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Die Öffentlichkeit in Kenntnis setzen

Hartnäckig Acht Jahre lang verfolgten zwei taz-JournlistInnen die Spur der Verbrechen der ruandischen FDLR-Miliz. Das war preiswürdig

Was sich bisweilen im Gerichtssaal abspielte, bezeichnet Johnson als „Wahnsinn“

Von Barbara Oertel

Beharrlichkeit, Ausdauer sowie ein gewisses Maß an Penetranz: Das sind nur drei von vielen Eigenschaften, die Dominic Johnson, Leiter der Auslandsredaktion der taz und Afrika-Experte, auszeichnen. Und genau dafür wurde er gemeinsam mit Simone Schlindwein, Afrika-Korrespondentin der taz für die Region der Großen Seen, in der vergangenen Woche ausgezeichnet.

Für ihre langjährigen akribischen Recherchen über die Verbrechen der ruandischen Miliz FDLR im Ostkongo, die von 2011 bis 2015 Gegenstand eines Prozesses vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart waren, erhielten beide den diesjährigen Journalistenpreis „Der lange Atem“ des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg (JVBB).

Es ist gefühlt Lichtjahre her und begab sich seinerzeit auf dem Dach der taz bei einer Abschiedsfeier für einen Kollegen. Er werde jetzt wohl häufiger mal nach Stuttgart fahren müssen, um den Prozess gegen den FDLR-Milizenführer Ignace Murwanashyaka zu beobachten, kündigte Johnson an.

Bereits 2008 hatte die taz erstmals ausführlich über Murwanashyaka berichtet, der unbehelligt in Deutschland lebte, von dort aus jedoch seine mordenden Milizen im Kongo weiter befehligte. 2009 wurde er festgenommen.

Dass sich Johnson des Themas annehmen würde, war klar. Worauf er sich da wirklich einlassen würde, wohl eher weniger. Vier Jahre dauerte der Prozess – der erste seiner Art in Deutschland überhaupt. Wer in dieser Zeit in Sachen FDLR-Prozess auf dem Laufenden bleiben wollte, kam an der taz nicht vorbei.

Außer Johnson war auch die Menschenrechtsexpertin Bianca Schmolze unermüdlich für die taz am Stuttgarter Gericht im Einsatz. Insgesamt kamen die beiden auf 320 Gerichtstermine. Nicht wenige „Termine“ hatte auch Simone Schlindwein, die die LeserInnen aus dem Kongo mit Berichten über die FDLR versorgte. Was gab den Ausschlag dafür, dieses Ereignis derart intensiv zu begleiten?

„Wenn man sich mit dem Völkermord in Ruanda beschäftigt hat, lässt einen das nicht mehr los“, sagt Johnson. Genauso wie der Umstand, dass einer der Hauptverantwortlichen von Deutschland aus weiter die Fäden zog und das in der deutschen Öffentlichkeit damals kaum zu Kenntnis genommen wurde. Was sich bisweilen im Gerichtssaal abspielte, bezeichnet Johnson als „Wahnsinn“. Und zwar immer dann, wenn klar wurde, dass für die FDLR der Zweck die Mittel – will heißen, auch brutalste Kriegsverbrechen – heiligt.

Für Simone Schlindwein war besonders der Weg zu den Kämpfern der FDLR im Kongo beschwerlich und mit so manchen Risiken verbunden. Und das nicht nur, weil er durch Territorien führt, die andere rivalisierende Milizen kontrollieren. Sondern auch, weil es so mancher Anstrengung bedurfte, um zu den FDLR-Kämpfern Kontakt aufzunehmen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

2015 wurde Ignace Murwanashyaka schuldig gesprochen, das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Jetzt endlich einmal Zeit zum Durchatmen für Johnson und Schlindwein? Von wegen. Auf der Grundlage der taz-Berichterstattung entstand ein Buch mit dem Titel „Tatort Kongo – Prozess in Deutschland: Die Verbrechen der ruandischen Miliz FDLR und der Versuch einer juristischen Aufarbeitung“, das im Juni erschienen ist.

„Das ist ein Teil meiner eigenen Geschichte. Ich kann jetzt viel besser verstehen, wie es zu diesen schrecklichen Verbrechen hat kommen können“, sagt Marie-Claude Bianco, Mitarbeiterin der taz, die von der Lektüre noch merklich erschüttert ist. Die Familie von Biancos Mutter, einer Tutsi, wurde während des Völkermordes fast vollständig ausgelöscht.

Die taz wäre nicht mehr die taz, ginge sie nicht immer einmal wieder auch ungewöhnliche Wege. Und deshalb sollte, nein muss, es doch Mittel und Möglichkeiten geben, dieses Buch auch englischsprachigen LeserInnen zugänglich zu machen.

Mehr zum Preis und zum Buch „Tatort Kongo – Prozess in Deutschland“ lesen Sie im taz.hausblog:www.taz.de/hausblog

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