit anderen Worten: Die CDU wird schon einlenken – zumindest so weit, dass man es in Bayern als Einlenken verkaufen kann.

Und wenn nicht? Hat Seehofer einen Plan B? Gar eine Strategie? Man weiß es nicht. In jedem Fall ist es ein gefährliches Spiel. Seehofer riskiert dabei nicht nur die Einheit der Union, den Erfolg bei der Bundestagswahl und eine positive Erwähnung in den Geschichtsbüchern, im schlimmsten Fall beschädigt er die Parteienlandschaft so sehr, dass darauf radikale Kräfte noch prächtiger blühen können als bisher.

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14 Kommentare

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  • Herr Seehofer hat ein Interesse an der Sicherheit der schon länger in Deutschland lebenden. Da alle anderen ideologisch Träumen redet er von der Wirklichkeit und sorgt sich ehrlich.

    So einfach ist das und hat mit schielen auf die AfD wenig zu tun.

  • Als Unterstützer der Forderung nach einer Höchstgrenze stellt sich für mich die Frage, wer eigentlich an dem Desaster bei der Union die Schuld trägt. Ein agil auftretender Herr Seehofer oder eine sehr träge und müde wirkende Frau Merkel. Bei beiden geht es inzwischen um den befürchteten Gesichtsverlust.

     

    Schade, dass die CSU nicht im gesamten Bundesgebiet gewählt werden kann.

  • Seehofer wirkt wie ein extrem Getriebener. Getrieben wird er von der AfD, die damit über die CSU Politik machen kann. Historisch gesehen ist die "Strategie" von Seehofer aber kontraproduktiv. Ich glaube sogar Franz Josef Strauß hätte das besser verstanden und eigene Akzente gesetzt, statt den Faschisten als Steigbügelhalter zu dienen. Seehofer ist gegen Strauß aber intellektuell auch nur ein kleines Licht.

  • Ich denke, dass dieser Zwist zwischen Merkel und Seehofer taktisch sinnvoll ist, um eine höhere Bandbreite bei der kommenden Wahl abzudecken.

     

    Hoffentlich kann die Union dadurch der AFD und den R2G-Träumern den Wind aus den Segeln nehmen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @IL WU:

      Schwer zu vermitteln, dass ein Zwist zwischen Schwesterparteien wahltaktisch sinnvoll sein soll, @IL WU.

      Es geht ja schließlich um eine Art Glaubensfrage innerhalb der Union.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Es scheint, als ginge es um kaum mehr als die Gefahr, das Gesicht zu verlieren.

    Seehofers Gedanken dürften daher auch um das Problem kreisen, wie ein Einlenken ohne Gesichtsverlust zu schaffen wäre. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr und die AfD sitzt keinem Politiker brutaler im Nacken als ihm.

    Das hat er sich aber selbst eingebrockt.

    Und wenn er denn gehen muss - pfiadi!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Im Moment sucht lt. Gerda Hasselfeldt die CSU in Seeon nach einem Kompromiss zum Thema "Obergrenze".

    • @571 (Profil gelöscht):

      Stimme Ihnen zu!

    • @571 (Profil gelöscht):

      "die AfD sitzt keinem Politiker brutaler im Nacken als ihm"

       

      Begründung?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Jens Egle:

        Schon wieder: Um 1 Ecke denken...

  • Ich glaube nicht, dass ein Einlenken bei der Obergrenze überhaupt gewünscht ist. Seehofer wäre politisch an dieses Projekt gekettet und müsste die Suppe dann auch öffentlich auslöffeln. Und nimmt die Union durch diese Debatte wirklich Schaden? Ein Wählerklientel von Pro bis Anti-Asyl abzudecken, könnte gar nicht mal die dümmste Idee sein.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Wombot:

      "Ein Wählerklientel von Pro bis Anti-Asyl abzudecken, könnte gar nicht mal die dümmste Idee sein."

      Die Union als Wischiwaschi-Partei des Sowohl-als-auch?

      Zu dieser "Wählerklientel" will wohl niemand gehören.

      Vielleicht nicht die dümmste, aber die zweitdümmste Idee...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Könnte schon funktionieren, schließlich ist die Gruppe der konservativen Wähler intellektuell unterm Durchschnitt zu verorten.

         

        so sagen zumindest wissenschaftliche Untersuchungen...

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Grisch:

          Könnte sein. So weit würde ich aber nicht gehen wollen.

          Im Falle Bayern halte ich die jahrzehntelange Dauerherrschaft mit der einhergehenden Gewöhnung und gewissem Mia-san-mia-Gefühl, florierender Wirtschaft (keine Experimente) und katholisch geprägter Sozialisation © für wahrscheinlichere Ursachen.

          Viele hören den Södern und Konsorten vielleicht gar nicht mehr zu und wählen einfach immer dieselben.