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NSU-Ermittler angezeigt

Rechtsterrorismus Angehörige von drei NSU-Opfern gehen die Bundesanwaltschaft an: Die Ermittlungsbehörde soll trotz Moratorium Akten vernichtet haben

Fordern Aufklärung: Nebenklägerin Dilek Özcan mit ihrem Anwalt Mehmet Daimagüler Foto: F.: S. Fromm/WAZ FotoPool

von Konrad Litschko

BERLIN taz | „Wir brauchen Klarheit“, sagt Mehmet Daimagüler. „Der Vorwurf wiegt einfach zu schwer.“ Ließ die Bundesanwaltschaft Akten aus dem NSU-Komplex vernichten? Ausgerechnet die federführende oberste Ermittlungsbehörde und trotz Schreddermoratorium? Um das zu klären, erstatteten die Familien der NSU-Opfer Abdurrahim Özüdoğru, Ismail Yaşar und Enver Simsek über ihre Anwälte Daimagüler und Seda Basay-Yildiz nun Strafanzeige gegen die Bundesanwaltschaft.

Über den Schreddervorgang hatte die Welt berichtet. Demnach soll die Bundesanwaltschaft im November 2014 angeordnet haben, Unterlagen des Rechtsextremen Jan Werner zu vernichten. Dieser war Ende der neunziger Jahre Sachsen-Chef des militanten Neonazi-Netzwerks „Blood&Honour“. Er soll versucht haben, für das untergetauchte NSU-Trio Beate Zschä­pe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Waffe zu organisieren.

Wegen dieses Vorwurfs ermittelt die Bundesanwaltschaft seit Januar 2012 gegen Werner. Der Straftatbestand: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Dennoch sollen zwei Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft 2014 angewiesen haben, alle Unterlagen von Werner aus einem älteren Verfahren zu vernichten, darunter ein vierseitiges Notizbuch mit Kontakten und Telefonnummern.

Die Materialien waren 2001 im Zuge des Verfahrens gegen die rechtsextreme Berliner Band Landser beschlagnahmt worden: Werner war Produzent der Gruppe. Zu der Zeit lebte das NSU-Trio bereits drei Jahre im Untergrund. Die Unterlagen lagerten dann jahrelang beim LKA Berlin und sollen dort nach der Anweisung aus Karlsruhe vernichtet worden sein.

„Das ist nicht einfach Vertuschung, ­sondern Beweismittelunterdrückung“

Martina Renner, Linksfraktion

Laut dem Medienbericht räumte die Bundesanwaltschaft die Aktion ein, bezeichnete sie aber als Versehen: Die Staatsanwälte hätten damals nicht gewusst, dass Werner zum Umfeld des NSU gehörte. Auch gebe es von dem Notizbuch noch Kopien. Brisant ist der Fall dennoch: nicht nur, dass mögliches NSU-Ermittlungsmaterial beseitigt wurde; auch verordnete das Bundesinnenministerium bereits Mitte 2012 ein Moratorium, dass keinerlei Akten mit möglichem NSU-Bezug vernichtet werden dürfen, um die Aufklärung nicht zu behindern.

„Sollten die Vorwürfe zutreffen, muss man leider fragen: Sind manche Beamte der Bundesanwaltschaft noch Teil der Lösung oder schon Teil des Problems?“, sagte Anwalt Daimagüler der taz. Die Anzeige des Anwalts und seiner Kollegin Basay-Yildiz liegt der taz vor. Die Vernichtung der Unterlagen sei „nicht nachvollziehbar“, heißt es darin. Die Asservate beträfen „zweifelsfrei“ Zeitpunkte, in der Jan Werner Kontakt zum NSU-Trio hatte und darüber „näheren Aufschluss“ hätten geben können. Für Daimagüler wiegt der Vorwurf so schwer, dass sich auch das Bundesjustizministerium einschalten müsste.

Unterstützung kommt aus dem Bundestag. Dort nannte die Linkspartei-Innenexpertin Martina Renner die Anzeige einen richtigen Schritt. „Das ist nicht einfach Vertuschung, sondern Beweismittelunterdrückung und gegebenenfalls Strafvereitelung.“ Bisher war im NSU-Komplex vor allem der Verfassungsschutz durch das Schreddern von Akten aufgefallen. So hatte ein Mitarbeiter wenige Tage nach Auffliegen des NSU mehrere Akten zu einer VS-Operation gegen den „Thüringer Heimatschutz“ geschreddert.

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