: Die Regeln alter Männer brechen
MANN MANN MANN Die Abwehr der CDU gegen die Sexismusvorwürfe ist veraltet. Die Partei muss lernen zuzuhören – und sich endlich der Auseinandersetzung stellen
von Katrin Gottschalk
Jetzt komm halt damit klar. Ich hatte es auch nicht leichter. Wenn du hier mitspielen willst, darfst du dich nicht so anstellen.
Es ist nun schon ein paar Tage her, dass die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends ihren öffentlichen Brief über Sexismus in ihrer Partei veröffentlicht hat. Und noch immer hallt er nach.
Einerseits, weil so langsam die Schmutzmaschine ins Laufen kommt – es geht um eventuelle Affären und Schöße, auf denen sie gesessen haben soll. Andererseits, weil der Brief wieder den Gesprächsfaden aufnimmt, der mit der Aufschrei-Debatte 2013 seinen Anfang nahm.
Jetzt geht es um Sexismus in Parteien. Aber das Prinzip ist universal. Eine Person erlebt in einem geschlossenen System Sexismus oder auch Rassismus, formuliert Kritik daran innerhalb des Systems, wird nicht gehört, formuliert die Kritik außerhalb des Systems und bekommt Weinerlichkeit vorgeworfen.
Oft sind es weiße alte Männer wie Rainer Brüderle und Frank Henkel, ja. Es sind aber auch Menschen, die selbst „Leidensgenoss_innen“ sind oder waren. Sie sind hart geworden, haben sich an die dummen Sprüche der Henkels dieser Welt gewöhnt. Warum sollen es andere leichter haben? Du süße Maus. Das musst du wegstecken.
Warum also stellt sich Jenna Behrends so an? Ist sie als Politikerin nicht völlig ungeeignet?
„Ich hingegen frage mich, was das für Politiker sein müssen, die so ein System produziert.“ Eine gute Frage ist das, die Behrends aufwirft. Sie könnte auch lauten: Warum muss ich nach den Regeln eines Frank Henkel spielen? Das sind scheiß Regeln. Sie stellen das Machtgebaren Einzelner vor Gemeinschaftlichkeit. Und überlassen die Verantwortung klar zu kommen den Empfänger_innen dummer Sprüche.
Zu den Sprüchen gesellt sich mitunter ein völlig anderes Verständnis von Raumeinnahme. Extrem breitbeinig sitzen, reden, als ob es kein Morgen gäbe. Das gehört seltener ins Programm von Frauen. Zum Glück. Auch bei jungen Männern lässt dieses Verhalten deutlich nach.
Es fühlt sich bestimmt nicht gut an, in der Öffentlichkeit von degradierenden Situationen zu erzählen. Es gehört nicht zum Bild der unabhängigen und toughen Frau, das manche von sich hat. Aber es scheint ja nichts zu nützen, wenn Kritik nur intern formuliert wird.
Vermutlich ahnte Jenna Behrends, gerade nach #aufschrei, dass sie mit viel Solidarität rechnen konnte. In der öffentlichen Debatte gehört das Sprechen über Sexismus mittlerweile dazu. Nur im Kleinen, da funktioniert es noch nicht.
Liebe CDU! Wenn ihr nicht wollt, dass über solche Themen öffentlich gesprochen wird, dann findet Wege des Zuhörens innerhalb eurer Partei. Unterstützt diejenigen, die Erfahrungen mit Sexismus oder Rassismus machen. Versteht das Darübersprechen nicht als Schwäche. Nur weil ihr gelernt habt, alles runter zu schlucken, müssen andere das nicht auch tun.
Das sind alte Regeln, nach denen ihr spielt. Kommt lieber nicht damit klar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen