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Tennis Beim WTA-Turnier in Singapur kann Angelique Kerber eine außergewöhnliche Saison krönen. Mit verantwortlich für den Erfolg ist ihr Trainer Torben Beltz
aus Singapur Jörg Allmeroth
Am letzten Freitag, beim WM-Galadiner im mondänen Marina Bay Sands Hotel zu Singapur, bot Torben Beltz ein ungewohntes Bild. Der Trainer von Angelique Kerber erschien ausnahmsweise einmal mit Anzug und Krawatte, und weil ihm die Aufmachung nicht so wirklich geheuer ist, wehrte er zunächst alle professionellen Fotografen und sonstigen Knipser leidenschaftlich ab. „Bloß keine Bilder“, sagte Beltz lächelnd und hielt sich die Arme vors Gesicht, „sonst läuft das wieder im Internet rauf und runter.“
Beltz, 39, ein baumlanger Kerl aus Itzehoe, ist kein Mann für Glitzer und Glamour, für rote Teppiche und den ganzen Schnickschnack, der die professionelle Tour des Damentennis beharrlich begleitet. Der Lehrbeauftragte der deutschen Weltranglistenersten fühlt sich in Trainingsklamotten und auf Tennisplätzen wohl, und bei dieser Arbeit versprüht er ohne Einschränkung gute Laune – ohne dass die Arbeitsdisziplin in irgendeiner Art und Weise leidet. „Er ist der positivste Mensch, den ich kenne“, sagt Kerber über den zweifachen Familienvater, „keiner weiß besser Bescheid, wie ich ticke. Ohne ihn wäre das alles nicht so gelaufen.“
Aus beruflicher Kooperation über viele Jahre – Beltz sah schon das Tenniskind Kerber auf dem Platz stehen – wurde auch eine freundschaftliche Beziehung. Man müsse sich auch privat „gut verstehen“, findet Kerber, „schließlich verbringt man unheimlich viel Zeit zusammen“. Wie gerade auch in Singapur, dem WM-Schauplatz, an dem Kerber am heutigen Dienstag zu ihrem zweiten Match gegen die Rumänin Simona Halep antritt. Bei einem Sieg winkt ihr bereits die vorzeitige, erstmalige Halbfinalqualifikation.
35 bis 40 Tenniswochen sind Kerber und Beltz im Wanderzirkus zusammen unterwegs, hinzukommen die schweren Trainingsprogramme zur Vorbereitung auf die neue Saison. In Kerbers Karriere sind Manager, Fitnesscoaches oder Physiotherapeuten gekommen und gegangen, doch Beltz ist fast immer als zentraler Übungsleiter geblieben – nur einmal trennten sich ihre Wege, als Beltz 2013 mehr Zeit mit der Familie verbringen und die Reisetätigkeit einschränken wollte. Doch nach einem nicht wirklich glücklichen Intermezzo mit Motivationsguru Benjamin Ebrahimzadeh rief Kerber in sportlicher Not wieder Beltz an ihre Seite – es war der Beginn des kleinen Tenniswunders von und mit Kerber in der Hauptrolle.
Als Spieler scheiterte Beltz am Aufstieg in die Champions League seines Sports und verlegte sich danach zügig aufs Trainergeschäft. Im komplizierten Damentennisbetrieb, in dem das Heuern und Feuern von Trainern gelegentlich wie ein gepflegtes Hobby erscheint, wirken Kerber und Beltz wie ein Vorzeigepaar. Die zur Führungskraft aufgestiegene Kielerin vertraut dem Trainer uneingeschränkt und rückhaltlos, eine Seltenheit in der Branche, eine Seltenheit aber auch für Kerber selbst, die sonst nur zu wenigen Menschen abseits der Familie große Nähe entwickelt. Beltz kommt auch die Aufgabe zu, die Launen und Befindlichkeiten seiner Chefin auszuhalten oder beim Match von der Box aus zu steuern.
In wichtigen Spielen, wie zum Auftakt der WM gegen die slowakische Powerfrau Dominika Cibulkowa (7:6, 2:6, 6:3), ist Beltz unablässig gefordert – als Animateur, als Antreiber, als Beschwichtiger, als Stratege und Lenker im Hintergrund. „In der Hitze des Gefechts verliert man schon mal den kühlen Kopf und den Marschplan“, sagt Kerber, „doch dann ist ja Torben da.“
Der Mann an ihrer Seite, der ewige Begleiter. Und einer, der charakterlich passt zu der zurückgenommenen Ausnahmespielerin: „Ich bin auch keiner von der lauten Sorte. Ich kann der ruhende Pol sein“, sagt Beltz selbst. Aber wenn es nötig ist, dann kann auch der 1,96-Meter-Mann „mal so richtig aus sich herausgehen“, dann sind die „Come on, Angie“-Rufe selbst in gewaltigen Stadien oder Hallenpalästen zuverlässig zu hören.
Angelique Kerber
Als Beltz 2014 wieder bei Kerber anfing, steckte diese tief in der Krise, war von großen Zweifeln geplagt. Auch Beltz mahnte damals zur Vorsicht, hoffte nach dem Sturz aus den Top Ten auf eine langsame Stabilisierung. Aber schon bald merkte der Coach, dass Kerber in der alten, neuen Zusammenarbeit aufblühte und bereit war, ihrer Karriere einen letzten, entscheidenden Dreh zu geben. „Sie war mit größerer Intensität als je zuvor bei der Sache“, sagt Beltz, „sie wollte allen etwas beweisen. Und vor allem auch sich selbst.“
2015 gingen zwar wichtige Matches bei den Grand Slams verloren, aber die physische Basis für den ganz großen Sprung war gelegt. Nun, in der beim WTA-Turnier in Singapur zu Ende gehenden Saison, passen alle Puzzleteile zusammen, die Fitness, die starke Mentalität, auch das Schicksal, das sich Kerber zuneigte, so wie beim abgewehrten Matchball in Runde eins der Australian Open im Januar gegen die Japanerin Doi.
„Es war ein Jahr wie im Märchen“, sagt Beltz. Ein Jahr, in dem er und Kerber von Sieg zu Sieg eilten. Und umso mehr Spaß hatten als umherziehende Tennisnomaden. „Wir haben immer eine gute Zeit zusammen“, so Beltz, „aber diese Erfolge haben alles noch vergoldet. Dieses Jahr wird man nie vergessen.“
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