: Am Endewar es wieder Notwehr
Kommentar
von Plutonia Plarre
Tödliche Polizeischüsseauf einen Flüchtling in Moabit
Tragischer hätte es kaum sein können: Ein sechsjähriges Flüchtlingskind wird Opfer eines sexuellen Missbrauchsversuchs. Die Polizei nimmt den Tatverdächtigen fest. Es handelt sich um einen Flüchtling, der im selben Heim gelebt hatte. Doch als er bereits gefesselt im Polizeiwagen sitzt, stürmt der Vater des Mädchens mit einem Messer auf ihn zu. Mehrere Polizisten, vermutlich drei, feuern mit ihrer Dienstwaffe auf ihn. Der Vater wird schwer verletzt und stirbt im Krankenhaus.
Gab es kein anderes Mittel, um den Angreifer zu stoppen? Warum wurde ihm nicht auf Arme oder Beine geschossen? Das sind die Fragen, die sich nach dem Vorfall aufdrängen. Bei der Schießausbildung der Polizei liegt bekanntlich vieles im Argen: notgedrungen geschlossene Schießstände, zu kurze Trainingszeiten. Aber das ist nur das eine.
Im Ernstfall geht es um mehr als nur um eine ruhige Hand am Abzugshahn. Wenn einem der kalte Angstschweiß auf der Stirn steht und Zehntelsekunden möglicherweise über Leben und Tod entscheiden, ist vor allem ein kühler Kopf gefragt. Der Gebrauch der Dienstwaffe ist einem Polizisten nur erlaubt, wenn er damit einen gegenwärtigen Angriff auf Leib und Leben abwenden kann. Notwehr und Nothilfe nennt sich das. Aber die subjektive Einschätzung, ob eine lebensbedrohliche Lage vorliegt, reicht aus, um straffrei zu bleiben. Darum werden fast alle Ermittlungen nach polizeilichen Todesschüssen eingestellt.
So war es auch 2013. Damals erschoss ein Polizist einen nackten Mann im Neptunbrunnen, auch der war mit einem Messer bewaffnet. Der Brunnen war umringt von Polizisten. Ein Passant hat die Szene gefilmt und ins Netz gestellt. Die Mehrheit der Zuschauer war später der Meinung, der Beamte hätte anders reagieren können und müssen.
Diesmal haben sogar drei Polizisten auf einen mit einem Messer bewaffneten Angreifer geschossen. Am Ende wird das Verfahren auch hier wieder eingestellt werden: Drei Schützen – das zeige doch, wie bedrohlich die Lage war, wird es heißen.
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