Baby mit mehr als zwei Eltern: Aller guten Dinge sind drei
In Mexiko wurde das erste Baby geboren, das drei biologische Eltern hat. Das sollte alle glücklich machen, denn einige werden sich ärgern.
Nimm dies, Sibylle Lewitscharoff! Erst vor zwei Jahren hatte die Schriftstellerin und Georg-Büchner-Preisträgerin über das „widerwärtige gegenwärtige Fortpflanzungsgemurkse“ geschimpft, das „Halbwesen, zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas“ erzeuge, und schon sind wir wieder einen gehörigen Schritt weiter: Ein Baby mit drei genetischen Eltern hat jüngst die Welt erblickt. Der Kerntransfer macht’s möglich.
Bei dieser Medizintechnik wird der noch unbefruchtete Zellkern der mütterlichen Eizelle in die zuvor entkernte Eizelle einer Spenderin eingesetzt. Die neu geschaffene Zwei-Mütter-Eizelle wird dann mit dem Samen des Vaters befruchtet, der erzeugte Embryo der Mutter eingesetzt, und nach ganz konventionellen neun Monaten wurde nun ein gesunder Junge geboren, der inzwischen fünf Monate alt und zellkerngesund ist.
Grund für die Operation: Die Mutter hatte eine seltene Erbkrankheit, die zu mutierten Mitochondrien in der Eizelle und damit in den Zellen des Nachwuchses führt. In der Folge müssten ihre Kinder nach einigen Monaten oder Jahren sterben.
Der Durchbruch nun gelang US-Medizinern, die dafür allerdings nach Mexiko gingen. In den USA ist die Technik nämlich nicht zugelassen, auch in Deutschland wäre sie aufgrund des Embryonenschutzgesetzes verboten. Der Erfolg gilt dann auch als ethisch umstritten. Der Mensch spiele einmal mehr Gott, heißt es von Leuten, die ansonsten wenig dagegen einzuwenden haben, wenn sie selbst dem göttlichen Willen des Tods durch Infarkt mit Herzschrittmachern ein Schnippchen schlagen.
Die Eltern des Jungen aber sind glücklich. Wir sollten uns mit ihnen freuen – und sei es nur, weil die Lewitscharoffs dieser Welt und andere zweifelhafte Geschöpfe und religiöse Halbwesen nun wieder einen Grund mehr haben, sich ordentlich zu ärgern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung