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Sommerlager für deutsche RechteGestählt in Schweden

In der Abgeschiedenheit Südschwedens richtet die rechte Splittergruppe „Sturmvogel“ für Kinder und Jugendliche ein Sommerlager aus.

Altmodisch gekleidet, altmodisch in Reih und Glied Foto: Peo Möller/Kvällsposten

HAMBURG taz | Beim Morgenappell stehen die Mädchen und Jungen in ihren grünen Uniformen stramm. Nach Geschlechtern getrennt, müssen sie sich aufreihen. Vorher war schon Frühsport. Im späteren Tagesverlauf ziehen sie, deutsche Lieder singend, durch die Natur. Immer dabei, eine Fahne: ein schwarzer Vogel auf weiß-rotem Grund. Seit einer Woche richtet der rechte „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ in der schwedischen Kommune Markaryd sein Sommerlager aus.

Das Camp liegt in einer idyllischen Region. Nur wenige Menschen leben hier, dafür gibt es unzählige Seen und Wälder. Auch viele Deutsche haben hier kleine Häuser gekauft. Die Ruhe und das Untersichsein kommt den „Sturmvögeln“ um ihre Bundesspitze, Dietlind B. und Michael Z., sehr entgegen. Laut ihrem Gründungsflugblatt wollen sie mit ihrer Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermitteln, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unser Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Sie positionieren sich darin als „volkstreu eingestellte Deutsche“.

Mit der Fähre Rostock-Trelleborg reisten die rund 40 Teilnehmer in Begleitung von einigen Betreuern aus Thüringen und Hessen nach Südschweden. Am Fähranleger wunderte sich eine türkische Familie über die altmodisch gekleidete Gruppe mit Armeerucksäcken.

Der „Sturmvogel“ entstand aus der militanten „Wiking Jugend“ (WJ). „Er ist eine radikale Abspaltung“, sagt der Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam, der zur sogenannten bündischen Jugend forscht. 1987 gründete sich die Gruppe nach einem internen Streit. Der ehemalige WJ-Bundesfahrtenführer Rudi Wittig wurde erster Bundesführer des „Sturmvogel“. Nur wenige Jahre später verbot das Bundesinnenministerium die WJ – der „Sturmvogel“ blieb davon unberührt.

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zu rechtsextremen Verstrickungen des „Sturmvogels“ fällt Ende Dezember 2015 recht knapp aus: zu der Gruppierung lägen „keine hinreichend gewichtigen Erkenntnisse für rechtsextreme Bestrebungen vor“. In Brandenburg antwortete die Landesregierung indes auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion im Januar 2016, dass „vereinzelte Hinweise auf Zusammenhänge zu sonstigen rechtsextreme Organisationen“ vorlägen, wie zur NPD und der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jungend“ (HDJ). Zu den Lagern schicken auch NPD-Familien, rechte Siedler und Holocaust-Leugner ihre Kinder.

Nach dem Verbot der HDJ 2009 befürchteten Rechtsextremismusexperten, dass die „Sturmvögel“ deren rechte Jugendarbeit weiterführen könnten. „Die Bedeutung von solchen Gruppen und ihren Schulungen darf nicht unterschätzt werden“, betont Botsch. Ihre antidemokratischen Erziehungsideale hätten eine nachhaltige Wirkung. „Viele Kader der NPD wurden in Gruppen, wie der WJ politisiert und sozialisiert“, hebt er hervor. Auch der „Sturmvogel“, sagt Botsch, liefere eine „umfassende Schulung, die eine ideologische Festigung nach sich zieht.“ An diesem Wochenende geht es für die Gruppe mit der Fähre zurück nach Deutschland: geschult und gestählt.

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9 Kommentare

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  • naja, macht die katholische Kirche jeden Sonntag Vormittag gegen 10.

  • Nun mal das Moped im Dorf lassen. Die "bündische Jugend" ist ein spezieller Begriff, der auf dem Treffen der freideutschen Jugend auf dem Hohen Meißner 1913 fußt. Man rechnet im allgemeinen die Wandervogelbewegung dazu, wie auch zum Teil die Jungenschaften. Pfadfinder sind eine internationale Bewegung, die in der WOSM und der WAGGS organisiert sind. Leider ist der Begriff nicht geschützt, sodass sich jeder Pfadfinder schimpfen darf. Die Pfadfinderbewegung ist allerdings in Deutschland sehr stark von der bündischen Jugend beeinflusst worden. Diese wesentlichen Elemente der Führung durch Gleichaltrige, das Abgrenzen gegen das "bürgerliche" machte diese Form der Jugendarbeit sehr attraktiv für die Nazis. Jungvolk, Hitlerjugend und BDM übernahmen gewisse Elemente und pervertierten sie.

     

    Nach 1945 war es in Deutschland sehr schwer sich von dieser Last zu trennen. Es sollte über 20 Jahre dauern, bis eine neue Form der Pfadfinder- und der Jugendbewegungen entstehen konnte. Bei diesem Emanzipationsprozess gab es zahlreiche Abspaltungen und so ist es kein Wunder, dass auch ein rechtsextremes Sammelbecken für Jugendführer und Jugendliche entstand.

     

    Die dezentrale Organisationsform, die lokale Verwurzelung und die politische Ahnungslosigkeit der Eltern treiben diesen obskuren Vereinen immer wieder Nachwuchs zu. Das ist aber schon seit 1945 der Fall. Nur nimmt die Bedeutung dieser Vereine deshalb zu, weil viele Positionen bei der rechten Schlagseite, die dieser Staat bekommt, aufgegeben wurden, viele Tabus gebrochen werden.

     

    Gegeben hat es diese Gruppen immer. Aber der rechts blinde Verfassungsschutz arbeitet ja, wie am Beispiel Thüringer Heimatschutz, ganz gern mit solchen Gruppen zusammen.

  • 3G
    33641 (Profil gelöscht)

    Und der Rest von Schland ist echt frei von jeglicher verlogener Ideologie? Denkt mal scharf nach! Neoliberalismus und Talibanisierung fallen mir da ganz schnell ein. Und es gibt bestimmt noch Dutzende weitere Schland-"Tugenden"

    • @33641 (Profil gelöscht):

      Oh, das wird jetzt wieder schwierig. Also weil der grassierende Neoliberalismus doof ist und Dir nach längerem Nachdenken bestimmt noch mehr Dinge einfallen die Dich von einer echten Freiheit trennen, soll es egal sein, ob die kleine Sieghilde, der Heinrich-Wolfram und die anderen Pimpfe und Jungädel nazifiziert werden? Der Teil mit der Talibanisierung ist mir zu doof. Ich hab grad auch keine Alufolie mehr.

      • 3G
        33641 (Profil gelöscht)
        @JustusF:

        [...]

         

        Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich.

      • 3G
        33641 (Profil gelöscht)
        @JustusF:

        [...]

         

        Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich.

        • 3G
          33641 (Profil gelöscht)
          @33641 (Profil gelöscht):

          In Jussuf's Kommentar gibt es zweimal "doof", einmal "Pimpfe" und eine sinnlose Alufolie. Die taz kann Sachlichkeit echt beurteilen.

  • Oho...wenn DAS eine linke Gruppierung wäre! Dagegen gibt es zwar auch keine Gesetze, aber umso eifrigere Politiker und exekutive Organe.

    Die armen Kinder, die keine Wahl haben...und der Staat schaut zu.

  • "Er ist eine radikale Abspaltung“, sagt der Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam, der zur sogenannten bündischen Jugend forscht" - das erweckt den Eindruck als sei "bündische Jugend" etwas rechtes. Dabei ist es nur ein Überbegriff für alle Formen von Pfadfindern die es in Deutschland gibt! Meist eine Mischung aus englischem Pfadfindertum und deutscher Wandervogelbewegung. Die meisten dieser Pfadfinder leisten ganz tolle Jugendarbeit!