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Armuts- und ReichtumsberichtSelbstzensur einer SPD-Ministerin

Alle Jahre wieder legt die Regierung ihren Armuts- und Reichtumsbericht vor. Vor der Bescherung werden dann die interessanten Stellen gestrichen.

Passt nicht ins Bild? Einfach streichen Foto: dpa

Es weihnachtet sehr, Besinnlichkeit ist angesagt, auch wenn kurz davor in öffentlich-rechtlichen Talkshows die Stimmung gegen Flüchtlinge, die den so großzügigen deutschen Sozialstaat ausbeuten, noch einmal kräftig angefeuert wurde. Um den Sozialstaat geht es auch in dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Denn was ist der demokratische Sozialstaat wert, wenn er die skandalöse Ungleichheit in einer Gesellschaft nicht bekämpft? Und da ist so ein Armuts- und Reichtumsbericht eine Gelegenheit, auf diese Ungleichheit hinzuweisen.

Einigen wird noch in Erinnerung sein, dass für einen der letzten Armuts- und Reichtumsberichte aus dem Jahr 2013 die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verantwortlich zeichnete. In dem 549 Seiten starken Bericht vom März 2013 war die bizarre Erkenntnis zu lesen: „Die Bundesregierung prüft, wie weiteres persönliches und finanzielles freiwilliges Engagement Vermögender in Deutschland für das Gemeinwohl eingeworben werden kann.“ Und es fand sich keine einzige differenzierte Aussage zum Reichtum Deutschlands. Na gut, könnte man sagen. Das war in einer CDU/FDP-Regierung nicht anders zu erwarten.

Was gab es damals für eine heftige Kritik, nachdem bekannt wurde, dass brisante Aussagen auf Druck der damals mitregierenden FDP gestrichen wurden. Wie die Aussage, dass die Einkommensverhältnisse privater Vermögen in Deutschland ungleich verteilt sind. Damals kritisierte SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass die Wirklichkeit „gefälscht, Statistiken verändert, retuschiert und Zensur ausgeübt“ wurde. Die damalige SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles tobte: „Alle diese Wahrheiten – rausgestrichen, weil sie nicht ins Weltbild passen der jetzigen Bundesregierung. Vor Fälschung wurde hier nicht zurückgeschreckt.“ Starke Worte einer engagierten SPD-Politikerin.

Und heute, drei Jahre später? Jetzt ist Andrea Nahles selbst Arbeitsministerin in der Bundesregierung. Und sie legt, kurz vor der Bundestagswahl 2017, den neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vor. Natürlich kann es unter einer SPD-Arbeitsministerin keine Zensur geben.

Jürgen Roth

Von Jürgen Roth ist gerade erschienen: „Schmutzige Demokratie“, ecowin Verlag

Wenn die Medienmeldungen stimmen, die jetzt bekannt wurden, hat sie genau das getan. Demnach wurde in der ersten Fassung des Berichts noch von einer „Krise der Repräsentation“ gewarnt. Denn „Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert.“

Diese Aussagen sind nicht mehr zu finden, genau wie die Hinweise auf den „Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbyarbeit“. Und es fehlt der Satz, der treffend die politischen Verhältnisse in Deutschland beschreibt: „Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird.“

Diese Aussagen beleuchten schlaglichtartig, warum gerade diejenigen Menschen, die arm oder von Armut bedroht sind (und das sind Millionen) entweder überhaupt nicht mehr wählen oder den rechtsradikalen und rechtspopulistischen Heilsbringern ihre Stimme geben.

Was ist der demokratische Sozialstaat wert, wenn er die skandalöse Ungleichheit in einer Gesellschaft nicht bekämpft?

Denn eines ist ja sicher. Diese politischen Rattenfänger haben mit dem demokratischen Sozialstaat, der Bekämpfung von Armut und Reichtum nun überhaupt nichts zu tun. Sie sind vielmehr die autoritären Sturmspitzen der neoliberalen Ideologie, die an der herrschenden Vermögensungleichheit, der tiefen Spaltung zwischen Armut und Reichtum, nichts ändern wollen.

So gesehen ist die Streichung der oben erwähnten Erkenntnisse ein Indiz dafür, dass auch die SPD anscheinend überhaupt kein politisches Interesse hat, den rechtspopulistischen Brandstiftern das Handwerk zu legen. Schöne Ausblicke also für die kommenden Bundestagswahlen, was die Glaubwürdigkeit der Politik angeht.

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36 Kommentare

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  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Nun, der SPON schildert den Sachverhalt anders: Nahles-Ministerium hat den Bericht fast 1:1 übernommen und die Streichungen wurden im Kanzleramt vorgenommen.

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsbericht-was-hinter-dem-streit-ueber-gestrichene-passagen-steckt-a-1126114.html

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Andrea Nahles (SPD) ist heute aber die Chefin des BMAS und sie ist auch Teil der Regierung. Im Jahre 2013 war der Wortlaut von Frau Nahles noch folgender: "Alle diese Wahrheiten – rausgestrichen, weil sie nicht ins Weltbild passen der jetzigen Bundesregierung. Vor Fälschung wurde hier nicht zurückgeschreckt."

       

      Heute schreckt Frau Nahles (SPD) anscheinend vor Fälschung auch nicht mehr zurück. Die SPD sollte sich überlegen, ob sie wieder zu den Wurzeln der sozialen SPD zurückkehrt oder ob sie endgültig in die Fußstapfen der neoliberalen FDP tritt.

  • "So gesehen ist die Streichung der oben erwähnten Erkenntnisse ein Indiz dafür, dass auch die SPD anscheinend überhaupt kein politisches Interesse hat, den rechtspopulistischen Brandstiftern das Handwerk zu legen."

     

    Sehr schön gesagt :)

     

    Vielleicht kapieren sie ja was, wenn die Wahlergebnisse ins Einstellige gesunken sind. Vermutlich nicht.

  • Frau Nahles hat schon mit dem Rentenkonzept gezeigt das mit den Schwachen der Bevölkerung überhaupt keinen Vertrag hat.

     

    Für mich die "Unsozialdemokratin" überhaupt.

  • "„Alle diese Wahrheiten – rausgestrichen, weil sie nicht ins Weltbild passen ..."

     

    und zwar nicht einer Regierung, sondern inzwischen in den Mainstream aller Menschen. Mal ehrlich, wer will schon die Wahrheit über die echte Armut wissen? Steht das in diesem Bericht drinnen?

     

    Ich vermute mal NEIN. Das Wirtschaftssystem in Deutschland lebt doch von den Unterschieden. Es gibt offiziell 3 Mio. Arbeitslose, inoffiziell könnten es gut 6 Mio. sein, aber Wirtschaftskreise reden vom Fachkräftemangel, Arbeitsminister Olaf Scholz sprach damals auch von Vollbeschäftigung und überhaupt scheinen Politiker Fortschritte dabei zu machen, sich die Welt selber zu konstruieren und ihre konstruierten Welten unters Volk zu mischen, meist über die Medien, an erster Stelle natürlich der staatliche Rundfunk und Fernsehen, denn das Volk teuer über Steuern finanzieren muss und der immer mehr Sprachrohr der Weltbilder der Politiker ist. Und in so einer Gemengelage interessiert der Armuts- und Reichtumsbericht nicht. Fehlt nur noch, dass Andrea Nahles die Nachttemperaturen per Dekret erhöht, damit ihr die toten, erfroerenen Penner in den Städten nicht um die Ohren gehauen werden.

  • ARMUT in DEUTSCHLAND gibt es für unsere "Volksvertreter" nicht und deshalb wird der Armutsbericht auch einfach geschönt. Fünf Millionen Hartz IV Empfänger, unzählige Lohnsklaven, arme Rentner und immer mehr Obdachlose sind für die momentan herrschenden Politiker scheinbar nicht existent.

     

    Einige Politiker sagen sogar frech: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." Das Volk aber, als der eigentliche Souverän, sagt: "Wer keine Politik zum Wohle des gesamten Volkes macht, der soll auch keine Diäten bekommen."

  • Und wieder ein Grund mehr, die SPD nicht zu wählen.

    Welches Ziel verfolgt die ehemals sozialdemokratische Partei??

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das hat es ja noch nie gegeben!

     

    Jemand macht, wenn er an der Regierung ist, das Gegenteil von dem was er in der Opposition behauptet hat!

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Nur weil es das schon häufig gegeben hat, macht es die Sache nicht weniger skandalös.

  • Ist dieser oder ein ähnlicher Artikel eigentlich auch in der bildzeitung oder ähnlicher Boulevardpresse zu lesen?

     

    Dann nämlich erst wird die Klientel erreicht, die es auch wirklich betrifft.

    In der Hamburger Morgenpost hab ich das z.B. nicht gefunden.

    • @Rossignol:

      Die breite Masse der Armen lesen keine taz sondern nur die Zeitungen die Sie erwähnten, wo ihnen auch in einfachen Worten eingeredet wird, dass "Soziale Gerechtigkeit" ohnehin nur böser Kommunismus ist und sie weiterhin für den Hungerlohn, den sie bekommen, brav zur Arbeit gehen sollen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Rossignol:

      Sogar RT Deutsch berichtet darüber. Dass sie völlig einflusslos sind und behandelt werden können wie der letzte Dreck, das bekommt diese Klientel jeden Tag ihres Lebens frisch auf den Tisch serviert.

       

      Ob die Information über diese Zensur irgendwas an ihrer Haltung ändern würde, das wage ich zu bezweifeln.

       

      Wahrscheinlich würde es sie einfach nur in dem bestätigen was sie am eigenen Leib erfahren.

       

      Und @COSMO: Sie haben natürlich recht.

  • hier fängt doch Lügenpresse an: indem sich die Wirklichkeit , besonders die der ärmeren Bevölkerung durch Weglassen in den Medien nicht wiederfindet, eine andere beliebte Methode: in der Statistik nimmt man als Basis den Einkommenseinbruch nach der Agenda 2010 und folgert, die Einkommen der Armen haben sich positiv entwickelt

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Das Großreinemachen hat begonnen. Alles worüber die Parteien im Wahljahr 2017 stolpern könnten wird klein gemacht. Die Grünen arbeiten mit Hochdruck den Pädo-Komplex ab, die SPD lässt Rent-a-Sozi auffliegen bevor es ihnen zur Unzeit um die Ohren fliegt und die CDU macht Konformitätsdruck über die Landeslisten.

     

    Das ist ja alles erst mal verständlich, aber dennoch verheerend. Die Parteien trimmen gerade alles auf Konformität und Hochglanz. Ich befürchte einen Saubermann-Wahlkampf bei dem es nur noch darum gehen wird nicht angreifbar zu sein. Besser könnte man die AfD-These der "großen CDUCSUFDPSPDGrünen Einheitspartei" nicht bedienen. Anstatt Probleme zu benennen und über die Lösungen zu streiten werden die Probleme verleugnet.

     

    Das wird so nichts. Das ist der falschen Seite geholfen. Die "Korrekturen" im Armutsbericht sind hier nur ein kleines Puzzlestück, passen aber schön ins Bild.

     

    Es ist jetzt schon klar wer das Thema das es nicht gibt (die Plutokratie) am Ende erfolgreich thematisieren wird...

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Die AfD zieht aus der Opfermentalität ihre Stärke.

      Viele Menschen fühlen sich immer mehr außen vor gelassen und ausgenutzt.

       

      Die Reallöhne sinken schon im Schnitt, für die wachsene Zahl der Geringverdiener sogar die Nominallöhne. Große Teile der Bevölkerung steuern auf Altersarmut und Armut zu obwohl die Wirtschaft floriert! Die Bosse sacken derweil Millionen fürs Versagen ab.

      Gleichzeitig wird der Bürger als Kunde immer raffinierter angegangen. Kundenprofiling, kundenfeindliche Vertragsbindungen und Werbelügen sind allgegenwärtig.

       

      Der Staat bietet den Bürgern auf diesen Feldern keine Hilfe an sondern stellt sich in Fällen wie Ceta/TISA/TTip oder der Massenüberwachung noch gegen die Bürger.

       

      Ich befürchte 2017 wird die Wahl sein in der viele Wähler den Aufstand suchen indem sie die AfD wählen. Eben weil die sogenannten Volksparteien schon sehr lange nichts mehr fürs Volk getan haben. Ich mutmaße dass sich nicht einmal verstehen wo die Probleme liegen. Zumindest kommt dies mir so vor wenn die Dicke wieder damit prahlt dass es nun einen allgemeinen Mindeslohn gibt - also nicht nur Mindestlöhne für Berufsgruppen wie Handwerker, Dachdenker usw die schon sehr viel höhere Mindestlöhne haben.

      • 3G
        32795 (Profil gelöscht)
        @Chaosarah:

        Nein. Die AfD thematisiert nur, sie bietet aber trotzdem keine Lösungen und die allermeisten AfD-Wähler wissen das auch.

         

        Was wir da sehen sind keine Rattenfänger die durch die Gassen ziehen und die Kinder hypnotisieren. Es gibt keinen "Rechtsruck" wir sehen gerade eine "Linksflucht". Es gibt zu viele nicht eingelöste Versprechungen der Politik und die Menschen wenden sich zunehmend von der Politik der vollmundigen Versprechungen die dann aber nicht liefert ab.

         

        Der AfD mythische Kräfte zuzuschreiben bringt nichts, das geht am Thema vorbei. Die Politik muss auch irgendwann mal liefern was versprochen wurde. Die These der "Rattenfänger" ist nur eine Ausrede, sie verhindert nur den schmerzlichen Blick auf das eigene Versagen.

         

        Die Wähler der Rechten sind eine sehr heterogene Gruppe. Sie sind nur durch ein Merkmal verbunden und das ist die Enttäuschung über die "etablierten" Parteien. Die Gründe der Enttäuschung gehen hier über das gesamte Spektrum der politischen Versprechungen, Soziales, Gesellschaftspolitik, Migration, usw.

         

        Wenn man bereit ist den "Rechtsruck" als "Linksflucht" zu denken, dann lösen sich alle scheinbaren Widersprüche im Wählerverhalten auf. Aber es ergeben sich auch sehr unangenehme Konsequenzen, dann sind nämlich nicht die Anderen schuldig, dann ist man selbst gefragt.

         

        Ihre These der "Opferrolle" der AfD folgt der These der "Rattenfänger". Vergessen Sie das, so kommen wir keinen Schritt weiter, gegen Rattenfänger mit mythischen Kräften haben wir keine Chance. Alles was wir gegen sie tun können ist "Hass" zu verbieten, mehr ist da nicht zu machen. Das führt ins Nirwana, das bringt nichts.

         

        Wir müssen die AfD nicht "bekämpfen", wir müssen die von ihr thematisierten Probleme auf zivilisierte Art lösen.

        • @32795 (Profil gelöscht):

          Ich glaube Sie haben mich missverstanden. Vielleicht sollten Sie nach dem ersten Satz noch einmal nachlesen was geschrieben wurde.

           

          Weder schreibe ich der AfD irgendwelche Fähigkeiten zu noch gehe ich davon aus dass sich ihre Wähler ausschließlich aus Neuwählern zusammensetzt welche die letzten 70Jahre in irgendwelchen Nazibunkern verbracht hätten.

           

          Ich rede von einem immer invasiver auftretenden Lebensumfeld, das der Mehrheit auf vielfältige Weise immer weniger Raum zugesteht und immer mehr abverlangt während das öffentliche Bild der Gesellschaft abhoben auf Wolke Sieben schwebt.

           

          Die Volksparteien tun nun alles damit es diesem Bild gut geht, Schein-und-Symbolpolitik anstatt notwendiger Verbesserungen für den realen Bürger.

           

          Das die AfD nichts kann ist doch vollkommen klar, jetzt wird es Zeit für die Volksparteien zu zeigen ob man überhaupt mehr will als die AfD kann.

  • Wen wundert es och, dass die AFD so starken Zulauf aus allen Einkommensschichten hat?

    Selbst denen, die ein größeres Einkommen haben, werden die Unwahrheiten durch weglassen der Tatsachen zu suspekt, denn sie wissen nicht wann es denn Mal um ihre Belange geht bei denen sie hinters Licht geführt werden!

    Langsam frage ich mich, ob ich mich für meine Jahrzehnte lange Treue zur SPD nicht schämen müsste und im Erdboden versinken sollte.

    In den letzten Wochen war immer wieder von Gabriel zu hören wie wichtig es sei die Abgehängten und die Verlierer der Globalisierung nicht hinten runter fallen zu lassen, nun glaube ich ihm kein Wort mehr und befürchte, dass all sein Gerede nur Populistisch war, um sich besser gegenüber der AFD aufzustellen!

    Also mein Vertrauen will in Zukunft erst wieder verdient werden!!!

    • @urbuerger:

      Ich persönlich sehe in dem Sprachgebrauch "Verlierer", "Abgehängte", "Gewinner" einen Teil des Problems - oder eine Offenbarung problematischer Denkstrukturen. Das suggeriert, dass es hier um einen fairen Wettkampf geht, bei dem die weniger begabten zur Recht verlieren. Tatsächlich ist es eher so, dass es sich um eine "nicht harmonische" gesamtsystemliche Tätigkeit handelt, deren Folgen wenigen Menschen aufgebürdet wird - das ist eine ganz andere Sichtweise, die vieles verändert. Es sind keine Verlierer - es sind Menschen, an denen sich die Unmöglichkeit des Systems zuerst offenbart und hier wird auch der Impuls für die Veränderung ausgehen müssen - gewaltfrei oder gewaltsam.

      • @Georg Marder:

        Also wäre "Opfer des Systems" Ihre Wortwahl?

        • @Chaosarah:

          "Opfer" würde ich auch nicht wählen, als Begriff - eher "Menschen, die die Fehler des Systems spüren". Wir als Gesellschaft wählen eine Gesellschaftsform und Spielregeln des Miteinanders - die jetzigen Spielregeln funktionieren nicht - und ganz besonders nicht für alle. Meines Erachtens kommt alles erst dann zur Ruhe, wenn die Spielregeln für jeden Einzelnen funktionieren - diese Sätze wie "80% sind doch zufrieden" kann ich nicht mehr hören - jedem Einzelnen ist seine Not doch nicht geringer, wenn er zu 20% gehört, als wenn er zu 80% gehört.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Nahles ist einfach nur peinlich. Für Arbeitgeber und die Union ist sie nach dem Gerd der zweite große Glücksfall, da sie überall als diejenige vom "linken Flügel" präsentiert wird.

     

    Ihre Auslassungen zum Thema "Armutsdefinition" (http://www.taz.de/!5014899/) zeugen nur von peinlichen ökonomischen und mathematischen Gedankenfehlern. In einer hochentwickelten Gesellschaft ist es wohl sehr gut möglich, dass es keine, auch relative, Armut gibt. Man setzt einfach das Sozialminimum bei 60% an.

     

    Ihre Behauptung, dass auch eine "Explosion des Wohlstands" an der relativen Armut nichts ändern würde ist einfach nur Schwachsinn basierend an der ökonomischen Entwicklung, die mittlerweile auch von ihrer Partei gepusht wird und wo die Explosion des Wohlstands nicht gerade in unteren 50% geschieht.

     

    Ihre Andeutung, dass man sich eher an absoluten Werten (regional differenziert?) orientieren sollte, zeigt, dass Nahles und die SPD den Armutsbegriff auf Sicherung der bloßen Existenz reduzieren möchten.

    Hier wurde schon oft diesbezüglich diskutiert, gestritten und argumentiert. Peter Hartz ging schon vor mehr als 10 JAhren von einem über 500€ Regelsatz aus. Die Kürzung und Entwicklung dieses Betrages zeigt, wie die SPD auch praktisch die Neudefinierung der Armut betreibt.

     

    2017 - sPD

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      2017 - sPD

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Hey, ich tippe "2017- sPD "kleiner" 20", wird nicht übernommen. ???

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Beim HTML sind diese "eckigen Klammern" Kennzeichner für sogenannte "Tags" oder Programmanweisungen - da hat das HTML Sie also missverstanden - zumindest sieht es für mich so aus - HTML ist eben auch nur ein Mensch. :-)

          • 1G
            10236 (Profil gelöscht)
            @Georg Marder:

            ach, html.... danke!

        • @10236 (Profil gelöscht):

          html-Zeichen (programm-code) ergeben Probleme

          • 1G
            10236 (Profil gelöscht)
            @A. Müllermilch:

            schade, raubt bisschen meinem SPD-Bashing die prägnante Kürze :)

  • 3G
    35751 (Profil gelöscht)

    Verstehe ich das richtig und dieser Artikel war heute in der Printausgabe der taz?

    Dann ziehe ich jenen Teil meiner (unter folgendem Link geäußerten) Kritik zur kostenschonenden Übernahme von Agenturmeldungen zurück und sage zur Abwechslung mal: Besten Dank an den Autor und die taz! http://www.taz.de/Geschoenter-Armutsbericht/!5367018/

  • Und mit denen soll die Linke in die Regierung gehen?

    Im Ernst, das sollte man sich an der Spitze noch mal durch den Kopf gehen lassen

    Sollte es wirklich der Plan sein auch die Linke ins Parteienkartel der neoliberalen Mitte einzugliedern dann bräuchte ich diese Partei auch nicht mehr wählen

    • 3G
      35751 (Profil gelöscht)
      @Oskar:

      Zitat: "Und mit denen soll die Linke in die Regierung gehen?"

       

      Ja bitte! Denn nur ein breites (mehr oder minder) linkes Bündnis kann den bisherigen politischen Kurs zumindest so weit korrigieren, dass die Entsolidarisierung der Gesellschaft gestoppt und so der Neuen Rechten ein Teil des Nährbodens entzogen wird, auf dem sie gerade wuchert!

       

      Was ist die Alternative? Weiter wie bisher, bis es knallt? Liebe Leute, wer es noch nicht gemerkt hat: Die nächste Revolution kommt voraussichtlich nicht von links, sondern von rechts und wenn es trotz linker Mehrheiten wieder heißt, "Der Wählerwille will eine GroKo", ist niemanden (außer linken Fundamentalisten) der auf mehr soziale Gerechtigkeit hofft, zu vermitteln, dass es dennoch weitergeht, wie bisher. Und was Schwarz-Grün angeht..., nun ja..., es würde nicht die aktuelle Politik verändern, mit Sicherheit aber die Grünen.

      • @35751 (Profil gelöscht):

        Welche Linken Mehrheiten?

        Die Linke hat 10% und ob ich SPD oder FDP wähle macht im Ergebnis keinen Unterschied.

        Du kannst den Wechsel nur mit Leuten haben die den Wechsel auch wollen

        SPD und Grüne stehen aber für den Merkel-Kurs.

        Ich will kein weiter so wie bisher.

        Und Rot Rot Grün wäre ein verschärftes "weiter so" denn die letzte Oppositionspartei wäre dann Teil des Merkel-Kurses. Folglich könnte man also nur noch Merkel Kurs oder AfD wählen.

        Die AFD würde sich über R2G freuen

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Oskar:

          Genau. RRG wird rechnerisch wohl nicht klappen. Union will keine weitere GroKo, für Schwarz-Grün reicht's wohl aber nur, wenn die FDP an 5% scheitert. Ist auch kein Problem wenn doch nicht, dann macht Merkel halt Jamaika. Die nächste Generation der Grünen lechzt nach den Ämtern und FDP gehört ihrem Verständnis nach sowieso in die Regierung. Die Sozis und die Kommis werden in die Opposition mit den rechten Schmuddelkindern verbannt - traumhafte Verhältnisse.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Oskar:

      "Und mit denen soll die Linke in die Regierung gehen?"

       

      Bitte nicht!

  • „Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird.“

    Selbst solche "scheinbar harmlosen" Informationen werden "zensiert" - da ist doch der Verdacht berechtigt, dass weitere möglicherweise weitaus unangenehmere Erkenntnisse ebenfalls "zensiert" werden - das ist m.E. der eigentlich besorgniserregende Umstand - wenn sich das denn alles so bestätigen sollte. Das wäre dann "kollektives Verdrängen" der Tatsachen - und das kann m.E. kein erfolgreicher Umgang mit den Tatsachen sein - die Tatsachen werden m.E. die Verdrängung einholen.

    • @Georg Marder:

      ich denke die Wahrheit ist eher dass die SPD nicht einmal die Courage hat mit solch harmloser Kritik am System Unruhe in die GroKo zu tragen.

       

      Das wäre dann doch viel zu rebellisch - und man will ja CDU Juniorpartner bleiben.

      Ein einem Wort "armselig"!