Sommerlager für deutsche Rechte: Gestählt in Schweden
In der Abgeschiedenheit Südschwedens richtet die rechte Splittergruppe „Sturmvogel“ für Kinder und Jugendliche ein Sommerlager aus.
Das Camp liegt in einer idyllischen Region. Nur wenige Menschen leben hier, dafür gibt es unzählige Seen und Wälder. Auch viele Deutsche haben hier kleine Häuser gekauft. Die Ruhe und das Untersichsein kommt den „Sturmvögeln“ um ihre Bundesspitze, Dietlind B. und Michael Z., sehr entgegen. Laut ihrem Gründungsflugblatt wollen sie mit ihrer Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermitteln, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unser Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Sie positionieren sich darin als „volkstreu eingestellte Deutsche“.
Mit der Fähre Rostock-Trelleborg reisten die rund 40 Teilnehmer in Begleitung von einigen Betreuern aus Thüringen und Hessen nach Südschweden. Am Fähranleger wunderte sich eine türkische Familie über die altmodisch gekleidete Gruppe mit Armeerucksäcken.
Der „Sturmvogel“ entstand aus der militanten „Wiking Jugend“ (WJ). „Er ist eine radikale Abspaltung“, sagt der Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam, der zur sogenannten bündischen Jugend forscht. 1987 gründete sich die Gruppe nach einem internen Streit. Der ehemalige WJ-Bundesfahrtenführer Rudi Wittig wurde erster Bundesführer des „Sturmvogel“. Nur wenige Jahre später verbot das Bundesinnenministerium die WJ – der „Sturmvogel“ blieb davon unberührt.
Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zu rechtsextremen Verstrickungen des „Sturmvogels“ fällt Ende Dezember 2015 recht knapp aus: zu der Gruppierung lägen „keine hinreichend gewichtigen Erkenntnisse für rechtsextreme Bestrebungen vor“. In Brandenburg antwortete die Landesregierung indes auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion im Januar 2016, dass „vereinzelte Hinweise auf Zusammenhänge zu sonstigen rechtsextreme Organisationen“ vorlägen, wie zur NPD und der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jungend“ (HDJ). Zu den Lagern schicken auch NPD-Familien, rechte Siedler und Holocaust-Leugner ihre Kinder.
Nach dem Verbot der HDJ 2009 befürchteten Rechtsextremismusexperten, dass die „Sturmvögel“ deren rechte Jugendarbeit weiterführen könnten. „Die Bedeutung von solchen Gruppen und ihren Schulungen darf nicht unterschätzt werden“, betont Botsch. Ihre antidemokratischen Erziehungsideale hätten eine nachhaltige Wirkung. „Viele Kader der NPD wurden in Gruppen, wie der WJ politisiert und sozialisiert“, hebt er hervor. Auch der „Sturmvogel“, sagt Botsch, liefere eine „umfassende Schulung, die eine ideologische Festigung nach sich zieht.“ An diesem Wochenende geht es für die Gruppe mit der Fähre zurück nach Deutschland: geschult und gestählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut