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NSU-Prozess in MünchenErstmals spricht Beate Zschäpe

Beate Zschäpe meldet sich überraschend selbst zu Wort und verurteilt die NSU-Taten – die ihrer früheren Kumpanen Mundlos und Böhnhardt.

Beate Zschäpe im Gerichtssaal (Archivbild) Foto: dpa

Berlin taz | Damit hatte wohl niemand mehr gerechnet. Am Donnerstag erhob Beate Zschäpe zum ersten Mal selbst im NSU-Prozess die Stimme. Sie bedauere ihr „Fehlverhalten“, sagte sie laut Prozessbeobachtern. Auch verurteile sie, was ihre früheren Begleiter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Opfern angetan hätten.

Zschäpe hatte seit ihrer Festnahme im November 2011 geschwiegen. Kein Wort zu den Ermittlern, kein Wort im seit fast dreieinhalb Jahren laufenden NSU-Prozess. Erst im Dezember 2015 die Kehrtwende: Über ihren Anwalt ließ sie sich doch zur Anklage ein, die ihr die Mittäterschaft an den zehn Morden, zwei Anschlägen und 15 Überfällen des NSU vorwirft. Die Taten gingen alle auf das Konto von Mundlos und Böhnhardt, behauptete Zschäpe – sie selbst habe von den Morden immer erst im Nachhinein erfahren und diese verurteilt. Einzig von den 15 Raubüberfällen habe sie gewusst.

Schon ließ Zschäpe ihren Anwalt verlesen: „Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten.“ Sie selbst fühle sich nur für die 15 Raubüberfälle „moralisch schuldig“.

Selbst hatte Zschäpe nie im NSU-Prozess gesprochen – bis Donnerstag. Es sei ihr Anliegen, Folgendes mitzuteilen, sagte die 41-Jährige laut Prozessbeobachtern. Sie habe sich früher durchaus mit „Teilen des nationalistischen Gedankenguts“ identifiziert. Dieses sei aber in den Jahren des Untergrunds zunehmend unwichtiger geworden. Heute hege sie dafür keine Sympathien mehr. Dann folgte die Verurteilung der NSU-Taten – die, ihrer früheren Kumpanen. Und die ihres eigenen Fehlverhaltens, „wie ich es bisher zum Ausdruck gebracht habe“.

Die Aussage liegt damit auf Linie der Einlassung Zschäpes vom Dezember. Sie dürfte ein letzter Rettungsversuch sein. Ihre Aussage hatte Zschäpe bisher nicht genützt, immer wieder hakte Richter Manfred Götzl kritisch nach.

Zuletzt geriet die Hauptangeklagte auch in die Defensive, weil sie es ablehnte, Fragen der NSU-Opferfamilien und ihrer Anwälte zu beantworten. Nur auf Nachfragen der Richter werde sie eingehen, teilte ihr Anwalt mit. Einige Opferanwälte hatten da schon mitgeteilt, eine Entschuldigung Zschäpes sei unter diesen Umständen nichtig.

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5 Kommentare

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  • "Das ist entlarvend."

     

    Es geht doch nur noch um die besondere Schwere der Schuld. 15 Jahre oder 20 Jahre Knast.Ob sie ehrlich bereut oder ob sie nur das nachsagt, was ihre Anwälte ihr vorsagen, ist doch völlig egal.

     

    Das Gericht sollte das Verfahren - auch im Interesse von Zschäpe - langsam mal zu Ende bringen.

  • „Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten.“

     

    Das ist entlarvend. Sie kann sich nicht entschuldigen, sie könnte bestenfalls ihre aufrichtige Reue ausdrücken und die Angehörigen um Entschuldigung bitten, denn nur die können das. Sie nicht.

    • @Mustardman:

      "Entlarvend"? Na, ich weiß ja nicht...

       

      Muss denn wirklich jede und jeder ihre bzw. seine Muttersprache beherrschen, nur weil er oder sie sich als NationalsozialistIn begreift oder doch wenigstens begriffen hat?

       

      Ja, ich weiß: Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Ich kann die Angehörigen der Opfer verstehen. Sie sind emotional verdammt dicht dran und Rache ist in manchen Fällen tatsächlich süß, auch wenn sie Gift ist.

       

      Nicht verstehen kann ich allerdings Leute, die persönlich gar nicht involviert waren und mit noch lebenden Ausländern entweder gar keine oder nur oberflächliche Kontakte pflegen, sich aber trotzdem so verhalten, als hätten sie gerade einen geliebten Angehörigen verloren.

       

      Solchen Leuten möchte ich hin und wieder erklären, wie das gedacht war mit dem Rechtsstaat und der Unschuldsvermutung. Recht hat aus gutem Grun heute und hier mehr mit Zusammenhalt und Frieden zu tun als mit dem Zahn, der um des Zahnes willen ausgeschlagen wird.

       

      Herrn Litschko beispielsweise möchte ich erklären, dass Angeklagte, egal welches Verbrechens sie beschuldigt werden, sich a) nicht selbst belasten müssen und b) auf ihren Strafverteidiger hören sollten. Wenn Zschäpe beides tut, nimmt sie vor allem solche Rechte wahr, die den Rechtsstaat vom Unrechtsstaat unterscheiden – und Leuten, die vom Wege abgekommen sind, damit einen plausiblen Grund geben, genau das zu bedauern, wenn sie wieder nüchtern sind.

       

      Ein Richter ich kein Henker, der notfalls auch Vorurteile vollstrecken darf. Bei aller Versuchung, sich als Antifaschist zu profilieren, sollte Manfred Götzl das bedenken, finde ich. Und alle, die am Rechtsstaat hängen, weil er ihr Überleben sichern hilft, sollten das auch tun.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Mustardman:

      Die Formulierung entlarvt vor allem eines: sie hat doch davon gewusst, wenn sie nicht in irgendeiner Weise sogar daran beteiligt war. Allerdings muss man dies auch beweisen können, wenn man sie dafür verurteilen will...

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Ohne ihre organisatorische Vorarbeit hätten die beiden Uwes doch gar nicht so einfach weitermachen können und ohne die Kohle aus den Raubüberfällen wär es auch für Frau Zschäpe finanziell sehr eng geworden. "Mitgefangen, mitgehangen", sagt der - gerade von Ultrarechten - heutzutage immer gern bemühte "Volksmund". Wer sich einer kriminellen Vereinigung anschließt, der geht nunmal auch ein hohes Strafrisiko ein.